Diese Sammlung bisher unveröffentlichter Texte spiegelt einen Abschnitt deutscher Zeitgeschichte wider, über den nur wenige Autoren so glaubhaft für junge Leser schreiben können wie Gudrun Pausewang.
Als Zeitzeugin des Hitlerregimes erzählt sie ohne erhobenen Zeigefinger - von Momenten aus ihrem eigenen Leben, von Schicksalen, die ihr erzählt wurden. Es sind sehr persönliche, sehr ehrliche Beobachtungen, die sich unauslöschlich eingeprägt haben und mit denen sie sich bis heute intensiv auseinandersetzt.
So erinnert sie sich z. B. an einen Tag, als eine jüdische Familie aus ihrer Wohnung geholt wurde und noch am gleichen Tag eine "arische" Familie dort einzog und sich sofort wie zu Hause fühlte.
Oder sie erzählt von dem 15-jährigen Jungen, der so lange von seinem Onkel angestachelt wird, bis er einen russischen Kriegsgefangenen erschießt.
Sie schildert die Mitläufer-Mentalität, erinnert an den "Persilschein" und daran, wie in der Schule die NS-Ideologie verbreitet wurde.
Als Zeitzeugin des Hitlerregimes erzählt sie ohne erhobenen Zeigefinger - von Momenten aus ihrem eigenen Leben, von Schicksalen, die ihr erzählt wurden. Es sind sehr persönliche, sehr ehrliche Beobachtungen, die sich unauslöschlich eingeprägt haben und mit denen sie sich bis heute intensiv auseinandersetzt.
So erinnert sie sich z. B. an einen Tag, als eine jüdische Familie aus ihrer Wohnung geholt wurde und noch am gleichen Tag eine "arische" Familie dort einzog und sich sofort wie zu Hause fühlte.
Oder sie erzählt von dem 15-jährigen Jungen, der so lange von seinem Onkel angestachelt wird, bis er einen russischen Kriegsgefangenen erschießt.
Sie schildert die Mitläufer-Mentalität, erinnert an den "Persilschein" und daran, wie in der Schule die NS-Ideologie verbreitet wurde.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2005Nie mehr zurück
Gudrun Pausewangs Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich
Zeitzeugin - auf wenige Schriftsteller trifft diese Bezeichnung so genau zu wie auf Gudrun Pausewang. Ob es die Armut in Südamerika ist, wo sie als Lehrerin gearbeitet hat, die Friedens- oder die Anti-Atom-Bewegung, in der sie aktiv war, oder die Auseinandersetzung mit den Jahren des Dritten Reiches: ihre Meinung dazu teilt sie in ihrem erzählerischen Werk klar und oft mit pädagogischem Eifer mit. Denn sie ist überzeugt davon, daß man etwas zum Guten bewirken kann mit Aufklärung, Bewußtmachen und ehrlichem, beispielhaftem Bemühen.
Von den über siebzig Büchern, die inzwischen vorliegen, beeindrucken die autobiografischen am meisten. Ihre Kindheit hat Gudrun Pausewang in den Erinnerungen an die "Rosinkawiese" beschrieben und nicht verschwiegen, daß ihre idealistischen Eltern sich von den Parolen der Nationalsozialisten verführen ließen. Von der monatelangen Flucht mit der Mutter, die den Handwagen mit den Kleinsten über Hunderte Kilometer über das schlesisch-böhmische Gebirge bis nach Hamburg zog, hat sie in "Fern von der Rosinkawiese" erzählt.
Jetzt hat sie eine neue Flüchtlingsgeschichte geschrieben. "Überleben" heißt sie lapidar. Fünf Kinder, von denen das älteste knapp siebzehn ist wie Gudrun Pausewang, als sie ihre Heimat verlassen mußte, überleben nach einem Bombenangriff im Luftschutzkeller einer fremden Stadt. Die hochschwangere Mutter mußte vorher bei einem Halt des überfüllten Zuges ihre Kinder der Großmutter anvertrauen, um ihr Baby im nächsten Krankenhaus zur Welt zu bringen. Doch als die Sirenen den Luftangriff ankündigen, verlieren die Kinder im Gedränge vor dem Bahnhof auch ihre Großmutter. Aneinandergeklammert werden sie in den nächsten Keller geschoben und glauben sich wie die anderen Schutzsuchenden zunächst sicher, bis eine gewaltige Detonation die Mauern zum Einsturz bringt.
