It's called The Black Manifesto and it appears to show Komarov's secret agenda - his political blueprint is really Mein Kampf, the rebirth of Russia will be as a New Third Reich with Komarov as Fuhrer.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.1999Bittersüßes aus Moskau
Wie amerikanische Krimiautoren das heutige Russland sehen
Kennedy ist bereits ermordet, Chruschtschow abgesetzt. Studentenunruhen und Sowjetpanzer in Prag stehen noch bevor. Den permanenten Kalten Krieg durchbrechen Zeiten der Entspannung. Es ist 1964. Ich schreibe für Twardowskis Zeitschrift "Nowy mir" einen Artikel über den Spion 007. Vor dem Hintergrund der jugendlichen "Antihelden" der frühen Sechziger haben die ersten Bond-Filme mit dem arroganten Agenten Ihrer Majestät James Bond und dem ironischen Touch von Ken Adams Ausstattung mich verblüfft. Die Bond-Begeisterung gelangte aber nicht bis Russland, obgleich das dürre Schema der Romane auffallend an den Sozialistischen Realismus erinnerte.
Die Welt bestand aus denen, die auf "unserer", und denen, die "nicht auf unserer" Seite standen, wobei es unter Letzteren ebenfalls bad guys und good guys gab. In sowjetischer Spielart waren sie allerdings nach ideologischen Merkmalen in "Drahtzieher" und "einfache Menschen" unterteilt, bei Fleming hingegen nach geschlechtlichen Merkmalen in Scheusale und schöne Frauen. Von Umberto Eco bis Kingsley Amis diskutierten Schriftsteller und Kritiker mit Hingabe den "Fleming-Effekt": ein dichtes Netz orientierender realer Details (Straßen- und Hotelnamen, Speisekarten, Waffen- und Automarken), in das der Autor die imaginären Heldentaten des Superagenten eingewoben hatte. Organisch fügte sich in diese Reihe auch "Liebesgrüße aus Moskau" mit der grässlichen Rosa Klebb (übrigens fabelhaft gespielt von Lotte Lenya) und der "schlichten" sowjetischen Schönheit Tanja aus dem Hause Romanow. Ich weiß noch, dass ich im englischen Text des Romans über ein merkwürdiges Wort stolperte, so etwas wie "J'ben mat", und nicht gleich dahinterkam, dass es sich um die Transkription der populärsten Wendung aus dem grandiosen obszönen Wortschatz des Russischen handelte. Der Krimi-Kanon der Kalte-Krieg-Zeit war damit jedoch im Wesentlichen festgelegt, und noch lange unterschrieb ich Briefe ins Ausland mit "From Russia with love".
Heute haben Krimis vor russischem Hintergrund ihren festen Platz im Genre. Mag das auch kein Beweis sein für eine offene russische Gesellschaft, zeugt es zumindest davon, dass Krimiautoren sie für sich entdeckt haben - ihnen steht sie offen, und in diesem Sinne gehört Russland nun zur Weltgemeinschaft. Der westliche Russen-Krimi ist in jeder Unterkategorie des Metiers zu finden, vom Cop-Krimi bis zur Weltverschwörung à la Bond.
Philip Kerrs "Grushko" (nach dem Namen des Abteilungsleiters im Petersburger Amt zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens) ist ein Cop-Krimi, für einen ausländischen Autor somit das schwierigste Genre, denn der "Fleming-Effekt" muss hier ganz in den Niederungen des Alltags angesiedelt sein. Umso mehr, als der Erzähler ein Moskauer Milizbeamter ist, der angeblich zum Erfahrungsaustausch mit dem berühmten Grushko geschickt wurde, ihn in Wirklichkeit aber unter die Lupe nehmen soll - Korruption ist gleichermaßen eine Krankheit der Miliz wie des gesamten Systems.
