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Dies ist der persönliche Bericht des ehemaligen Bundeskanzlers über die dramatischen Ereignisse zwischen dem Sommer 1989 und dem Herbst 1990. Nach langen Gesprächen mit Kohl wurde er von den Journalisten Kai Diekmann und Ralf Georg niedergeschrieben.

Produktbeschreibung
Dies ist der persönliche Bericht des ehemaligen Bundeskanzlers über die dramatischen Ereignisse zwischen dem Sommer 1989 und dem Herbst 1990. Nach langen Gesprächen mit Kohl wurde er von den Journalisten Kai Diekmann und Ralf Georg niedergeschrieben.
Autorenporträt
Dr. Helmut Kohl, geboren 1930 in Ludwigshafen am Rhein, ist seit 1947 Mitglied der CDU. 1959 wurde er Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz und war. von 1969 bis 1976 Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Von 1973 bis zum 7. November 1998 war er Bundesvorsitzender der CDU. Er war Mitglied des Deutschen Bundestages von 1976 bis 2002, von Dezember 1976 bis Oktober 1982 Oppositionsführer als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vom 1. Oktober 1982 bis 27. Oktober 1998 war Helmut Kohl Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.1997

In historischer Stunde ganz auf der Höhe der Zeit
Zwei Bücher über Helmut Kohl, eines von ihm selbst verfaßt

Helmut Kohl: Ich wollte Deutschlands Einheit. Dargestellt von Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth. Propyläen Verlag, Berlin 1996. 488 Seiten, 48,- Mark

Helmut Kohl: Auf der Höhe der Zeit. Fotografiert von Konrad R. Müller. Mit einem Essay von Christian Müller. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1996. 119 Seiten, 88,- Mark.

Memoiren möchte Helmut Kohl nicht schreiben. Ein Buch über die Wiedervereinigung hätte ihm - jedenfalls während der Dauer seiner Amtszeit - der Bund der Steuerzahler übelgenommen. In langen Gesprächen haben darum zwei Journalisten den Bericht des Bundeskanzlers erfragt. Herausgekommen ist dabei ein spannendes, dichtes Buch. Gut zur Hälfte ist es Originalton des Bundeskanzlers, und sicherlich hat er das ganze Buch sorgfältig durchgesehen.

Helmut Kohls Bericht über die Wiedervereinigung kommt zur rechten Zeit. Denn ein politisches Märchen droht sich festzusetzen - das Märchen, die sogenannte "Ost-und Entspannungspolitik", habe Anteil an der Wiedervereinigung. Tatsächlich war es niemand anderes als Konrad Adenauer, der gut zwanzig Jahre zuvor die entscheidenden deutschlandpolitischen Weichen stellte: "Die Sowjets würden früher oder später einsehen, daß sie sich mit dem Westen verständigen müßten, daß sie ihn nicht niederzwingen könnten. In einer solchen friedlichen Verständigung lag meine Hoffnung und sah ich unsere Chance. Sie würde allerdings für uns nur dann gegeben sein, wenn wir uns im Zeitpunkt einer solchen allgemeinen Einigung zwischen West und Ost bereits als zuverlässiger Partner des Westens erwiesen hätten. Nur dann würde der Westen bei einer Verständigung unsere Interessen zu seinen eigenen machen." In den siebziger und achtziger Jahren unterstellten die Anhänger der "Entspannungspolitik" Adenauer darum Abwendung vom Ziel der Wiedervereinigung.

Zwei Akteure ließen 1989/90 Adenauers deutschlandpolitische Strategie des langen Atems aufgehen: Helmut Kohl und George Bush. Kohls Buch über das erstaunliche Wiedervereinigungsjahr ist vor allem ein Bericht über eine ganz und gar erstaunliche Zusammenarbeit: Kein Telefonat mit Gorbatschow, das Kohl nicht umgehend mit Bush besprochen hätte; kein amerikanisch-sowjetischer Gipfel, den Bush nicht mit dem Kanzler vor- und nachbesprach. Und wenn es nicht anders ging, dann wartete auf dem Moskauer Flughafen der amerikanische Botschafter mit einem Brief für den Bundeskanzler. Man versteht, wie Präsident Bush am Ende dieses Jahres dazu kam, in Bonn den "partner in leadership" zu sehen, und man ahnt seine Enttäuschung, als Bonn sich überfordert zeigte. Man ahnt auch alte Pariser Besorgnisse über eine Achse Washington-Bonn, die schon Adenauer nicht hatte zerstreuen können. 1990 wurden sie gewiß wieder wach.

