Produktdetails
- Bonifatius Kontur Bd.1025
- Verlag: Bonifatius-Verlag
- Neuaufl.
- Seitenzahl: 127
- Deutsch
- Abmessung: 190mm
- Gewicht: 142g
- ISBN-13: 9783897101029
- ISBN-10: 3897101025
- Artikelnr.: 08290828
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In einer Doppelkritik bespricht Christian Schuler zwei Bände, die sich mit der Frage beschäftigen, was heute einen Priester ausmacht, wie er sich von Laien unterscheidet und worin seine Vorbildfunktion für die Gläubigen begründet liegt. Beide Bände sind im Bonifatius-Verlag erschienen und großenteils selbst von Priestern verfasst. Es handelt sich um "Priester mit Profil - zur Zukunftsgestalt des geistlichen Amtes", herausgegeben von Peter Klasvogt und Reinhard Lettmann, und um "Ihr seid der Brief Christi" von den Herausgebern Reinhard Marx und Peter Schallenberg.
1) "Priester mit Profil"
In seiner Rezension geht Schuler von einem vor einiger Zeit erschienenen unpopulären Essay des Philosophen Josef Pieper aus, der in "Was ist ein Priester?" das Amt von der institutionellen Weihe her definierte - und daran misst er auch die Beiträge in "Priester mit Profil". Dabei polemisiert er besonders gegen den Bremer Pfarrer Christian Hennecke, der das Priestertum auf der "integren Persönlichkeit" des Priester, seiner Fähigkeit zur Kommunikation und praktizierter Nächstenliebe aufbauen will. Damit ist Schuler ganz und gar nicht einverstanden: "Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der christliche Gott wird glaubwürdig - und zwar dadurch, dass Christen einander lieb haben." Weit sympathischer ist ihm da der Beitrag des Erfurter Bischofs Joachim Wanke, der an den Zauber der Symbole in der katholischen Kirche erinnert und hofft, über die schöne Zeremonie des Gottesdienstes wieder kirchenferne Bürger in die Kirche zu locken.
2) "Ihr seid der Brief Christi"
Dieser Band, so Schuler, kommt in seiner Argumentation historischer daher und sieht besonders in Papst Johannes XXIII. ein Vorbild für charismatisches Priestertum. Auch hier wendet sich Schuler gegen Definitionen, die die Vorbildfunktion des Priester vor allem an seiner Person und seinem Lebensstil festmachen wollen und lobt viel mehr einen Aufsatz von Andreas Wollbold , der an die französische Heilige Therese von Lisieux erinnert: Sie erinnerte an die "priesterliche Würde", die keineswegs allein durch die Person, sondern in erster Linie durch die Kirche und ihre Mysterien der Gottesstellvertreterschaft zu begründen sei.
©
1) "Priester mit Profil"
In seiner Rezension geht Schuler von einem vor einiger Zeit erschienenen unpopulären Essay des Philosophen Josef Pieper aus, der in "Was ist ein Priester?" das Amt von der institutionellen Weihe her definierte - und daran misst er auch die Beiträge in "Priester mit Profil". Dabei polemisiert er besonders gegen den Bremer Pfarrer Christian Hennecke, der das Priestertum auf der "integren Persönlichkeit" des Priester, seiner Fähigkeit zur Kommunikation und praktizierter Nächstenliebe aufbauen will. Damit ist Schuler ganz und gar nicht einverstanden: "Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der christliche Gott wird glaubwürdig - und zwar dadurch, dass Christen einander lieb haben." Weit sympathischer ist ihm da der Beitrag des Erfurter Bischofs Joachim Wanke, der an den Zauber der Symbole in der katholischen Kirche erinnert und hofft, über die schöne Zeremonie des Gottesdienstes wieder kirchenferne Bürger in die Kirche zu locken.