Der Fall, den die Polizei aufzuklären hat (die Ermordung eines berühmten Journalisten), ist leider realistisch. Wie es sich gehört für einen Gegenwartsroman, tut sich hinter den Machtkämpfen von Mafiagruppen Ungeheuerliches auf: illegaler Fleischimport für den Schwarzmarkt mittels Spezialtransportern, die zuvor radioaktiven Müll ausgeführt haben. Man muss dem Autor zugestehen, dass er in der Flut der Details durchaus reale Komponenten der heutigen russischen Lebensmisere aufzugreifen wusste. Wenn ums Überleben gekämpft wird, gelangt eine unsichtbare Gefahr gar nicht erst in den Blick. Hinter dieser ersten Handlungsebene liegt jedoch eine weitere: Alles im Leben ist ins Wanken geraten. Die bezaubernde Frau des ermordeten Journalisten kann dem Ermittlungsbeamten nichts erzählen, weil sie sich bemüht hatte, nichts zu wissen; sie war gezwungen worden, ihren Mann zu bespitzeln, und der hatte sich bemüht, nichts davon zu merken.
Welt am Draht
Nicht von ungefähr sagte Majakowski, die Poesie sei ein "hundsgemeines Ding"; einen unvorsichtigen Autor kann sie in unvorhergesehene Quidproquos führen. Beispielsweise, wenn Kerr das Lieblingsgedicht des gebildeten Journalisten zitiert und dabei zwischen einer auf Poesie bezogenen Metapher Pasternaks ("daß Blut an den Zeilen hängt, sie können töten / Sie drängen die Kehle herauf und töten dich") und Kalaschnikow-Assoziationen in die Irre geht. Oder auch vom Weg abkommt, indem er seine Story, neben einer Vielzahl gewöhnlicher Namen, mit Namensvettern aus Dostojewskis "Schuld und Sühne" bevölkert. Roman Romanovich ist möglich, Porfiry dubios, Razumikhin merkwürdig, Svidrigailow bereits komisch, und der gogolsche Chichikov ist absurd.
In Russland gibt es außerdem intime Aspekte einer Lebensweise, auf die ein Ausländer gar nicht erst kommt. Grushko brauchte zum Beispiel nicht alle seine Ersparnisse in das Medizinstudium seiner Tochter zu stecken - das Studium zu Sowjetzeiten war kostenlos. Sicher, man musste bestechen. Aber kein Rektor wäre so verrückt gewesen, von einem Kriminalbeamten Schmiergelder entgegenzunehmen.
Nachsehen kann man dem Autor den Terroristen Kalyayev, den er in eine Terroristin verwandelt hat, oder den berühmten "Hamlet" des Taganka-Theaters, mit dem er das Moskauer Künstlertheater beschenkt. Solche Ungenauigkeiten kann der Fleming-Effekt nicht vermeiden. In Bezug auf Japan würden wir sie gar nicht bemerken. Andere Autoren legen weitaus weniger Wert auf Authentizität. Als Musterbeispiel eines solchen abstrakten Genres mag der Roman "Moscow USA" von Gordon Stevens dienen. Moskau und Russland sind darin nicht nur in die Zeit der "neuen Russen", ihrer Büros, Bodyguards und bevorzugten Waffenmarken (Sig Sauer statt Kalaschnikow) versetzt, sondern werden einfach als Kulisse benützt. Die Handlung lässt an ein Computerspiel denken.
Im Prolog ruft ein Mann mit dem sprechenden Codenamen Joshua in höchster Not aus Moscow im Staate Idaho bei westlichen Nachrichtendiensten an und schreibt für alle Fälle einen Abschiedsbrief an seine Tochter. In New York soll der Agent Kincaid mit ihm in Kontakt treten. Doch die Kugel des russischen Killers Sherenko verhindert das Treffen. Und am nächsten Tag beginnt in Russland der Putsch vom 19. August 1991. Der Tod Joshuas - des sowjetischen Topspions bei den Vereinten Staaten und in Washington - wird für Kincaid wie Sherenko zur Katastrophe, zum Ende ihrer Karriere. Im Fortlauf der Handlung begegnen sich beide unter dem Dach von Omega, einem russisch-amerikanischen Detektivbüro. Von ihrer gemeinsamen Vergangenheit ahnen sie nichts.