Helmut Kohls Verdienst war es, politischen Spielraum früher als andere erkannt und gegen starken inneren und äußeren Widerstand zur rechten Zeit die Initiative ergriffen zu haben. Im diplomatischen Dreieck Moskau-Budapest-Bonn beförderte er im Sommer 1989 die Öffnung des Eisernen Vorhangs. Kohl hoffte, Bewegung in die "deutsche Frage" zu bringen. Das gelang gründlich. Die Fluchtwelle aus der DDR spülte alles fort - Mauer, DDR, die Ordnung von Jalta.

Schon drei Wochen nach der Öffnung der Mauer sah Kohl den Moment gekommen, "in dem der deutsche Bundeskanzler sich die Initiative in Richtung deutsche Einheit nicht mehr aus der Hand nehmen lassen durfte". Sein Zehn-Punkte-Plan wies Richtung und Ziel. Aber kaum jemand hatte dem Tempo folgen können. Opposition und Koalitionspartner wollten Ost-Berlin noch mit Milliardenkrediten stabilisieren, als es die DDR schon fast nicht mehr gab. Der damalige Bundespräsident hatte Verfassung und Wiedervereinigungsgebot anscheinend vergessen und warnte vor dem "Zusammenwuchern" der beiden Teile Detuschlands.

Mit den europäischen Verbündeten erging es Kohl nicht besser: Auf dem EG-Gipfel in Straßburg fand er sich "tribunalartiger Befragung" ausgesetzt. Margaret Thatcher und der italienische Außenminister Andreotti wollten plötzlich vom Selbstbestimmungsrecht der Völker nichts mehr wissen. François Mitterrand versicherte vierzehn Tage später DDR-Ministerpräsident Modrow der Solidarität Frankreichs.

Wenn das Atlantische Bündnis doch zur Solidarität mit Bonn zurückfand, so war das Präsident Bush zu verdanken. Der machte dem Brüsseler Nato-Gipfel klar, daß Washington die Politik des Kanzlers unterstützte. Im Gegenzug und zur Beruhigung der Bündnispartner versprach Kohl, Moskau die Mitgliedschaft auch des vereinten Deutschland in der Nato abhandeln zu wollen. Im Verein mit den Alliierten und unter Einsatz zweistelliger Milliardensummen sollte es ihm gelingen.

Endgültig zur Besinnung brachte die europäischen Partner niemand anderes als, so Kohl, die "national-neutralistische Linke" von Oskar Lafontaine bis Joschka Fischer. Die innenpolitische Situation, warnte er im März Mitterrand, habe viel Ähnlichkeit mit der von 1983: Dieselben Leute, die sich damals gegen die Nachrüstung eingesetzt hätten, "würden nun versuchen, eine Politik der Neutralität für das vereinte Deutschland durchzusetzen". Doch Moskau, weiß Kohl heute erleichtert, beging einen schweren Verhandlungsfehler: "Hätte Gorbatschow im Februar das Angebot einer raschen Wiedervereinigung gegen Nato-Austritt und Neutralität unterbreitet, so hätte dies in der Öffentlichkeit beider deutscher Staaten auf breite Zustimmung stoßen können." Die Gefahr war real. Denn um nichts anderes als um den leisen Ausstieg aus dem Atlantischen Bündnis ging es wenig später beim Streit der Deutschen darüber, ob die Länder der DDR schlicht dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten oder ob das vereinigte Deutschland eine neue Verfassung erhalten und sich neu gründen sollte. Denn wäre die DDR nach Artikel 146 beigetreten, hätte Deutschland um Nato- und EG-Mitgliedschaft erst neu ersuchen müssen. Selbst Bundespräsident von Weizsäcker, heißt es in Kohls Buch, hatte "Bedenken, den Weg über Artikel 23 als den einzig gangbaren anzusehen". Auch Margaret Thatcher und Giulio Andreotti werden schließlich heilfroh gewesen sein, daß sie es mit Helmut Kohl zu tun hatten und nicht mit Oskar Lafontaine.

Beinahe aufregender als der Bericht des Akteurs ist die sozusagen neutrale Sicht Christian Müllers, Bonner Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung", auf die Einheit, Kanzler Kohl und dessen Kanzlerschaft. Auch Müller sieht in seinem Essay in Konrad Adenauers Politik der West-Integration und der Vertrauensbildung nach Westen die eigentliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung. Müllers Gewährsmann ist Präsident Bush, der 1989 nicht einen Moment zögerte: "Ich fand, jetzt müßten wir den Deutschen mehr Vertrauen schenken, nach all dem, was sie nach dem Zweiten Weltkrieg geleistet hatten. Ich war auch überzeugt, daß Helmut Kohl ein vereintes Deutschland nicht aus der Nato herausführen würde. Ich war mir sicher, daß er sich für den Westen und nicht für die Neutralität zwischen Nato und Warschauer Pakt entscheiden würde, wie Gorbatschow es sich wünschte."