2) "Ihr seid der Brief Christi"
Dieser Band, so Schuler, kommt in seiner Argumentation historischer daher und sieht besonders in Papst Johannes XXIII. ein Vorbild für charismatisches Priestertum. Auch hier wendet sich Schuler gegen Definitionen, die die Vorbildfunktion des Priester vor allem an seiner Person und seinem Lebensstil festmachen wollen und lobt viel mehr einen Aufsatz von Andreas Wollbold , der an die französische Heilige Therese von Lisieux erinnert: Sie erinnerte an die "priesterliche Würde", die keineswegs allein durch die Person, sondern in erster Linie durch die Kirche und ihre Mysterien der Gottesstellvertreterschaft zu begründen sei.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2000Der Kohlrabi-Apostel
Erkennt man den Priester am gesunden Lebensstil?
Vor einiger Zeit veröffentlichte der Philosoph Josef Pieper einen Aufsatz mit dem Titel: "Was ist ein Priester? - Ein notgedrungener Klärungsversuch". Nach Piepers Ansicht drohte im Reformeifer der sechziger oder siebziger Jahre so manche für den Katholizismus konstitutive Unterscheidung verlorenzugehen, wie etwa die zwischen dem "allgemeinen Priestertum" aller Gläubigen und dem speziellen Weihepriestertum. Piepers kleine unpopuläre Schrift, durchsetzt von Zitaten des Thomas von Aquin, mußte exotisch und irritierend wirken, hatte sie es sich doch zum Ziel gesetzt, das Wesen und "schlechthin Unterscheidende" des Weihepriestertums neu ins Gedächtnis einer traditionsvergessenen Zeit zu rufen.
Daß das "signum distinctivum" vorrangig in der dem Priester in der Weihe übertragenen Vollmacht bestehe, "in persona Christi" das Sakrament des Altares, die Eucharistie, zu vollziehen, daß Pieper das Besondere des Priesters also vom "Kult" her legitimierte, hat bei vielen (sozial, feministisch, ökumenisch) engagierten Katholiken, sofern sie es überhaupt zur Kenntnis nahmen, Befremden ausgelöst. Piepers gelegentlich scholastisch gefärbte Rhetorik hat es leicht gemacht, ihn als halbamtlichen Philosophen der Kurie abzuqualifizieren. Seit Piepers Schrift dürfte es, da in der deutschen Kirche vor allem in Lagern und Fraktionen gedacht wird, nicht leichter geworden sein, über Begriffe wie Kult, Weihe, Opfer, Priestertum nachzusinnen, ohne sich das Etikett "klerikal" einzuhandeln. Doch wer weiß, ob nicht das, was man gerade noch für progressiv hielt, nicht im nächsten Moment schon "von gestern" ist; und ebenso mag, was eben noch als konservativ galt, den Keim des Zukunftsweisenden in sich tragen.
Der Vorsteher muß nachsitzen
Der Frage nach der künftigen Gestalt des geistlichen Amtes widmeten sich ein Band, den der Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, und der Regens des Paderborner Priesteramtes, Peter Klasvogt, herausgegeben haben. Viel ist hier vom gesellschaftlichen Wandel und von kirchlichen Umbrüchen die Rede, vom sinkenden Sozialprestige des Priesters, von Rollenunsicherheit und natürlich vom Priestermangel. Da die Vorstellung des "Hüters des Sakralen" heutzutage kaum noch einsichtig zu machen sei und der Priester vielerorts als "Zeuge einer vergangenen Zeit" gelte, wollen die durchweg geweihten Autoren seine Gestalt ganz neu umreißen. Priestersein scheint für die Autoren vor allem eine Sache des pastoralen Profils zu sein.
So hebt Bischof Lettmann die Bedeutung spiritueller Authentizität des Priesers hervor und fordert vom Amtsträger eine an Jesus orientierte Lebensweise. Wer wollte dem widersprechen? Lettmann warnt immerhin vor pastoralem Aktionismus. Ebenso wie die Kirche mehr sei als eine Versammlung und Interessengemeinschaft, erschöpfe sich auch das Amt des Priesters nicht einfach in einer Vorsteherfunktion. Vielmehr müsse an die unsichtbare, auf ein versöhntes Ganzes verweisende Gestalt der Kirche und des "Geistlichen" erinnert werden.
