Lakonisch und gewitzt erzählt Ermanno Cavazzoni vom Leben der Idioten. Solche, die der Wirklichkeit mit Blutdruckmesser oder Karnevalsnasen begegnen, die die Geschwindigkeit ablehnen, solche, die bei Sonntagsausflügen immer die Nerven verlieren, oder welche, die glauben, der Teufel verfolge sie auf dem Fahrrad. Nicht zu vergessen die, die gar eine "Republik geborener Idioten" gründen wollen. Kurz: Leute wie du und ich.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2020Die besten
Seiten
des Sommers
Karnevalsnase nie
mehr abnehmen
In diesem Jahr ist alles anders, manches
aber gar nicht so sehr: Die Zeit im
Strandkorb, auf der Wiese am See, am Fluss, im Park,
auf dem Balkon oder im Schwimmbad
verbringt man am besten mit aufregenden Büchern.
18 SZ-Autoren empfehlen die passende
Ferienlektüre
Ermanno Cavazzoni:
Kurze Lebensläufe
der Idioten.
Kalendergeschichten.
Wagenbach, Berlin
2005. 140 Seiten,
9,90 Euro.
Der Verleger Klaus Wagenbach, der gerade 90 geworden ist, betreibt unter anderem Importhandel. Er hat einen Narren an Italien gefressen und – in schwarzen Quartheften, mal auch in Hellblau mit dottergelbem Vorsatzblatt, meist übersetzt von Marianne Schneider – ein besonders schönes Genre auf Deutsch gedruckt: Die merkwürdige norditalienische Kurzgeschichte. Von der nordamerikanischen Kurzgeschichte unterscheidet sie sich grundlegend, vielleicht weil der Nebel am großen Fluss Po die Geräusche schluckt, man weiß es nicht. Sicher aber ist, dass diese „Erzähler der Ebenen“ (wie der leider vergriffene Band von Gianni Celati heißt, einem Meister des Genres) ein dem Leser davor unbekanntes Land behausen. Es geht sehr realistisch und zugleich geheimnisvoll zu in diesem Land, von dem auch Ermanno Cavazzoni in „Kurze Lebensläufe der Idioten“ erzählt. Cavazzoni hat unter anderem das Drehbuch für Fellinis letzten Film „Stimme des Mondes“ geschrieben; seine „Idioten“ sind hochempfindsame, aber komplett theatralische Personen, würde man sagen – wenn nicht ihnen allen so völlig der Sinn dafür fehlen würde, dass es ungewöhnlich ist, die Karnevalsnase nicht mehr abzulegen, dem Schweigen von Eisen einen Vorwurf zu entnehmen oder sich vor der Geschwindigkeit der Erde zu fürchten. Festhalten und furchtlos wiederentdecken!
CLAUDIA TIESCHKY
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Seiten
des Sommers
Karnevalsnase nie
mehr abnehmen
In diesem Jahr ist alles anders, manches
aber gar nicht so sehr: Die Zeit im
Strandkorb, auf der Wiese am See, am Fluss, im Park,
auf dem Balkon oder im Schwimmbad
verbringt man am besten mit aufregenden Büchern.
18 SZ-Autoren empfehlen die passende
Ferienlektüre
Ermanno Cavazzoni:
Kurze Lebensläufe
der Idioten.
Kalendergeschichten.
Wagenbach, Berlin
2005. 140 Seiten,
9,90 Euro.
Der Verleger Klaus Wagenbach, der gerade 90 geworden ist, betreibt unter anderem Importhandel. Er hat einen Narren an Italien gefressen und – in schwarzen Quartheften, mal auch in Hellblau mit dottergelbem Vorsatzblatt, meist übersetzt von Marianne Schneider – ein besonders schönes Genre auf Deutsch gedruckt: Die merkwürdige norditalienische Kurzgeschichte. Von der nordamerikanischen Kurzgeschichte unterscheidet sie sich grundlegend, vielleicht weil der Nebel am großen Fluss Po die Geräusche schluckt, man weiß es nicht. Sicher aber ist, dass diese „Erzähler der Ebenen“ (wie der leider vergriffene Band von Gianni Celati heißt, einem Meister des Genres) ein dem Leser davor unbekanntes Land behausen. Es geht sehr realistisch und zugleich geheimnisvoll zu in diesem Land, von dem auch Ermanno Cavazzoni in „Kurze Lebensläufe der Idioten“ erzählt. Cavazzoni hat unter anderem das Drehbuch für Fellinis letzten Film „Stimme des Mondes“ geschrieben; seine „Idioten“ sind hochempfindsame, aber komplett theatralische Personen, würde man sagen – wenn nicht ihnen allen so völlig der Sinn dafür fehlen würde, dass es ungewöhnlich ist, die Karnevalsnase nicht mehr abzulegen, dem Schweigen von Eisen einen Vorwurf zu entnehmen oder sich vor der Geschwindigkeit der Erde zu fürchten. Festhalten und furchtlos wiederentdecken!
CLAUDIA TIESCHKY
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