Eine zeitlose Liebesgeschichte: Oskar Marwig, angesehener Architekt, verliebt sich in die Studentin Ida. Doch er läuft davon, aus Angst vor Zurückweisung. Als sie sich nach seiner Rückkehr aus Philadelphia, wo er ein Opernhaus baut, wiedersehen, erleben sie unbeschwerte Tage. Seine Reife und Souveränität ziehen Ida an, aber zugleich weiß sie, dass sie ihn genau aus diesem Grund eines Tages verlassen muss. Dies spürt auch Oskar, was seine Besitzansprüche nur verstärkt. Ihre Beziehung überfordert beide, macht sie schwach und krank. Ida bleibt nur, einen radikalen Schnitt zu machen.
Mit großer Eleganz erzählt Elisabeth Plessen von den siebziger Jahren und dem Ende der Politisierung, sie entdeckt für uns eine Sprache, die nüchtern und reich zugleich erscheint. Ida ist eine Emanzipationsgeschichte, die sich den Irrationalitäten von Beziehung stellt, und es ist ein Roman über Architektur, der Elisabeth Plessen Raum gibt und in Literatur verwandelt.
Mit großer Eleganz erzählt Elisabeth Plessen von den siebziger Jahren und dem Ende der Politisierung, sie entdeckt für uns eine Sprache, die nüchtern und reich zugleich erscheint. Ida ist eine Emanzipationsgeschichte, die sich den Irrationalitäten von Beziehung stellt, und es ist ein Roman über Architektur, der Elisabeth Plessen Raum gibt und in Literatur verwandelt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2010Jugend ohne Trauma
Protest aus Langeweile: Elisabeth Plessens "Ida"
Rebellion ist das vielleicht schönste Privileg der Jugend. Doch ohne Grund wirkt sie wie ein wenig origineller Zeitvertreib gegen Langeweile. So scheint es auch Hauptfigur Ida aus Elisabeth Plessens gleichnamigem und fünften Roman zu ergehen. Darin gerät die Philosophiestudentin Ida auf einer Party zufällig in das Blickfeld des öfter nach jungen Frauen Ausschau haltenden Architekturprofessors Oskar Merwig. Trotz des großen Altersunterschieds finden sie sich kurz darauf in einer Beziehung wieder, doch für beide geht es um etwas ganz anderes: Für Ida erfüllt sich ihre Sehnsucht nach Freiheit von ihrem konservativen Elternhaus: "Endlich spucken sie mir nicht mehr in die Suppe!" Für Oskar bedeutet die Liaison Verjüngung. Zu seiner Ida sagt er einmal: "Ich bin neugierig auf dich, nicht wirklich mehr auf mich." Er beeindruckt sie mit weiten Reisen, teuren Kleidern und mit seinen Verführungskünsten: so weit, so klassisch.
Doch obwohl Elisabeth Plessen eine Liebesbeziehung schildern möchte, ist zwischen den Figuren kein Gefühl der Verliebtheit erkennbar. Sie leben, so scheint es, nur deshalb eine Beziehung, weil die Autorin es so will. Nicht nur ihre Gefühle, auch ihre Lebenseinstellungen scheinen den beiden oft unbegründet auferlegt worden zu sein.
So kann man der Autorin beim Lesen immer wieder bei der Konstruktion ihrer Figuren zuschauen. Oskar und Ida klemmen noch unfertig am Reißbrett, da müssen sie sich schon in einer vertrackten Handlung bewähren. Nur so ist es zu erklären, dass es von Ida im Grunde zwei Versionen gibt: Für eine ehrgeizige Philosophiestudentin, später sogar Doktorandin, die von sich selbst in vollem Ernst sagt, sie wolle die Philosophie revolutionieren, kommt Ida merkwürdig naiv daher. Sie verliert über das ganze Buch nicht ihren unsäglichen lolitahaften Mädchencharme. Wenn Oskar über das Leben und die Liebe schwadroniert, blickt sie nur verständnislos drein und gibt ein ums andere mal seufzend zu, dass sie davon nichts verstehe. Gleichzeitig heißt es bei Elisabeth Plessen über dieselbe Ida: "Sie wollte wie Goethes Faust den Geist entdecken, der die Welt im Innersten zusammenhält", was nicht nur abgedroschen klingt, sondern auch übertrieben ambitioniert. Dabei sind Idas Absichten überschaubar: Sie will ihre Freiheit. Doch dem erzählerischen Potential dieses Emanzipationsprozesses widmet ihre Schöpferin nur einige wenige Randverweise.
Befreiung ist dabei das zentrale Thema von Elisabeth Plessen. Die Autorin wurde 1944 als Spross einer holsteinischen Adelsfamilie geboren, doch ihren Titel legte sie als junge Erwachsene enttäuscht ab. Bekannt wurde sie mit ihrem autobiographisch geprägten Roman "Mitteilung an den Adel" (1976), eine Abrechnung der Tochter aus gutem Hause mit dem Vater. Ihren Lebenskonflikt spielten seitdem viele ihrer Geschichten in Variationen nach. Auch mit "Ida" war wohl eine Fortsetzung dieser Abrechnung vorgesehen, doch Idas Vaterkonflikt wird dann doch der Handlung verwiesen. Während die junge Frau mit Oskar durch die Welt flaniert, trägt sie ihr Trauma wie eine modische Ansteckbrosche mit sich herum. Man weiß nicht, wogegen sie mit ihrem Aufbegehren mehr ankämpft: gegen ihren Vater oder gegen ihre Langeweile.
