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Johnny, Clint und Romy wachsen bei ihrem Vater auf, der sich weder für bürgerliche Konventionen noch Gesetze interessiert. Theodor war in keinerlei Hinsicht das, was man einen guten Vater nennt, und dennoch hat er seine Kinder auf seine Art sehr geliebt. Als die Zwillinge Romy und Clint ihren 25. Geburtstag feiern und der Vater nicht auftaucht, bekommen es die drei Geschwister mit der Angst zu tun. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach ihrem Vater, den sie ebenso verehren wie verfluchen. In einer Nacht voller Erinnerungen, Drogen, Alkohol und Warten erleben sich die drei Geschwister…mehr

Produktbeschreibung
Johnny, Clint und Romy wachsen bei ihrem Vater auf, der sich weder für bürgerliche Konventionen noch Gesetze interessiert. Theodor war in keinerlei Hinsicht das, was man einen guten Vater nennt, und dennoch hat er seine Kinder auf seine Art sehr geliebt.
Als die Zwillinge Romy und Clint ihren 25. Geburtstag feiern und der Vater nicht auftaucht, bekommen es die drei Geschwister mit der Angst zu tun. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach ihrem Vater, den sie ebenso verehren wie verfluchen. In einer Nacht voller Erinnerungen, Drogen, Alkohol und Warten erleben sich die drei Geschwister einmal mehr als Schicksalsgemeinschaft und setzen dabei auch ihr Leben aufs Spiel.
Autorenporträt
Antonia Baum, geboren 1985, hat Literaturwissenschaft und Geschichte studiert. Derzeit studiert sie Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin. Sie hat verschiedene Kurzgeschichten veröffentlicht. Vollkommen leblos, bestenfalls tot ist ihr erster Roman.
Rezensionen
»Poetisch, dicht, reflektiert - gut, witzig, ergreifend, ein Pageturner.« Moritz Baßler DIE ZEIT

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Moritz Baßler, Professor für Neuere Deutsche Literatur in Münster, ist hin und weg von diesem "Post-Pop-Roman". Vergleiche mit Christian Kracht, Wolfgang Herrndorf oder Quentin Tarantino drängen sich ihm auf. Denn hier erzähle eine Autorin mit Witz und Action von der Realität, die mit dem deutschen Nachkriegs- und Wiedervereinigungsrealismus nichts am Hut hat. Alles ist hier künstlich, so Baßler: Aus der Perspektive der Psychologiestudentin Romy erzählt Baum die Geschichte einer Familie, die vollständig um den Vater Theodor kreist, der als Arzt und Ganove zwar Erfolg hat, seine drei halbwaisen Kinder aber vernachlässigt. Baum verzichtet dabei nicht nur auf "die bekannten Muster finaler Entlarvung" und andere Plotttreiber, sie ist historisch irreführend, unlogisch und stattet ihre Charaktere mit völlig unvereinbaren Eigenschaften aus. Für Baßler ein Roman mit "Intellekt und Gefühl".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2015