Wie durch ein Wunder bleiben sie unverletzt und finden auch noch die Tasche mit dem Rest des Reiseproviants. Zwei Tage und zwei Nächte verbringen sie in völliger Dunkelheit im halbeingestürzten Damenklo, ehe sie gerettet werden. Ratschläge fürs Überleben bekommen sie von einem schwerverletzten Soldaten, mit dem sie sich anfangs durch ein Rohr in der Mauer verständigen können. "Eßt langsam, kaut gut, trinkt das Wasser aus dem Spülkasten des Klos in kleinen Schlucken, wer weiß, wie lange es reichen muß", ermahnt er sie, bevor seine Stimme verstummt und das Schlimmste, sein Tod, zu befürchten ist.
Gudrun Pausewang schildert atemberaubend spannend, was in Kindern in einer solchen Situation vor sich geht. Gisel, die Älteste der Geschwister, erkennt als einzige den Ernst der Lage und übernimmt die volle Verantwortung. Ihr zwölfjähriger Bruder hilft ihr, die Kleinen zu beruhigen. Sie sprechen von der Sehnsucht, nach Hause zurückzukehren und alles wiederzufinden, was sie liebten und gewohnt waren. Gisel ahnt aber, daß der Krieg verloren ist und damit auch die Heimat. Gespräche der Eltern fallen ihr ein, deren Glaube an einen "Endsieg" längst erschüttert ist. Sie erinnert sich auch an ihre kluge Großmutter, die von Anfang an die Ziele der Nationalsozialisten abgelehnt und die Katastrophe, die nun die Deutschen trifft, eine Folge dieses verbrecherischen Krieges genannt hat.
Um das Leben und Überleben während der Nazi-Zeit geht es auch in den "Geschichten gegen das Vergessen", die Gudrun Pausewang vor wenigen Monaten veröffentlicht hat. "Ich war dabei", so das Bekenntnis dieser Zeitzeugin. Sie erzählt, wie 1938 die Synagogen brannten, Läden geplündert wurden und die Gaffer, die tatenlos zusahen, später nichts davon gewußt haben wollten. "Habt ihr überhaupt nicht nachgedacht?" fragt ein Enkel verständnislos. Wie damals ein ganzes Volk verhetzt, verängstigt und widerstandslos dem "Führer" folgte, ist den Jüngeren nicht einfach zu erklären. Gudrun Pausewang versucht es aber unermüdlich in ihren meist autobiographischen Geschichten, "damit so etwas nie wieder geschieht".
MARIA FRISÉ
Gudrun Pausewang: "Überleben!". Otto Maier Buchverlag, Ravensburg 2005. 220 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 12 J.
Gudrun Pausewang: "Ich war dabei - Geschichten gegen das Vergessen". Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2004. 247 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gudrun Pausewangs Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich
Zeitzeugin - auf wenige Schriftsteller trifft diese Bezeichnung so genau zu wie auf Gudrun Pausewang. Ob es die Armut in Südamerika ist, wo sie als Lehrerin gearbeitet hat, die Friedens- oder die Anti-Atom-Bewegung, in der sie aktiv war, oder die Auseinandersetzung mit den Jahren des Dritten Reiches: ihre Meinung dazu teilt sie in ihrem erzählerischen Werk klar und oft mit pädagogischem Eifer mit. Denn sie ist überzeugt davon, daß man etwas zum Guten bewirken kann mit Aufklärung, Bewußtmachen und ehrlichem, beispielhaftem Bemühen.
Von den über siebzig Büchern, die inzwischen vorliegen, beeindrucken die autobiografischen am meisten. Ihre Kindheit hat Gudrun Pausewang in den Erinnerungen an die "Rosinkawiese" beschrieben und nicht verschwiegen, daß ihre idealistischen Eltern sich von den Parolen der Nationalsozialisten verführen ließen. Von der monatelangen Flucht mit der Mutter, die den Handwagen mit den Kleinsten über Hunderte Kilometer über das schlesisch-böhmische Gebirge bis nach Hamburg zog, hat sie in "Fern von der Rosinkawiese" erzählt.
Jetzt hat sie eine neue Flüchtlingsgeschichte geschrieben. "Überleben" heißt sie lapidar. Fünf Kinder, von denen das älteste knapp siebzehn ist wie Gudrun Pausewang, als sie ihre Heimat verlassen mußte, überleben nach einem Bombenangriff im Luftschutzkeller einer fremden Stadt. Die hochschwangere Mutter mußte vorher bei einem Halt des überfüllten Zuges ihre Kinder der Großmutter anvertrauen, um ihr Baby im nächsten Krankenhaus zur Welt zu bringen. Doch als die Sirenen den Luftangriff ankündigen, verlieren die Kinder im Gedränge vor dem Bahnhof auch ihre Großmutter. Aneinandergeklammert werden sie in den nächsten Keller geschoben und glauben sich wie die anderen Schutzsuchenden zunächst sicher, bis eine gewaltige Detonation die Mauern zum Einsturz bringt.