Der Bremer Pfarrer Christian Hennecke möchte das Selbstverständnis des Priesters ganz auf seine spirituell und moralisch integre Persönlichkeit gründen. Ein "Mystagoge" müsse er sein, der den Menschen hilft, ihre Wahrnehmungen vor einem religiösen Horizont zu deuten. Und vielleicht mehr noch ein Pädagoge, dessen Sinn darauf geht, die "Communio-Fähigkeit" der Gläubigen zu fördern. "Priester" ist einer, der "Beziehungsfähigkeit" als Grundkategorie pastoralen Handelns erkannt hat: Jeglichem spirituellen Einzelgängertum sei entgegenzutreten. Denn "die Praxis gegenseitiger Liebe ist der Ort, an dem der christliche Gott glaubwürdig wird". Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der christliche Gott wird glaubwürdig - und zwar dadurch, daß Christen einander lieb haben. So markig Henneckes Ausführungen zu "Deinstitutionalisierung" und "eschatologischer Lebenspraxis" klingen, so verschwommen ist ihr Inhalt. Priesterlicher Dienst beschränkt sich für Hennecke vorwiegend auf die Moderation verschiedener Lebenserfahrungen und auf Kommunikationsmanagement.
Das Glauben ist eine Baustelle
Die stärksten Impulse gehen in diesem Buch von dem unaufgeregten Aufsatz des Erfurter Bischofs Joachim Wanke aus. Seine "Anweisungen für pastorale Bauleute" sind getränkt von Erfahrungen der ostdeutschen Kirche vor und nach der Wende, und manchen Westdeutschen mag es erstaunen, daß ausgerechnet der Beitrag dieses Mannes aus der Diaspora so große Gelassenheit ausstrahlt. Aber gerade dies ist es, was die ostdeutsche Kirche der westdeutschen nach Ansicht Wankes voraushat: den Abschied vom Sinnmonopol und "von der Meinung, der christliche Glaube müsse sich kraft seiner gesellschaftlichen Nützlichkeit ausweisen". Statt eines auf kirchliche Strukturen fixierten Pastoral-Perfektionismus empfiehlt Wanke das Erschließen der eigenen spirituellen Quellen. Hier liege das Unverwechselbare des Christentums: "Niemand außer uns feiert Gottesdienste. Es sollten freilich Gottesdienste sein und nicht pädagogisierende Bildungsveranstaltungen." Es gelte, die Kompetenz für Symbole und Zeichen zurückzugewinnen, denn gerade in ihnen vermögen auch der Kirche Fernstehende noch immer etwas "vom Geheimnisse ihres eigenen Lebens" zu entdecken.
Wer die vielfältigen, sowohl von Offenheit wie von Selbstbewußtsein getragenen liturgischen Neuschöpfungen der Diözese Erfurt für "kirchenferne Menschen" kennt, weiß, daß Wankes Worte aus der Erfahrung einer kraftvollen und überlegten pastoralen Tätigkeit gesprochen sind. Vom unterscheidend Priesterlichen ist freilich auch in seinem Beitrag nicht die Rede. Vom Priester wird vor allem Authentizität der Nachfolge gefordert gemäß dem Christuswort: "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen."
Stärker historisch orientiert ist ein vom Paderborner Weihbischof Reinhard Marx und dem Theologen Peter Schallenberg herausgegebener Band. Von den Priesterbildern wegweisender Gestalten wie Therese von Lisieux, Johannes XXIII. und Romano Guardini erhoffen sich die Autoren Impulse. Und ohne Frage bergen die heitere Gelassenheit des Reformpapstes und die intellektuelle und existentielle Redlichkeit des Dostojewski-Interpreten auch für heutige Christen einen unschätzbaren theologischen und spirituellen Reichtum. Doch wie kommt dieser Reichtum in Umlauf?
