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Der Band beinhaltet die Briefe von 1900 bis zum Zweiten Weltkrieg, überwiegend Erstveröffentlichungen aus dem Strauss-Archiv in Garmisch. Briefpartner sind so herausragende Vertreter der Musikgeschichte wie Arnold Schönberg, Hans Pfitzner, Max Reger, Edvard Grieg, E. N. von Reznicek und Clemens von Franckenstein.

Produktbeschreibung
Der Band beinhaltet die Briefe von 1900 bis zum Zweiten Weltkrieg, überwiegend Erstveröffentlichungen aus dem Strauss-Archiv in Garmisch. Briefpartner sind so herausragende Vertreter der Musikgeschichte wie Arnold Schönberg, Hans Pfitzner, Max Reger, Edvard Grieg, E. N. von Reznicek und Clemens von Franckenstein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.1999

Ein Ohr auf der Goldwaage
Der kuriose Charme des Privaten: Briefe von Richard Strauss

Die Villa, die sich Richard Strauss in Garmisch von den "Salome"-Tantiemen errichtete, beherbergt heutzutage das Strauss-Archiv, ist aber auch nach wie vor Wohnsitz der Familie Strauss. Aus dieser räumlichen Konstellation ergeben sich gewisse Eigentümlichkeiten der Strauss-Forschung, die auch die Edition der ersten zwei Bände des Briefwechsels mit Komponisten und Dirigenten prägen. Besonders der von der Hausherrin Gabriele Strauss allein herausgegebene erste Band, der die Korrespondenz mit Hans von Bülow, Hans Bronsart von Schellendorf, Engelbert Humperdinck, Jean Louis Nicodé und Franz Wüllner sowie Briefe von Dvorák, Verdi, Max Bruch und Eugen d'Albert enthält, besitzt in den Einführungskapiteln den Charme des Privaten, der freilich angesichts der internationalen Statur Richard Strauss' ein wenig kurios wirkt.

Hans von Bülow und Max Bruch etwa werden mit der Wiedergabe der Lexikonartikel über sie aus dem 1880 bis 1888 erschienenen Mendelschen "Musikalischen Conversations-Lexikon" vorgestellt, und der Eindruck liegt nahe, daß das Vorhandensein des Nachschlagewerks in der Garmischer Villa diese Art der Präsentation veranlaßt hat. Hinzu kommen Passagen von eigentümlich altmodischer Diktion: "Bülow hielt dort (das heißt in seinen Berliner Konzerten) auch seine berühmten kleinen Ansprachen (heute würde man sie Conferencen nennen) . . ."; das klingt ein bißchen nach Familienanekdote.

Dies sind aber nur Marginalien angesichts einer schon allein vom Umfang her beeindruckenden Editionsleistung. Was das Editionstechnische betrifft, so sind die kurzen biographischen Notizen zu den erwähnten Personen im unmittelbaren Anschluß an den betreffenden Brief sehr hilfreich; ob allerdings Hinweise an ebendieser Stelle wie etwa der, daß es sich beim erwähnten "Don Juan" um eine Komposition von Richard Strauss handelt, für den ins Auge gefaßten Leserkreis wirklich notwendig sind, muß dahingestellt bleiben. Der zweite Band, der die Korrespondenz mit Willem Mengelberg, Gustav Brecher, Hermann Bischoff und Emil Nikolaus von Reznicek enthält, gibt im Vorwort Auskunft über die Quellenlage der edierten Briefwechsel; der erste Band, dem ein solcher detaillierter Nachweis fehlt, scheint sich ausschließlich auf das in Garmisch vorhandene Material zu stützen; gerne hätte man gewußt, ob diese Briefwechsel deshalb als unvollständig zu betrachten sind.

Naturgemäß ist der Briefwechsel mit Komponisten und Dirigenten ein Austausch unter Praktikern: Es geht um Aufführungsarrangements, Terminabsprachen und ähnliches. Deshalb vermitteln zumindest die ersten beiden Bände dieser auf drei Bände angelegten Edition keine grundlegend neuen Einsichten zu Strauss als Mensch und Komponist; allerdings erfahren verschiedene Aspekte willkommene Vertiefung. Der umfangreiche Briefwechsel mit Hans von Bülow zum Beispiel zeichnet nicht nur die Biographie des jungen Strauss zwischen 1883 und 1893 deutlich nach, er dokumentiert auch den allmählichen Wandel des Komponisten vom Brahmsianer zum Wagnerianer und die damit verbundene Entfremdung von Bülow. Gewissermaßen auf halbem Wege dieses Wandels findet sich der entscheidende Brief (24. August 1888) an Bülow, in dem Strauss sein für die Tondichtungen maßgebliches Credo formuliert: daß man "sich für einen neuen Inhalt eine neue Form schaffen" müsse und daß ein "rein formales, Hanslicksches Musizieren . . . nicht mehr möglich" sei.