Im Licht der Katastrophe
Und als auch noch die Tochter des Ermordeten in die Geschichte verwickelt wird, beginnen hohe Bosse der drei Nachrichtendienste in Langley, Jassenewo und Riverside (unter ihnen, der Symmetrie halber, auch eine Frau), die über Moscow/Idaho längst gemeinsame Schmuggelgeschäfte tätigen und über die Vergangenheit Bescheid wissen, die drei Helden durch Länder und Kontinente zu jagen. Der Jäger wird zum Wild. Während die BBC eine Fernsehserie nach Kerrs Roman gedreht hat, könnte ich mir Stevens' Buch gut als Ballett vorstellen, mit einem Bildschirm als Bühnenbild, und als Apotheose wird im Geiste Monte Christos an den Mördern romantisch Rache genommen.
Selbst der abstrakteste Kriminalroman kann jedoch als Indiz für durchaus reale Veränderungen dienen: Die Grenze, die früher vertikal zwischen dem Westen und Russland verlief, verläuft jetzt in der Horizontalen: bei Stevens zwischen den korrumpierten Leitern der ehemals verfeindeten Geheimdienste und den "einfachen", aber gewissenhaften Profis, die die Erinnerung an Joshuas Opfer verbindet.
Brecht schätzte den Kriminalroman, weil er das Leben im Licht von Katastrophen zeigt. War Russland früher das Reich des Bösen, so ist es heute zu einem Raum permanenter Katastrophen geworden, der für Prognosen offen steht. Frederik Forsyth hat den Roman "Icon" in dem für ihn typischen Stil großer politischer Fantasy verfasst. Er geht von der Annahme aus, dass das heutige Russland der Weimarer Republik vergleichbar sei, und von der Vermutung, dass Russland aufgrund seiner Mentalität ein icon brauche, also ein universelles Symbol, das der Nation ein Gefühl von Einheit und Identität verschafft. Die Handlung verweist auf die nahe Zukunft: Der neu gewählte Präsident stirbt überraschend, während ein Hitler-ähnlicher Führer an die Macht drängt. Sein wahres Programm hält er geheim, aber durch mehrere Zufälle gelangt das "Schwarze Manifest" zum britischen Geheimdienst. Die Regierungen sind leider machtlos; darauf beschließt ein inoffizieller "Rat der Weisen", Russland in Eigeninitiative vor einer neuen Diktatur zu retten, und diese Mission wird dem ehemaligen Superagenten Jason Monk anvertraut.
Ein kompliziert gebauter Roman: Sein erster Teil entwickelt sich auf zwei Zeitebenen. Einerseits geht es um die Geschichte des Manifests, um seine Enthüllung und Verifizierung. Andrerseits um die Vorgeschichte: Monk hat mit Grishin, dem mächtigen Sicherheitschef des "Führers", noch eine Rechnung zu begleichen. Im zweiten Teil mobilisiert die Bekanntschaft mit dem Manifest alle Menschen guten Willens zum letzten Gefecht zwischen Demokratie und Diktatur.
Der Fleming-Effekt wird in diesem Roman äußerst vielseitig eingesetzt. Monks Geschichte ist in die wahre Biographie des berüchtigten KGB-Agenten im amerikanischen Geheimdienst, Aldrich Ames, eingebunden. Er nämlich verrät Monks sorgfältig getarnte Agenten, so dass Grishin sie nach und nach ausschalten kann.
Allen drei Autoren muss man zugestehen, dass sie sich mit Eifer und verbissenem Fleiß ins Lokalkolorit eingearbeitet haben. Doch selbstverständlich unterlaufen auch Forsyth, dem gründlichsten unter ihnen, im Bereich des Fleming-Effekts Missgriffe. Dass Tschechow in Jalta gelebt hat und in Badenweiler, nicht in Grusuf, gestorben ist, sollte man wissen. Anderes kann man durchgehen lassen: zum Beispiel die Geschichte vom armen Raumpfleger Zaitsev, der das Manifest mitgehen ließ - so etwas wäre schlichtweg undenkbar gewesen. Auch konnte es Ende der dreißiger Jahre in einem kleineren Dorf keine Bäckerei geben, in den Dörfern existierte jeweils nur ein Gemischtwarenladen, das "Selpo". Und in der Smolensker Gegend konnte kein yevrey Bäcker sein. Denn die ländlichen Juden lebten in dem ihnen früher zugewiesenen "Siedlungsraum" (der westlichen Ukraine und in Weißrussland). Nach Russland zogen sie in die Städte und auf Großbaustellen, und auf keinen Fall brachten sie Schläfenlocken und Hut nach Moskau mit. Religion war out, Assimilation in. Und wie kann man sagen, dass unter Stalin die Frauen der "Volksfeinde" nicht eingesperrt wurden? Aber das ist ein Wissen, das man nur durch Lebenserfahrung erwerben kann.
