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Wolfgang Hilbig, der bis 1985 in der einstigen DDR lebte, erzählt die Geschichte eines Schriftstellers und Stasispitzels, der einen mysteriösen Autor beschatten soll. Da dieser jedoch nie versucht, seine eigenen Texte zu veröffentlichen, ist damit der Verdacht gegen ihn schwer zu erhärten. Der Schriftsteller zweifelt schließlich an dieser Aufgabe und ihm verschwimmen hier Dichtung und Spitzelbericht, so dass er nichts mehr zu Papier bringen kann. Interessiert sich das Ministerium für Staatssicherheit überhaupt für seine Berichte? Hilbigs athmosphärisch dichter Roman "Ich" zeigt die Verwicklung von Geist und Macht.…mehr

Produktbeschreibung
Wolfgang Hilbig, der bis 1985 in der einstigen DDR lebte, erzählt die Geschichte eines Schriftstellers und Stasispitzels, der einen mysteriösen Autor beschatten soll. Da dieser jedoch nie versucht, seine eigenen Texte zu veröffentlichen, ist damit der Verdacht gegen ihn schwer zu erhärten. Der Schriftsteller zweifelt schließlich an dieser Aufgabe und ihm verschwimmen hier Dichtung und Spitzelbericht, so dass er nichts mehr zu Papier bringen kann. Interessiert sich das Ministerium für Staatssicherheit überhaupt für seine Berichte?
Hilbigs athmosphärisch dichter Roman "Ich" zeigt die Verwicklung von Geist und Macht.
Autorenporträt
Wolfgang Hilbig, geb. 1941 in Meuselwitz bei Leipzig, gestorben 2007 in Berlin, übersiedelte 1985 aus der DDR in die Bundesrepublik. Er erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, darunter den Georg-Büchner-Preis, den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Bremer Literaturpreis, den Berliner Literaturpreis, den Literaturpreis des Landes Brandenburg, den Lessing-Preis, den Fontane-Preis, den Stadtschreiberpreis von Frankfurt-Bergen-Enkheim, den Peter-Huchel-Preis und den Erwin-Strittmatter-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2008

Allegorie des Stasi-Systems
Wolfgang Hilbig: „Ich”
Die Sprache der Stasi strotzte vor Genitiven. Sie ging auf in der näheren Bestimmung des Verweises auf den Verweis: „. . . Festlegung der durchzuführenden Zersetzungsmaßnahmen auf der Grundlage der exakten Einschätzung der erreichten Ergebnisse der Bearbeitung des jeweiligen Operativen Vorgangs . . .”
Cambert, so sein Deckname, ist ein erfolgloser Schriftsteller, der – eine Vaterschaft wird ihm angehängt – von der Staatssicherheit dazu genötigt wird, als IM für sie zu arbeiten. Im Lauf seiner Tätigkeit verirrt er sich nicht bloß im Gestrüpp der Genitive. Sein Führungsoffizier säuft wie ein Loch, was Cambert zupass kommt, weil er selbst sich regelmäßig Inspiration antrinkt.
Das Ziel der Stasi – die heimliche Unterwanderung der Gesellschaft – nimmt Cambert wörtlich: In Berlin, wo die Keller vieler Mietshäuser miteinander verbunden sind, weiß er genau, wie man von einem Keller in den nächsten gelangt. Haustüren passiert er bei seinen Spitzeltätigkeiten immer seltener. Seine Aufgabe: Er soll einen Schriftsteller in der Dissidentenszene beschatten, den sogenannten „Reader”, der des öfteren in Privatwohnungen Lesungen abhält. Problematisch an dem Auftrag ist: „Reader” will nicht öffentlich bekannt werden und offenbar auch nicht in den Westen entkommen. Immerhin zählt eine junge Frau aus Westberlin zu den regelmäßigen Zuhörern seiner Lesungen.
Cambert schreibt brav Bericht um Bericht. Sei es weil er Schriftstellerei und IM-Arbeit verwechselt, sei es weil er nicht nur Denunziant sein will, denkt er sich allerlei aus. Sein Führungsoffizier ermahnt ihn, er solle sich „selber mehr draußen lassen”. Das gelingt ihm nicht, aber seinem eigenen Leben kommt er allmählich abhanden. Wolfgang Hilbigs Roman „Ich” karikiert die Arbeit der Stasi genau so weit, wie es nötig ist, um ihr letztlich vollkommen absurdes Wesen herauszustellen.
Alle Welt war von dem Film „Das Leben der Anderen” angetan. Verglichen mit Hilbigs „Ich” ist der Film eine Schmonzette mit aufgesetzten Schaudereffekten. In „Das Leben der Anderen” gibt es einen recht klaren Unterschied zwischen „gut” und „böse”. Nicht so bei Hilbig: Allein der Staatssicherheit haben manche Autoren der „Szene” es zu verdanken, dass sie zu Ruhm kommen. Camberts Zimmerwirtin, Frau Falbe, hat es seit Jahren im Bett nur mit IMs zu tun gehabt. Sie meint, solche Männer entwickelten eine eigene, ihrer Tätigkeit irgendwie anverwandelte Sexualität.
Die Einsamkeit des Stasi-Offiziers in „Das Leben der Anderen” unterscheidet sich nur äußerlich von der eines Steuergehilfen, der über der Bearbeitung einer Akte unvermittelt ins Phantasieren kommt. Die Einsamkeit von Hilbigs Cambert hingegen ergibt sich notwendig aus seiner Spitzeltätigkeit. Die Figur ist psychologisch vollkommen plausibel geschildert und dabei zugleich die Personifikation, besser gesagt: eine Allegorie des Systems der Stasi. Mit „Ich” ist Hilbig ein großes Kunststück gelungen. Das Buch ist beides zugleich: schrecklich und hochamüsant. FRANZISKA AUGSTEIN
Wolfgang Hilbig Foto: Friedrich /SZ Photo
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