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Seit 2007 prekarisiert das Wissenschaftszeitvertragsgesetz Arbeitsbedingungen und Berufsaussichten des akademischen Mittelbaus: Das Gros der Wissenschaftler:innen hangelt sich von einem befristeten Job zum nächsten, und wer nach zwölf Jahren keine feste Stelle hat, fällt endgültig aus dem System heraus.
Als 2021 ein Video des Forschungsministeriums in den Fokus gerät, in dem am Beispiel der fiktiven Biologin »Hanna« die vermeintlichen Vorzüge des Gesetzes gepriesen werden, lancieren Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon den Hashtag #IchBinHanna. Binnen weniger Stunden machen
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Produktbeschreibung
Seit 2007 prekarisiert das Wissenschaftszeitvertragsgesetz Arbeitsbedingungen und Berufsaussichten des akademischen Mittelbaus: Das Gros der Wissenschaftler:innen hangelt sich von einem befristeten Job zum nächsten, und wer nach zwölf Jahren keine feste Stelle hat, fällt endgültig aus dem System heraus.

Als 2021 ein Video des Forschungsministeriums in den Fokus gerät, in dem am Beispiel der fiktiven Biologin »Hanna« die vermeintlichen Vorzüge des Gesetzes gepriesen werden, lancieren Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon den Hashtag #IchBinHanna. Binnen weniger Stunden machen zahllose Wissenschaftler:innen ihrem Ärger Luft. Sie schildern die Auswirkungen der Prekarität auf ihr Leben, berichten von Überlastung und Depressionen. Die Medien greifen das Thema auf, und »Hanna« schafft es wenig später sogar in den Bundestag.

In ihrer Streitschrift legen die Initiator:innen dar, welche Folgen das »WissZeitVG« für Forschende und Studierende, aber auch für den Wissenschaftsstandort Deutschland und unsere Gesellschaft insgesamt hat. Sie resümieren die Erfahrungsberichte unter #IchBinHanna und präsentieren ihre Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre.
Autorenporträt
Amrei Bahr, geboren 1985, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Gerald Wagner stellt enttäuscht fest, dass die Streitschrift von Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon zum Thema Wissenschaftsvertragsgesetz zur Diskussion kaum etwas beiträgt. Wenn die Autoren den Trend zur Prekarisierung im Wissenschaftsbetrieb mit einem Zitat einer Abgeordneten der Linkspartei belegen, findet Wagner das mehr als dürftig. Richtig nervig findet er den "schrillen" Ton des Buches und die fatale Neigung der Autoren zur "selbstgefälligen Übertreibung". Das macht selbst die begründete Kritik und die vernünftigen Vorschläge für eine Reform des Gesetzes, die sich laut Rezensent im Band finden, irgendwie "schaurig", findet Wagner.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2022

Wie ist die Verwertungslogik doch grausam
Jetzt aber bitte mal her mit den Philosophielehrstühlen: Akademischer Nachwuchs steigt auf die Barrikaden

Im vergangenen Jahr sorgte ein Video des Bundesforschungsministeriums für große Aufregung. Das harmlose Filmchen versuchte nahezu kindgerecht am Beispiel einer fiktiven Biologin namens Hanna die Vorzüge des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes darzustellen. Was folgte, war ein medialer Shitstorm. Denn was das Ministerium als eigentliche Leistung des Gesetzes lobte - die Ermöglichung von befristeten Arbeitsverhältnissen an den deutschen Hochschulen -, gilt unter den davon Betroffenen als der Grund des Elends, in dem sie ihr Dasein als wissenschaftlicher Nachwuchs fristen müssen. Elend? Junge Menschen, die sich jahrelang der Erforschung ihrer selbst gewählten wissenschaftlichen Interessen widmen können? Die ihr Wissen anderen wissbegierigen jungen Menschen weitergeben können, die in Massen an die Universitäten strömen, voller Neugierde und Begeisterung für das Abenteuer der akademischen Bildung?

Die Autoren werden eine solche Schilderung ihrer beruflichen Lage wohl nur als Satire lesen können. Vermutlich sogar eher als Verhöhnung. Die drei Geisteswissenschaftler sind die Initiatoren einer akademischen Protestbewegung, die im Juni 2021 unter dem Hashtag #IchBinHanna in den sozialen Medien ihre Empörung über das Video zum Ausdruck brachte. Jetzt haben sie eine Streitschrift vorgelegt, in der sie ihre Kritik am Wissenschaftszeitvertragsgesetz darlegen und Vorschläge machen, wie man die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses verbessern könnte. Ihre Kritik ist gut begründet, die Vorschläge sind durchweg vernünftig und sollten in der ohnehin angekündigten Reform des Gesetzes unbedingt berücksichtigt werden.