Von vielen Kommentatoren erfuhr Helmut Kohl allenfalls Lob, das Beste aus einer Chance gemacht zu haben, die ihm in den Schoß gefallen sei. Historische Größe wurde allein dem Herrn des zerfallenden Sowjetreiches zuerkannt. Solche Beurteilung, bilanziert Müller sechs Jahre später, hält historischer Perspektive nicht stand. Denn während Gorbatschow 1989/90 nicht mehr zu handeln wagte und es auch gar nicht mehr konnte, beschleunigten Bush und Kohl fast unablässig den Ablauf der Ereignisse. Eile tat auch not: "Die deutsche Wiedervereinigung sollte unter Dach und Fach gebracht sein, ehe die Flut der Gezeitenwende im Kreml die kompromißwillige Führung hinwegspülte." Kohl, so der Schweizer Journalist, handelte "in voller Erkenntnis der sich darbietenden historischen Chance" und stand eben "in einem außerordentlichen Moment ganz auf der Höhe der Zeit".

In den frühen Jahren seiner Kanzlerschaft hatte Kohl vorgearbeitet. Einen "ausgesprochenen Glücksfall für die Allianz und für die Freiheit der westlichen Demokratie" nennt Christian Müller den Übergang der Regierungsverantwortung an Helmut Kohl auf dem Höhepunkt der Nachrüstungskonfrontation mit Moskau 1982. Mit SS-20-Mittelstrecken-Raketen schürte Moskau damals die alte Furcht der Europäer, nicht auf den uneingeschränkten Schutz Washingtons vertrauen zu können. In Saigon, Angola, Äthiopien und vor allem in Afghanistan und in Polen hatte Moskau gerade gesteigerte Aggressivität und Konfliktbereitschaft bewiesen. Nach der Wiedervereinigung wurden sogar Moskauer Kriegspläne publik, die die Rote Armee innerhalb von vier Wochen bis an die Biskaya und an die Pyrennäen hätte führen sollen, Nuklearschläge auf Norddeutschland inbegriffen. In Deutschland, erinnert sich Müller, herrschte 1982 "unbeschreibliche Hysterie". Die SPD Willy Brandts distanzierte sich vom Bündnis und bestätigte den Verdacht, daß die Brandtsche Ostpolitik auch den Keim enthielt zu "deutschem Ausscheren aus der Allianz zugunsten einer Sonderverständigung mit dem Kreml". Kohl, der wußte, daß die außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik auf dem Spiel stand, trug dagegen Sorge, daß das seit Adenauer im Westen angehäufte Vertrauenskapital nicht angetastet wurde.

Die wichtigste Unterstützung erfuhr er dabei von Frankreichs sozialistischem Präsidenten Mitterrand, der 1983 eben nicht Willy Brandt und die deutschen Sozialdemokraten unterstützte, sondern den Bundeskanzler. Der pflegte die persönliche und politische Freundschaft und vergrößerte auch in Paris das deutsche Vertrauenskapital. 1990 half auch das, französische Vorbehalte gegen die Wiedervereinigung zu überwinden. Heute sind die Symbole deutsch-französischer Freundschaft und deutsch-französischen Zusammengehens kaum mehr zu zählen. Als vorläufig letztes und weitestgehendes hat Müller, dem wirklich kein Detail entgeht, ausgerechnet Frankreichs Abschaffung der Wehrpflicht ausgemacht: Vierzig Jahre lang hatte Paris stets darauf geachtet, nicht weniger Divisionen und nicht weniger Panzer mobilisieren zu können als die Bundeswehr. Seit 1995 gilt Komplementarität. Frankreichs Berufs- und leichte Interventionsarmee und Deutschlands mobilmachungsstarke Landesverteidigungskräfte sollen sich ergänzen. Die neue französische Militärdoktrin weist in die Zukunft. Christian Müller erkennt in ihr schon die Annäherung an die Maastrichter Forderung nach gemeinsamer europäischer Verteidigung.

Die längste Zeit seiner Kanzlerschaft schlug Helmut Kohl eher geringschätziges Presse-Echo entgegen. Dazu gehörten unvorteilhafte Bilder in Zeitung und Fernsehen. Er hat sich die schönen Fotos des Berliner Fotografen Konrad Müller redlich verdient. Ausgesprochen schlecht sehen heute dagegen so viele Kritiker Helmut Kohls aus. Sie gaben sich gerne intellektuell und mokierten sich über des Kanzlers intellektuelles Format. Aber 1989 waren sie nicht "auf der Höhe der Zeit". Sind sie es heute?

HEINRICH MAETZKE

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