Kehren wir zu Forsyth zurück. Der "Klub der Weisen" glaubt nicht, dass die Zerschlagung der Diktatur reicht, um das Land zu stabilisieren, bevorzugt deshalb für Russland die Monarchie und wählt sogar einen Prinzen aus dem Hause Romanow aus. Aber die letzten Romanows haben nicht weniger für die Revolution getan als der Emigrant Uljanow. Eine derartige Idee lässt sich wohl kaum importieren. Nur die Nation selbst kann ihre Lebensform gestalten. Wie überhaupt ihr Schicksal.
MAJA TUROWSKAJA
Deutsch von Rosemarie Tietze.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie amerikanische Krimiautoren das heutige Russland sehen
Kennedy ist bereits ermordet, Chruschtschow abgesetzt. Studentenunruhen und Sowjetpanzer in Prag stehen noch bevor. Den permanenten Kalten Krieg durchbrechen Zeiten der Entspannung. Es ist 1964. Ich schreibe für Twardowskis Zeitschrift "Nowy mir" einen Artikel über den Spion 007. Vor dem Hintergrund der jugendlichen "Antihelden" der frühen Sechziger haben die ersten Bond-Filme mit dem arroganten Agenten Ihrer Majestät James Bond und dem ironischen Touch von Ken Adams Ausstattung mich verblüfft. Die Bond-Begeisterung gelangte aber nicht bis Russland, obgleich das dürre Schema der Romane auffallend an den Sozialistischen Realismus erinnerte.
Die Welt bestand aus denen, die auf "unserer", und denen, die "nicht auf unserer" Seite standen, wobei es unter Letzteren ebenfalls bad guys und good guys gab. In sowjetischer Spielart waren sie allerdings nach ideologischen Merkmalen in "Drahtzieher" und "einfache Menschen" unterteilt, bei Fleming hingegen nach geschlechtlichen Merkmalen in Scheusale und schöne Frauen. Von Umberto Eco bis Kingsley Amis diskutierten Schriftsteller und Kritiker mit Hingabe den "Fleming-Effekt": ein dichtes Netz orientierender realer Details (Straßen- und Hotelnamen, Speisekarten, Waffen- und Automarken), in das der Autor die imaginären Heldentaten des Superagenten eingewoben hatte. Organisch fügte sich in diese Reihe auch "Liebesgrüße aus Moskau" mit der grässlichen Rosa Klebb (übrigens fabelhaft gespielt von Lotte Lenya) und der "schlichten" sowjetischen Schönheit Tanja aus dem Hause Romanow. Ich weiß noch, dass ich im englischen Text des Romans über ein merkwürdiges Wort stolperte, so etwas wie "J'ben mat", und nicht gleich dahinterkam, dass es sich um die Transkription der populärsten Wendung aus dem grandiosen obszönen Wortschatz des Russischen handelte. Der Krimi-Kanon der Kalte-Krieg-Zeit war damit jedoch im Wesentlichen festgelegt, und noch lange unterschrieb ich Briefe ins Ausland mit "From Russia with love".
Heute haben Krimis vor russischem Hintergrund ihren festen Platz im Genre. Mag das auch kein Beweis sein für eine offene russische Gesellschaft, zeugt es zumindest davon, dass Krimiautoren sie für sich entdeckt haben - ihnen steht sie offen, und in diesem Sinne gehört Russland nun zur Weltgemeinschaft. Der westliche Russen-Krimi ist in jeder Unterkategorie des Metiers zu finden, vom Cop-Krimi bis zur Weltverschwörung à la Bond.