Vater ist dann mal weg
Furios: Antonia Baums Roman „Ich wuchs auf einem Schrottplatz
auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren“
VON DANA BUCHZIK
Andere fahren mit ihren Kindern in den Urlaub; Theodor fährt mit Romy, Clint und Jonny zum Schrottplatz. In einem alten Leichenwagen, in halsbrecherischem Tempo, einen Zahnstocher im Mund, nur den Mittelfinger am Lenkrad. Der einäugige Witwer ist hauptberuflich Arzt und nebenberuflich Autoschieber. Er leistet sich einen Anwalt und eine Autosammlung inklusive Porsche – ansonsten frönt er dem Sparzwang. Zu Hause darf weder gebadet noch geheizt werden, Geschirr wird nur mit Wasser gespült und statt Toilettenpapier gibt es alte Zeitungen. Wenn Theodors Kinder Geld brauchen, um etwa an Schulausflügen teilnehmen zu können, stellt er ihnen Schuldscheine aus. Dass sie ihr nicht existentes Taschengeld mit Drogenhandel aufbessern, findet er eher erleichternd; nur erwischen lassen sollten sie sich nicht. Polizisten, sagt Theodor, seien „die schlimmsten Menschen überhaupt“ und Jugendknast sei „ganz schlecht für die Entwicklung“.
  „Das Gefährlichste an Familien ist, dass man sie lieben muss“, hieß es 2011 in Antonia Baums Debüt „Vollkommen leblos, bestenfalls tot“. Der Satz gilt auch für ihren zweiten Roman. Gefährlich für die achtjährigen Zwillinge Romy und Clint oder den zwölfjährigen Jonny sind nicht die halsbrecherischen Autofahrten mit ihrem Vater oder das Fehlen von Sicherheitsgurten, nicht die schlechte Ernährung oder die horrenden hygienischen Zustände in ihrem Zuhause, nicht die Tatsache, dass ihr Vater sie immer wieder über Tage und Wochen allein lässt, um im In- und Ausland seinen illegalen Geschäften nachzugehen. Gefährlich ist ihre emotionale Abhängigkeit von einem Mann, der längst im Wahnsinn verloren gegangen ist.
  Die 31-jährige Autorin entwirft in „Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren“ das komplexe Bild einer durch und durch dysfunktionalen Familie. Der erste Erzählstrang besteht aus den Kindheitserinnerungen der Ich-Erzählerin Romy; im zweiten Erzählstrang sind sie und ihre Geschwister erwachsen und begreifen langsam, dass ihr Leben noch immer darum kreist, die Liebe eines geistig wie emotional abwesenden Mannes zu gewinnen. Jeden Geburtstag verbringen sie bei ihrem Vater, warten darauf, dass er abfällig betont, es sei keine Leistung, Geburtstag zu haben, um sich dann doch zu einer Gratulation herabzulassen; seine Umarmung ist das größte – und traditionell einzige – Geschenk.
  An Romys und Clints 25. Geburtstag jedoch ist Theodor auf einmal spurlos verschwunden, und das Haus verwaist. Ratlos sitzen die Geschwister da, betrinken sich und versuchen, ihre Angst mit zwanghaften Ritualen in Schach zu halten: „Ich klopfe dreimal auf den Holztisch, weil ich jetzt wirklich glaube, dass Theodor tot ist, und will, dass der Gedanke weggeht. Er hätte schon so oft tot sein können. Jeden Tag meines Lebens habe ich damit gerechnet, und zwar einfach weil ich dachte, wenn ich nicht damit rechne, dann passiert es doch, weswegen ich gezwungen war, damit zu rechnen, sonst wäre ihm etwas passiert. Und so ist nie etwas passiert. Ich klopfe noch mal auf das Holz, drei Mal und so fest, dass ich mir danach die Knöchel halte.“
  Seit Romy denken kann, verbringt Theodor sein Leben vor allem damit, es aufs Spiel zu setzen. Zu den ersten Erinnerungen seiner Tochter zählt eine spontane Reise nach Berlin, wo ihr Vater ein Wettbüro eröffnen wollte: „Theodor hatte uns schulfrei gegeben.“ Ein Roadtrip im Leichenwagen, im Gepäck schrottreifes Werkzeug, der schwer alkoholkranke Handwerker Kalli und dessen Vogelspinne Luise. Dass Theodor sich in Berlin ausgerechnet mit dem Schutzgelderpresser Sultan anfreundet, der das Wettbüro mit seinen Schlägerfreunden heimsucht, und dass ebenjener Sultan unvermittelt beschließt, sein lukratives Geschäft aufzugeben, um in Theodors Haus einzuziehen und mit butterweichem Herz dessen Kinder zu versorgen, ist nur ein Beispiel dafür, dass jede Forderung nach konsistenten Charakteren oder nachvollziehbaren Plotstrukturen an diesem Roman abprallt.