Manchmal gibt gerade die Strausssche Beschäftigung mit nichtmusikalischen Themen Aufschluß über das Vorhandensein von Antriebskräften, die auch hinter dem musikalischen Schaffen stehen. Strauss' absolute Gewißheit, das Richtige zu tun, und sein unbedingter Wille, dieses Richtige auf jeden Fall und umfassend zu tun, ist nicht nur durch den Briefwechsel mit seinem Weimarer Intendanten Bronsart wohldokumentiert; auch die Korrespondenz mit Willem Mengelberg legt davon Zeugnis ab, und zwar aufgrund des gemeinsamen Interesses am Sammeln alter Gläser. Mengelberg selbst hatte in Strauss diese Sammelleidenschaft geweckt, und nun bekommt er die Folgen zu spüren. Nach der ersten Strausschen Erwerbung wird Mengelberg am 7. Dezember 1907 mitgeteilt: "Ich glaube nicht, dass ich Ihnen etwas Wesentliches weggenommen habe, denn die schönsten Stücke, die Knopf (der Händler) für Sie ausgesucht hat, hat er behalten, und so hoffe ich, dass Sie mir nicht zürnen werden." Einen Monat später kann sich Strauss die Mitteilung nicht verkneifen, daß "Herr Knopf meine schöne Gläsersammlung bei seiner hiesigen Anwesenheit unlängst durch zehn herrliche Gläser aus seiner eigenen Sammlung bereichert hat, worauf Sie mir hoffentlich nicht allzu neidisch sind . . ." Da spricht aus Strauss der Don Juan, der "hinaus und fort nach immer neuen Siegen" strebt, der Held, der seine Widersacher übertrumpft, und der Till Eulenspiegel, der allen eine lange Nase macht.

Strauss war ein Egomane. Den Helden, der im Zentrum aller Straussschen Tondichtungen steht, den gibt es auch in Wirklichkeit, und sein Name ist Strauss; Richard Coeur de Lion hat Elgar ihn genannt. Selbstzweifel waren seine Sache nicht. Seinem Schüler Hermann Bischoff teilt er nach einem Streit mit: "Sie dürfen immer meine Worte auf die Goldwaage legen: ich meine stets Alles genau so, wie ich's sage. Aber vielleicht sind die Ohren, die es hören, nicht immer die richtigen."

Wenn man Strauss' vieldiskutierte Rolle im Dritten Reich bewerten will, muß man seine Ichbezogenheit in Rechnung stellen. Wie sehr diese Strauss' Handeln auch unter den Nazis bestimmte, und wie wenig aussagekräftig deshalb eine Etikettierung Straussens als Nazi-Sympathisant oder Nazi-Gegner ist, erhellt der Briefwechsel mit Emil Nikolaus von Reznicek, der unter anderem vom geplanten Musikfest des "Ständigen Rates für die internationale Zusammenarbeit der Komponisten" in Hamburg 1935 handelt. Strauss als Präsident der Reichsmusikkammer war über Reznicek eng in die Planungen einbezogen und schlug eine Bevorzugung ausländischer gegenüber deutschen Komponisten bei der Programmgestaltung im Verhältnis von 80 Prozent zu 20 Prozent vor, außerdem die Einbeziehung von Werken von Liszt, Verdi und Elgar sowie, als zentralen Programmpunkt, eine Aufführung des "Blaubart" von Paul Dukas. Nachdem Reznicek ihm mitteilen mußte, daß der Hamburger Intendant das Fest billiger haben wolle, es außerdem Widerstand gegen eine Bevorzugung ausländischer Komponisten gebe und eine Aufführung der Oper von Dukas, weil dieser Jude war, untersagt worden sei, entwarf Strauss folgende Antwort: "Wenn Hamburg sparen will, muss es uns nicht zu einem ,Festival' einladen . . . Und Sie bitte machen Ihr Programm nach Gutdünken. Ich bestehe weder auf 80 Prozent Ausland contra 20 Prozent, ich bestehe nicht auf Liszt, Elgar und Verdi - ich komme auch nicht nach Hamburg und in Uebrigen Götz v.B.! Warum wird die Dukas'sche Oper nicht gegeben? . . . Meine Desavouierung in diesem Fall hat automatisch meinen Rücktritt aus dem Conseil und Verzicht auf die Ehrenpräsidentschaft des A.d.M.V. (des Allgemeinen Deutschen Musikvereins) zur Folge. Von weiteren Consequenzen vorläufig zu schweigen." Die Endfassung des Briefes - mit dem Briefkopf der Reichsmusikkammer - ist im Ton kaum moderater, unterdrückt aber bezeichnenderweise die Kritik am Verbot der Dukas-Oper. Da beugte sich Strauss' gewaltiges Ego dem politischen Druck. Der in Vorbereitung befindliche dritte Band dieser Brief-Edition wird unter anderem die Korrespondenz mit Max Reger und Hans Pfitzner enthalten. MICHAEL GASSMANN

Gabriele Strauss: "Lieber Collega!" Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, 1. Band. Henschel Verlag, Berlin 1996. 351 S., Abbildungen, Faksimiles, 98,- DM.

Gabriele Strauss, Monika Reger: "Ihr Aufrichtig Ergebener". Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, 2. Band. Henschel Verlag, Berlin 1998. 319 S., Abbildungen, Faksimiles, 98,- DM.

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