Philip Kerrs "Grushko" (nach dem Namen des Abteilungsleiters im Petersburger Amt zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens) ist ein Cop-Krimi, für einen ausländischen Autor somit das schwierigste Genre, denn der "Fleming-Effekt" muss hier ganz in den Niederungen des Alltags angesiedelt sein. Umso mehr, als der Erzähler ein Moskauer Milizbeamter ist, der angeblich zum Erfahrungsaustausch mit dem berühmten Grushko geschickt wurde, ihn in Wirklichkeit aber unter die Lupe nehmen soll - Korruption ist gleichermaßen eine Krankheit der Miliz wie des gesamten Systems.
Der Fall, den die Polizei aufzuklären hat (die Ermordung eines berühmten Journalisten), ist leider realistisch. Wie es sich gehört für einen Gegenwartsroman, tut sich hinter den Machtkämpfen von Mafiagruppen Ungeheuerliches auf: illegaler Fleischimport für den Schwarzmarkt mittels Spezialtransportern, die zuvor radioaktiven Müll ausgeführt haben. Man muss dem Autor zugestehen, dass er in der Flut der Details durchaus reale Komponenten der heutigen russischen Lebensmisere aufzugreifen wusste. Wenn ums Überleben gekämpft wird, gelangt eine unsichtbare Gefahr gar nicht erst in den Blick. Hinter dieser ersten Handlungsebene liegt jedoch eine weitere: Alles im Leben ist ins Wanken geraten. Die bezaubernde Frau des ermordeten Journalisten kann dem Ermittlungsbeamten nichts erzählen, weil sie sich bemüht hatte, nichts zu wissen; sie war gezwungen worden, ihren Mann zu bespitzeln, und der hatte sich bemüht, nichts davon zu merken.
Welt am Draht
Nicht von ungefähr sagte Majakowski, die Poesie sei ein "hundsgemeines Ding"; einen unvorsichtigen Autor kann sie in unvorhergesehene Quidproquos führen. Beispielsweise, wenn Kerr das Lieblingsgedicht des gebildeten Journalisten zitiert und dabei zwischen einer auf Poesie bezogenen Metapher Pasternaks ("daß Blut an den Zeilen hängt, sie können töten / Sie drängen die Kehle herauf und töten dich") und Kalaschnikow-Assoziationen in die Irre geht. Oder auch vom Weg abkommt, indem er seine Story, neben einer Vielzahl gewöhnlicher Namen, mit Namensvettern aus Dostojewskis "Schuld und Sühne" bevölkert. Roman Romanovich ist möglich, Porfiry dubios, Razumikhin merkwürdig, Svidrigailow bereits komisch, und der gogolsche Chichikov ist absurd.
In Russland gibt es außerdem intime Aspekte einer Lebensweise, auf die ein Ausländer gar nicht erst kommt. Grushko brauchte zum Beispiel nicht alle seine Ersparnisse in das Medizinstudium seiner Tochter zu stecken - das Studium zu Sowjetzeiten war kostenlos. Sicher, man musste bestechen. Aber kein Rektor wäre so verrückt gewesen, von einem Kriminalbeamten Schmiergelder entgegenzunehmen.
Nachsehen kann man dem Autor den Terroristen Kalyayev, den er in eine Terroristin verwandelt hat, oder den berühmten "Hamlet" des Taganka-Theaters, mit dem er das Moskauer Künstlertheater beschenkt. Solche Ungenauigkeiten kann der Fleming-Effekt nicht vermeiden. In Bezug auf Japan würden wir sie gar nicht bemerken. Andere Autoren legen weitaus weniger Wert auf Authentizität. Als Musterbeispiel eines solchen abstrakten Genres mag der Roman "Moscow USA" von Gordon Stevens dienen. Moskau und Russland sind darin nicht nur in die Zeit der "neuen Russen", ihrer Büros, Bodyguards und bevorzugten Waffenmarken (Sig Sauer statt Kalaschnikow) versetzt, sondern werden einfach als Kulisse benützt. Die Handlung lässt an ein Computerspiel denken.
