Daniel Cil Brecher: Besprechung im Deutschlandfunk 30.1.2006
Neudeck skizziert das Unrecht des Besatzungsregimes in der Westbank, dem er auf humanitären Missionen begegnet ist, und argumentiert, dass gerade Deutsche dazu nicht schweigen dürfen. Er kritisiert vor allem die traditionelle
Zurückhaltung, die in Deutschland gegenüber Israels Vorgehen geübt wird, und den mangelnden Mut derer, die es…mehrDaniel Cil Brecher: Besprechung im Deutschlandfunk 30.1.2006
Neudeck skizziert das Unrecht des Besatzungsregimes in der Westbank, dem er auf humanitären Missionen begegnet ist, und argumentiert, dass gerade Deutsche dazu nicht schweigen dürfen. Er kritisiert vor allem die traditionelle Zurückhaltung, die in Deutschland gegenüber Israels Vorgehen geübt wird, und den mangelnden Mut derer, die es besser wissen müssten: deutsche Politiker, Journalisten, deutsch-jüdische Publizisten.
"Recht und Gerechtigkeit leben von engagierten und couragierten Bürgern. Das wurde all die Jahre meine wichtigste Maxime. Niemals feige sein, so wie die Generation unserer Eltern feige gewesen ist, tödlich feige bis zum Tod. Israelis und Juden, besonders deutsche Juden, sollten über jeden Deutschen, der nicht mehr gewillt ist, feige zu sein, froh und dankbar sein."
Neudeck erzählt von seinen Erlebnissen in der Westbank zwischen 2002 und 2004, vom Bau der "Mauer" und den Folgen für die arabische Bevölkerung. Er zitiert Politiker, Presseberichte, Telefonate, aber vor allem jüdische und israelische Kritiker des nahöstlichen Status quo. Sein vieltöniger Text wird von einem fiktiven Dialog mit Martin Buber begleitet. Neudeck stellt sich darin die Frage, wie der 1965 verstorbene jüdische Religionsphilosophen die heutige Lage beurteilen würde. Buber hatte einen Zweivölkerstaat in Palästina angestrebt und die gewaltsame Kolonialisierung durch die Juden abgelehnt.
"Martin Buber, wie haben Sie Ihre Zeit erlebt? Was würden Sie sagen, wenn Sie sehen könnten, dass Unrat von den Wohnungen orthodoxer Juden auf die in den engen Gassen der Altstadt von Hebron herumspazierenden Palästinenser ausgeleert wird? Was wäre Ihre Reaktion, wenn Sie vor den Checkpoints der israelischen Armee stehen würden?"
Kritik an der Besatzung werde nicht ausreichend geübt, weil die Deutschen sich in einer Schuldfalle befänden oder einfach Angst hätten, in die Ecke des Antisemitismus gestellt zu werden, argumentiert Neudeck. Sicher klug ist, dass der Autor sich dabei selbst hinter den Schutzschirm jüdischer Kritiker von Martin Buber bis Amira Hass begibt, aber wirklich spannend wird es erst, wenn er aus der Deckung heraustritt und von seinen eigenen Erlebnissen berichtet. Weil Ausländern seit Ausbruch der zweiten Intifada der Zugang zu den besetzten Gebieten verwehrt wird, kommt Beobachtern wie Neudeck, die auf humanitärer Mission unterwegs sind, eine besondere Rolle zu.
"Man muss nur einmal durch Teile der Westbank gefahren sein, um selbst zu sehen, dass dort kein Staat errichtet werden kann. Das Gebiet ist regelrecht untauglich gemacht worden, noch ein Staat zu werden. Große eingezäunte und von Mauern umgebene Straßen "for Jews only" durchziehen in immer größerer Zahl das Gebiet der so genannten Westbank. Die palästinensischen Gebiete veröden, während die israelischen Siedlungen vorzüglich angelegt sind. Während die arabischen Dörfer ringsherum kaum Trinkwasser haben, vergnügen sich die Siedler in Swimmingpools."
Neudeck schließt sein Buch mit dem schrecklichen Menetekel der deutschen Geschichte.
"Es soll keiner sagen, er habe nicht gewusst, was in Israel geschieht. Wer es wissen will, hat genügend Möglichkeiten, sich zu informieren, wer es nicht tut, will es nicht wissen."