Wie durch ein Wunder bleiben sie unverletzt und finden auch noch die Tasche mit dem Rest des Reiseproviants. Zwei Tage und zwei Nächte verbringen sie in völliger Dunkelheit im halbeingestürzten Damenklo, ehe sie gerettet werden. Ratschläge fürs Überleben bekommen sie von einem schwerverletzten Soldaten, mit dem sie sich anfangs durch ein Rohr in der Mauer verständigen können. "Eßt langsam, kaut gut, trinkt das Wasser aus dem Spülkasten des Klos in kleinen Schlucken, wer weiß, wie lange es reichen muß", ermahnt er sie, bevor seine Stimme verstummt und das Schlimmste, sein Tod, zu befürchten ist.
Gudrun Pausewang schildert atemberaubend spannend, was in Kindern in einer solchen Situation vor sich geht. Gisel, die Älteste der Geschwister, erkennt als einzige den Ernst der Lage und übernimmt die volle Verantwortung. Ihr zwölfjähriger Bruder hilft ihr, die Kleinen zu beruhigen. Sie sprechen von der Sehnsucht, nach Hause zurückzukehren und alles wiederzufinden, was sie liebten und gewohnt waren. Gisel ahnt aber, daß der Krieg verloren ist und damit auch die Heimat. Gespräche der Eltern fallen ihr ein, deren Glaube an einen "Endsieg" längst erschüttert ist. Sie erinnert sich auch an ihre kluge Großmutter, die von Anfang an die Ziele der Nationalsozialisten abgelehnt und die Katastrophe, die nun die Deutschen trifft, eine Folge dieses verbrecherischen Krieges genannt hat.
Um das Leben und Überleben während der Nazi-Zeit geht es auch in den "Geschichten gegen das Vergessen", die Gudrun Pausewang vor wenigen Monaten veröffentlicht hat. "Ich war dabei", so das Bekenntnis dieser Zeitzeugin. Sie erzählt, wie 1938 die Synagogen brannten, Läden geplündert wurden und die Gaffer, die tatenlos zusahen, später nichts davon gewußt haben wollten. "Habt ihr überhaupt nicht nachgedacht?" fragt ein Enkel verständnislos. Wie damals ein ganzes Volk verhetzt, verängstigt und widerstandslos dem "Führer" folgte, ist den Jüngeren nicht einfach zu erklären. Gudrun Pausewang versucht es aber unermüdlich in ihren meist autobiographischen Geschichten, "damit so etwas nie wieder geschieht".
MARIA FRISÉ
Gudrun Pausewang: "Überleben!". Otto Maier Buchverlag, Ravensburg 2005. 220 S., geb., 12,95 [Euro]. Ab 12 J.
Gudrun Pausewang: "Ich war dabei - Geschichten gegen das Vergessen". Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2004. 247 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 12 J.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In dem Buch erkennt Roswitha Budeus-Budde ein "Bekenntnis" der Autorin Gudrun Pausewang. In zwanzig kurzen Erzählungen erinnert sich die Autorin an ihre Jugend unter der Hitler-Diktatur. Auffallend für die Rezensentin ist die durchgehende "Perspektive des kindlichen Blicks", die aber nicht verharmlose und einen "Freibrief" für die Lossprechung jeglicher persönlicher Schuld darstelle. Der persönliche Bezug, der mit historischen Fakten verbunden wird, gefällt Roswitha Budeus-Budde. Es mache die Geschichten "besonders authentisch", wie zum Beispiel das Erlebnis der Autorin im Biounterricht: "Typische ostische Rasse. Setzen!". Die Geschichten gewinnen durch die kurze Erzählform an Eindringlichkeit, fügt die Rezensentin hinzu. Doch neben der Erzählung der Vergangenheit ist die "Auseinandersetzung mit Schuld und Sühne" zentral: In einer Geschichte frisiere eine Großmutter die Familiengeschichte für die Enkelin. So fasst die Rezensentin gerne zusammen: "Ein beeindruckendes Zeitzeugnis".
© Perlentaucher Medien GmbH
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