Im Prolog ruft ein Mann mit dem sprechenden Codenamen Joshua in höchster Not aus Moscow im Staate Idaho bei westlichen Nachrichtendiensten an und schreibt für alle Fälle einen Abschiedsbrief an seine Tochter. In New York soll der Agent Kincaid mit ihm in Kontakt treten. Doch die Kugel des russischen Killers Sherenko verhindert das Treffen. Und am nächsten Tag beginnt in Russland der Putsch vom 19. August 1991. Der Tod Joshuas - des sowjetischen Topspions bei den Vereinten Staaten und in Washington - wird für Kincaid wie Sherenko zur Katastrophe, zum Ende ihrer Karriere. Im Fortlauf der Handlung begegnen sich beide unter dem Dach von Omega, einem russisch-amerikanischen Detektivbüro. Von ihrer gemeinsamen Vergangenheit ahnen sie nichts.
Im Licht der Katastrophe
Und als auch noch die Tochter des Ermordeten in die Geschichte verwickelt wird, beginnen hohe Bosse der drei Nachrichtendienste in Langley, Jassenewo und Riverside (unter ihnen, der Symmetrie halber, auch eine Frau), die über Moscow/Idaho längst gemeinsame Schmuggelgeschäfte tätigen und über die Vergangenheit Bescheid wissen, die drei Helden durch Länder und Kontinente zu jagen. Der Jäger wird zum Wild. Während die BBC eine Fernsehserie nach Kerrs Roman gedreht hat, könnte ich mir Stevens' Buch gut als Ballett vorstellen, mit einem Bildschirm als Bühnenbild, und als Apotheose wird im Geiste Monte Christos an den Mördern romantisch Rache genommen.
Selbst der abstrakteste Kriminalroman kann jedoch als Indiz für durchaus reale Veränderungen dienen: Die Grenze, die früher vertikal zwischen dem Westen und Russland verlief, verläuft jetzt in der Horizontalen: bei Stevens zwischen den korrumpierten Leitern der ehemals verfeindeten Geheimdienste und den "einfachen", aber gewissenhaften Profis, die die Erinnerung an Joshuas Opfer verbindet.
Brecht schätzte den Kriminalroman, weil er das Leben im Licht von Katastrophen zeigt. War Russland früher das Reich des Bösen, so ist es heute zu einem Raum permanenter Katastrophen geworden, der für Prognosen offen steht. Frederik Forsyth hat den Roman "Icon" in dem für ihn typischen Stil großer politischer Fantasy verfasst. Er geht von der Annahme aus, dass das heutige Russland der Weimarer Republik vergleichbar sei, und von der Vermutung, dass Russland aufgrund seiner Mentalität ein icon brauche, also ein universelles Symbol, das der Nation ein Gefühl von Einheit und Identität verschafft. Die Handlung verweist auf die nahe Zukunft: Der neu gewählte Präsident stirbt überraschend, während ein Hitler-ähnlicher Führer an die Macht drängt. Sein wahres Programm hält er geheim, aber durch mehrere Zufälle gelangt das "Schwarze Manifest" zum britischen Geheimdienst. Die Regierungen sind leider machtlos; darauf beschließt ein inoffizieller "Rat der Weisen", Russland in Eigeninitiative vor einer neuen Diktatur zu retten, und diese Mission wird dem ehemaligen Superagenten Jason Monk anvertraut.
Ein kompliziert gebauter Roman: Sein erster Teil entwickelt sich auf zwei Zeitebenen. Einerseits geht es um die Geschichte des Manifests, um seine Enthüllung und Verifizierung. Andrerseits um die Vorgeschichte: Monk hat mit Grishin, dem mächtigen Sicherheitschef des "Führers", noch eine Rechnung zu begleichen. Im zweiten Teil mobilisiert die Bekanntschaft mit dem Manifest alle Menschen guten Willens zum letzten Gefecht zwischen Demokratie und Diktatur.
Der Fleming-Effekt wird in diesem Roman äußerst vielseitig eingesetzt. Monks Geschichte ist in die wahre Biographie des berüchtigten KGB-Agenten im amerikanischen Geheimdienst, Aldrich Ames, eingebunden. Er nämlich verrät Monks sorgfältig getarnte Agenten, so dass Grishin sie nach und nach ausschalten kann.