Was dem Buch aber schadet, ist sein schriller Grundton: Unerträglich, unhaltbar, katastrophal, erschreckend, zynisch - die Anprangerung des "Skandals" einer "verwahrlosten Arbeitskultur" an den deutschen Hochschulen nimmt kein Ende. Sie müssen bevölkert sein von Heerscharen eines verzweifelten Lumpenproletariats, das sich ausgezehrt von Kurzvertrag zu Kurzvertrag hangelt, ausgebeutet von machtbesessenen Lehrstuhlinhabern, die ihnen dann auch noch die dem akademischen Knechtschaftsverhältnis abgerungenen wissenschaftlichen Leistungen stehlen. Die selbstgefällige Übertreibung in diesen Passagen des Buches ist so penetrant, dass selbst dem wohlwollenden Leser das Bedürfnis überkommt, das schaurige Pamphlet kopfschüttelnd wegzulegen.

Es wäre eigentlich Sache des Lektorats gewesen, hier für Mäßigung und Kürzungen zu sorgen. Allerdings haben die Autoren eine Streitschrift publiziert. Als Hanna nehmen sie für sich das Recht auf Polemik und Einseitigkeit in Anspruch. Da wird flugs mal das eigene Schicksal zum "allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Trend zur Prekarisierung" erklärt. Als "Beleg" dieser steilen These dient dann lediglich ein Zitat aus der Publikation einer Abgeordneten der Linkspartei. Fand sich denn unter all den Hannas nicht wenigstens eine promovierte Volkswirtin, die hier etwas ökonomischen Verstand beigesteuert hätte?

Aber für nachdenkliche Momente, in der die eigene Privilegiertheit reflektiert würde, war in dieser Streitschrift offenbar kein Platz. Dabei hätte es dem Anliegen der Autoren sicher genützt, Zweifel selbst der geneigten Teile der Öffentlichkeit an ihrem Elend zu thematisieren. Natürlich brauchen sie sich nicht dafür zu rechtfertigen, von ihrer persönlichen Qualifikation für eine Professur in Philosophie oder Germanistik überzeugt zu sein. Sie mögen auch Zweifel an einem großen Bedarf an weiteren Dauerstellen in diesen Fächern für borniert halten. Aber man wird diese Zweifel nicht mit dem Getöse von den "drängenden Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft" abwimmeln können, zu deren Lösung man die Wissenschaft brauche. Die Wissenschaft? Welche Wissenschaft?

Es genügt doch ein Blick in den "Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs", um festzustellen, dass Hannas Probleme größtenteils für Geisteswissenschaftler zutreffen, die keine Lehrer werden wollen. In vielen Fächern vor allem aus dem MINT-Bereich, aber nicht nur dort, herrscht ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs an den Hochschulen, kein Überschuss. Von der Wirtschaft, in der immer noch das meiste Geld für Forschung ausgegeben wird, gar nicht zu reden. Die "Verwertungslogik", die den Begriff der Innovation vereinnahmt habe, steuert tatsächlich längst den Bedarf in der Forschung. Wenn die Autoren schreiben, dass gerade für die Geisteswissenschaften aber eine andere "Zielbeschreibung sicherlich viel sinnvoller" wäre, kann man ihnen nur zustimmen. Denn tatsächlich müsste darüber eine breite Diskussion stattfinden.

"#IchbinHanna" trägt zu dieser Diskussion leider nicht viel bei. Wer vom Drang der Zukunftsaufgaben schreibt, sollte entweder wenigstens ein paar Seiten der Frage widmen, was etwa die Germanistik oder die Philosophie zu deren Lösung beizutragen hätten. Oder diese Zumutung zurückweisen und ganz andere Legitimationsquellen für universitäre Dauerstellen in diesen Fächern finden. Sonst müsste man einräumen, dass man hier auch nur schnöde Interessenpolitik betreibt. Auch daran wäre an sich nichts auszusetzen - andere Berufsgruppen tun das schließlich auch. GERALD WAGNER

Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon: "#IchBinHanna". Prekäre Wissenschaft in Deutschland.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 144 S., br., 13,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»[Die] Kritik ist gut begründet, die Vorschläge sind durchweg vernünftig und sollten in der ohnehin angekündigten Reform des Gesetzes unbedingt berücksichtigt werden.« Gerald Wagner Frankfurter Allgemeine Zeitung 20220401