Geheimbünde und Männerkult, Reiselust und Abenteuer, poetische Schwärmerei und Naturverehrung, Patriotismus und Revolution; wie ein Trendforscher versammelt Wilhelm Friedrich von Meyern (1759-1829) in seinem Hauptwerk Kultur und Sozialleben seiner Epoche. Der Roman kann in weiten Zügen als klassische Utopie gelten; doch zuletzt läßt Meyern die Reform des Vaterlandes an der Lethargie des befreiten Volkes scheitern. Gemeinsam mit Autoren wie Schnabel, Rousseau und Wieland kreiert Meyern damit eine Variante des utopischen Denkens, die sich vom naiven Glauben an die unbedingte Rationalität und Integrität des Individuums löst. Diese Utopieform wird in der vorliegenden Darstellung als skeptische Utopie eingeführt und untersucht. Militarist, Nationalist - und Präfaschist? Arno Schmidts vehemente Attacken gegen "Dya-Na-Sore" belebten die Diskussion um Meyerns Idealstaat in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts erneut. Die vorliegende Arbeit resümiert den aktuellen Stand und beurteilt die Position in der Debatte mittels einer Analyse von Schmidts Faschismus-Vorwurf. Dr. Claudia Michels, München, ist Journalistin, PR-Texterin und freie Autorin.