Allen drei Autoren muss man zugestehen, dass sie sich mit Eifer und verbissenem Fleiß ins Lokalkolorit eingearbeitet haben. Doch selbstverständlich unterlaufen auch Forsyth, dem gründlichsten unter ihnen, im Bereich des Fleming-Effekts Missgriffe. Dass Tschechow in Jalta gelebt hat und in Badenweiler, nicht in Grusuf, gestorben ist, sollte man wissen. Anderes kann man durchgehen lassen: zum Beispiel die Geschichte vom armen Raumpfleger Zaitsev, der das Manifest mitgehen ließ - so etwas wäre schlichtweg undenkbar gewesen. Auch konnte es Ende der dreißiger Jahre in einem kleineren Dorf keine Bäckerei geben, in den Dörfern existierte jeweils nur ein Gemischtwarenladen, das "Selpo". Und in der Smolensker Gegend konnte kein yevrey Bäcker sein. Denn die ländlichen Juden lebten in dem ihnen früher zugewiesenen "Siedlungsraum" (der westlichen Ukraine und in Weißrussland). Nach Russland zogen sie in die Städte und auf Großbaustellen, und auf keinen Fall brachten sie Schläfenlocken und Hut nach Moskau mit. Religion war out, Assimilation in. Und wie kann man sagen, dass unter Stalin die Frauen der "Volksfeinde" nicht eingesperrt wurden? Aber das ist ein Wissen, das man nur durch Lebenserfahrung erwerben kann.
Kehren wir zu Forsyth zurück. Der "Klub der Weisen" glaubt nicht, dass die Zerschlagung der Diktatur reicht, um das Land zu stabilisieren, bevorzugt deshalb für Russland die Monarchie und wählt sogar einen Prinzen aus dem Hause Romanow aus. Aber die letzten Romanows haben nicht weniger für die Revolution getan als der Emigrant Uljanow. Eine derartige Idee lässt sich wohl kaum importieren. Nur die Nation selbst kann ihre Lebensform gestalten. Wie überhaupt ihr Schicksal.
MAJA TUROWSKAJA
Deutsch von Rosemarie Tietze.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vintage Forsyth, intricate, exact and gripping. The New York Times Book Review
A mature mastery of storytelling melded with a deep knowledge of realpolitik . . . another strong performance by a writer who knows exactly what he's about, and who here catalyzes narrative with another memorable protagonist, the stealthy and daring Monk. Publishers Weekly (starred review)
Frederick Forsyth's latest epic . . . has reverted to the masterly storytelling that has won him so many fans. But instead of going into the past, he has set Icon in the future, and allowed his imagination to rise above the constraints of the facts that he uses to frame every book. The result is one of his best works for a long time, which provides an all-too-real look at a chilling new millennium. The Sunday Times, London
For years, Frederick Forsyth has been known as the man who wrote The Day of the Jackal, the yardstick by which all his subsequent books have been measured. Icon dare I say it? is as good or better. What makes this book so special? Because it could easily happen. All the ingredients for disaster are now in place, which makes for a terrifyingly real scenario. Detroit Free Press
A tautly written thriller with a big cast of characters that Forsyth juggles with skill . . . Forsyth's storytelling ability makes Icon one of the best spy novels in recent years. Star Tribune, Minneapolis
A mature mastery of storytelling melded with a deep knowledge of realpolitik . . . another strong performance by a writer who knows exactly what he's about, and who here catalyzes narrative with another memorable protagonist, the stealthy and daring Monk. Publishers Weekly (starred review)
Frederick Forsyth's latest epic . . . has reverted to the masterly storytelling that has won him so many fans. But instead of going into the past, he has set Icon in the future, and allowed his imagination to rise above the constraints of the facts that he uses to frame every book. The result is one of his best works for a long time, which provides an all-too-real look at a chilling new millennium. The Sunday Times, London
For years, Frederick Forsyth has been known as the man who wrote The Day of the Jackal, the yardstick by which all his subsequent books have been measured. Icon dare I say it? is as good or better. What makes this book so special? Because it could easily happen. All the ingredients for disaster are now in place, which makes for a terrifyingly real scenario. Detroit Free Press
A tautly written thriller with a big cast of characters that Forsyth juggles with skill . . . Forsyth's storytelling ability makes Icon one of the best spy novels in recent years. Star Tribune, Minneapolis