  Sultan, der Schutzgelderpresser, wird zur Mutter, die Romy und ihre Brüder nie hatten. Er überschüttet sie mit Liebe, kontrolliert ihre Hausaufgaben, kauft ihnen Kleidung und Schuhe und etabliert abendliche Familienessen. „Sei nicht so geizig mit deinen Worten!“, sagt er zu Theodor, „Jonny hat eine Zwei in Mathe, oder, Jonny? Die kleinen Kinder und Sultan wollen wissen, wie es dir geht. Ist doch ganz einfach. Du musst Familienliebe machen und sie gießen wie die Blumen.“
  Die fragile neue Familienharmonie wird erschüttert, ehe Sultans pädagogische Bemühungen bei Theodor oder seinen Kindern dauerhafte Erfolge erzielen können. Ein Happy End oder auch nur ein glückliches Zwischenspiel ist in diesem Roman nicht zu erwarten: Die einzige Konstante im Leben von Romy, Clint und Jonny ist das Verschwinden der Menschen, die ihnen wichtig sind. Mit Sultan verlieren die Kinder den Halt und die Sicherheit, an die sie gerade erst zu glauben begonnen hatten. Der Vater flüchtet sich in immer perfidere Spar- und Kontrollzwänge, seine mittlerweile elf- und 15-jährigen Kinder steigen ins lokale Drogengeschäft ein.
  Antonia Baum entwirft ein jugendliches Absturzszenario, ein Leben im Dauerrausch mit fragwürdigen Freunden und Bekannten, doch unterläuft sie ihre intendierten Effekte: Der scheinbar schlechte Umgang der frühreifen Drogendealer erweist sich immer wieder als feingeistig-akademisch. Selbst die abgewrackteste Kneipenbedienung ist studierte Medizinerin und referiert über die Nachteile der Psychoanalyse, der Alkoholiker Kalli ist eigentlich zartfühlender Geigenbauer und der lokale Drogenboss verbringt seine Tage mit Meditation und Schach und spart seine Einnahmen, um möglichst bald mit seiner buddhistischen Schwertsammlung in den Fernen Osten auswandern zu können.
  Und Romy und ihre Brüder schwänzen trotz Familienabsturz und Drogenkarriere kein einziges Mal die Schach- und Tanz-AG. Obwohl sie keine Hausaufgaben mehr machen und im Unterricht nicht mehr zuhören, schließen sie die Schule mit Einserabitur ab und promovieren später in Medizin, Jura und Psychologie.
  Trotz dieser Abfederung seiner Absturzgeschichte ist dieser Roman ein großartiges Buch: Antonia Baum erzählt einfach erbarmungslos gut. Sie liefert auf knapp 400 Seiten eine spannungsreiche Geschichte, die bis zum Finale immer weiter an Wucht und Tempo zunimmt. Sie erzählt von einem Vater, der seinen Kindern nur beibringt, wie man in seiner Welt überlebt – nicht in der Welt der anderen. Und von Kindern, die selbst als erfolgreiche Erwachsene nur nach der Anerkennung eines einzigen Menschen gieren. Romy, Clint und Jonny starren ihren Vater bei jeder Begegnung erwartungsvoll an, in der Hoffnung, dass nach dem nächsten Blinzeln endlich der Vater vor ihnen steht, den sie so dringend gebraucht hätten, den sie noch immer bräuchten: „Aber da ist nur Theodor.“
Antonia Baum: Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 400 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.
„Das Gefährlichste an Familien
ist, dass man sie lieben muss.“
„Du musst Familienliebe machen
und sie gießen wie Blumen.“
Ein Happy End, ein glückliches Zwischenspiel ist nicht zu erwarten bei Antonia Baum.
Foto: Franz Bischof/laif
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2015

ANTONIA BAUM, Feuilletonredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat ihren zweiten Roman geschrieben. In "Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren" geht es um Romy, Jonny und Clint, die bei ihrem alleinerziehenden Vater aufwachsen. Theodor ist Arzt, Künstler, Autohändler und liebt kriminelle Geschäfte. Als die Familie in Berlin Schwierigkeiten mit lokalen Schutzgelderpressern bekommt, beginnt sich das Jugendamt für das Wohl der Kinder zu interessieren. Die Lage wird kompliziert und bleibt es, denn zwanzig Jahre später ist Theodor plötzlich verschwunden, und seine inzwischen erwachsenen, mehrfach gestörten Kinder machen sich auf die Suche nach ihrem Vater, wobei sie nach und nach erfahren, warum die Dinge in dieser Familie sein müssen, wie sie sind - und wo eigentlich ihre Mutter abgeblieben ist. (Antonia Baum: "Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf ...". Roman. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2015. 398 S., geb., 22,- [Euro].)

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