Die Sprache Elisabeth Plessens wirkt nicht anders als ihre Figuren: schlicht und wenig erhaben. Sie schreibt von Leidenschaft, aber durch zu viele Floskeln klingt es hölzern und unglaubwürdig. Die Autorin schaut überwiegend von oben auf ihre Figuren, nicht in sie hinein. Obwohl sie Ida und Oskar regelmäßig physisch entkleidet, bleiben sie psychologisch fast durchweg zugeknöpft. Wer Ida ist, bleibt so auch 362 Seiten später ein Geheimnis.
LENA WILDE
Elisabeth Plessen: "Ida". Berlin Verlag, Berlin 2010. 362 S., geb. 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Protest aus Langeweile: Elisabeth Plessens "Ida"
Rebellion ist das vielleicht schönste Privileg der Jugend. Doch ohne Grund wirkt sie wie ein wenig origineller Zeitvertreib gegen Langeweile. So scheint es auch Hauptfigur Ida aus Elisabeth Plessens gleichnamigem und fünften Roman zu ergehen. Darin gerät die Philosophiestudentin Ida auf einer Party zufällig in das Blickfeld des öfter nach jungen Frauen Ausschau haltenden Architekturprofessors Oskar Merwig. Trotz des großen Altersunterschieds finden sie sich kurz darauf in einer Beziehung wieder, doch für beide geht es um etwas ganz anderes: Für Ida erfüllt sich ihre Sehnsucht nach Freiheit von ihrem konservativen Elternhaus: "Endlich spucken sie mir nicht mehr in die Suppe!" Für Oskar bedeutet die Liaison Verjüngung. Zu seiner Ida sagt er einmal: "Ich bin neugierig auf dich, nicht wirklich mehr auf mich." Er beeindruckt sie mit weiten Reisen, teuren Kleidern und mit seinen Verführungskünsten: so weit, so klassisch.
Doch obwohl Elisabeth Plessen eine Liebesbeziehung schildern möchte, ist zwischen den Figuren kein Gefühl der Verliebtheit erkennbar. Sie leben, so scheint es, nur deshalb eine Beziehung, weil die Autorin es so will. Nicht nur ihre Gefühle, auch ihre Lebenseinstellungen scheinen den beiden oft unbegründet auferlegt worden zu sein.
So kann man der Autorin beim Lesen immer wieder bei der Konstruktion ihrer Figuren zuschauen. Oskar und Ida klemmen noch unfertig am Reißbrett, da müssen sie sich schon in einer vertrackten Handlung bewähren. Nur so ist es zu erklären, dass es von Ida im Grunde zwei Versionen gibt: Für eine ehrgeizige Philosophiestudentin, später sogar Doktorandin, die von sich selbst in vollem Ernst sagt, sie wolle die Philosophie revolutionieren, kommt Ida merkwürdig naiv daher. Sie verliert über das ganze Buch nicht ihren unsäglichen lolitahaften Mädchencharme. Wenn Oskar über das Leben und die Liebe schwadroniert, blickt sie nur verständnislos drein und gibt ein ums andere mal seufzend zu, dass sie davon nichts verstehe. Gleichzeitig heißt es bei Elisabeth Plessen über dieselbe Ida: "Sie wollte wie Goethes Faust den Geist entdecken, der die Welt im Innersten zusammenhält", was nicht nur abgedroschen klingt, sondern auch übertrieben ambitioniert. Dabei sind Idas Absichten überschaubar: Sie will ihre Freiheit. Doch dem erzählerischen Potential dieses Emanzipationsprozesses widmet ihre Schöpferin nur einige wenige Randverweise.
Befreiung ist dabei das zentrale Thema von Elisabeth Plessen. Die Autorin wurde 1944 als Spross einer holsteinischen Adelsfamilie geboren, doch ihren Titel legte sie als junge Erwachsene enttäuscht ab. Bekannt wurde sie mit ihrem autobiographisch geprägten Roman "Mitteilung an den Adel" (1976), eine Abrechnung der Tochter aus gutem Hause mit dem Vater. Ihren Lebenskonflikt spielten seitdem viele ihrer Geschichten in Variationen nach. Auch mit "Ida" war wohl eine Fortsetzung dieser Abrechnung vorgesehen, doch Idas Vaterkonflikt wird dann doch der Handlung verwiesen. Während die junge Frau mit Oskar durch die Welt flaniert, trägt sie ihr Trauma wie eine modische Ansteckbrosche mit sich herum. Man weiß nicht, wogegen sie mit ihrem Aufbegehren mehr ankämpft: gegen ihren Vater oder gegen ihre Langeweile.
Die Sprache Elisabeth Plessens wirkt nicht anders als ihre Figuren: schlicht und wenig erhaben. Sie schreibt von Leidenschaft, aber durch zu viele Floskeln klingt es hölzern und unglaubwürdig. Die Autorin schaut überwiegend von oben auf ihre Figuren, nicht in sie hinein. Obwohl sie Ida und Oskar regelmäßig physisch entkleidet, bleiben sie psychologisch fast durchweg zugeknöpft. Wer Ida ist, bleibt so auch 362 Seiten später ein Geheimnis.
LENA WILDE
Elisabeth Plessen: "Ida". Berlin Verlag, Berlin 2010. 362 S., geb. 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Keine Gnade kennt Lena Wilde mit diesem Roman von Elisabeth Plessen. Und warum auch. Wer seine Leser derart hölzern und konstruiert von Leidenschaft erzählen will, scheint die Rezensentin zu finden, hat's nicht anders verdient. Immerhin hat Wilde sich da schon durch 362 Seiten einer Liebesgeschichte zwischen einer lolitahaften, aufbegehrenden (gegen was bloß?) Studentin und ihrem Professoren-Liebhaber geackert, die ihr wie ein überambitionierter Reißbrettentwurf mit Pappkameraden vorkommt. Was immer die Figuren motivieren mag, denkt sich Wilde, echte Traumata oder echte Leidenschaft können es nicht sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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