Für Weihbischof Marx ist der Priester "Diener der je größeren Herrlichkeit Gottes", der in der Art und Weise, wie er von Gott redet und die Sakramente mit den Gläubigen feiert, spürbar werden läßt, "daß Gott immer größer ist als alles, was Menschen tun und sagen können". Als Zeuge des Heiligen Geistes ist für den geweihten Mann ein bestimmter Lebensstil obligatorisch. "So wie der Logos sich dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden hat, so ergreift dieser Geist in sakramentaler Weise die menschliche Person des Priesters." Worin die besondere "sakramentale" Existenz des Priesters gegenüber dem Laien besteht, vermag Marx allerdings nicht deutlich zu machen. Zeichen und Zeuge zu sein für das Wirken des Geistes und den "Lebensstil Jesu" (was immer das sei) - Maximen dieser Art müßten doch eigentlich für jeden Getauften gelten, was Marx auch einräumt. Für den Priester freilich, so behauptet er, gelten sie "in besonderer Weise". So wäre das spezifisch Priesterliche vor allem eine Frage gradueller jesuanischer Stilreinheit, der Priester mithin eine Art potenzierter Laie.
Welche Folgen es hat, wenn man den Dienst des Priesters vorwiegend von seinem Lebensstil und seiner persönlichen Glaubwürdigkeit her versteht, deutet der Aufsatz des Erfurter Theologen Andreas Wollbold über Therese von Lisieux an. Die französische Heilige (1873 bis 1897) erinnert im Grunde an eine Selbstverständlichkeit, wenn sie davon spricht, daß dem Priester als Priester "eine erhabene Würde" zukomme, die ihn sogar "über die Engel" erhöhe, und daß er zugleich ein so schwacher und zerbrechlicher und auf die Liebe Gottes angewiesener Mensch sei wie jeder andere. Priestersein heißt dann nicht, "in allem vorbildlich sein zu müssen". Der Priester muß sich seine "Würde" nicht durch spirituelle, moralische oder kommunikative Höchstleistungen erwirtschaften. Wenn dem Amtsträger "priesterliche Würde" nicht von anderswoher als von ihm selbst zukommt, ist sie keine Qualität, und man kann fortan ohne weiteres das Wort "Priester" fallenlassen und statt dessen vom Vorsteher, Leiter oder Manager der Gemeinde als einer jesuanischen Kommunikationsgemeinschaft sprechen.
Die Weihe weist ins Weite
Piepers Aufsatz kam seinerzeit sehr schnell von der Frage "Was ist ein Priester?" auf die vielleicht entscheidende: "Was ist die Weihe?" Denn in der Tat ist das Amt des Priesters wohl nicht anders als von der "Weihe" und also von der Kirche, ihrem Auftrag und ihrer Vollmacht her zu verstehen. Wer dagegen nur am Outfit des Amtes und an der Innerlichkeit seiner Träger interessiert ist, der wird Gemeinde- und Leitungsprofile in rauhen Mengen erstellen können, ohne zu verhindern, daß Ansehen und Attraktivität des Priesteramtes weiter sinken.
Ist der Christenheit in der demokratisch verfaßten Gesellschaft das Verständnis für die "sakrale" Figur des Priesters wirklich verlorengegangen, wie stets behauptet wird? Dem steht entgegen, daß es neuerdings, innerhalb und außerhalb des Christentums, eine verhaltene Wiederentdeckung des "Sakralen", besonderer "ausgegrenzter" Zeiten und Räume, gibt, die in ihrer Nichtfunktionalität auf ein Anderes verweisen. Läßt sich der Priester von solch negativ gefaßter Sakralität her verstehen als Repräsentant einer letztlich unbesetzbaren Leerstelle? Als solcher verweist er auf den, der Gemeinschaft stiftet, und verhindert zugleich, daß Gemeinde in selbstgenügsamer Familiarität um sich selbst kreist. Bezeichnenderweise beschäftigt sich nur der wie ein bescheidenes Nachwort plazierte Beitrag von Peter Schallenberg mit der "Weihe", mit diesem "objektiven" Zeichen, das die Kirche aus der ihr verliehenen Vollmacht heraus setzt und das den Priester nicht zu einem anderen Menschen, sondern zur sinnfälligen Präfiguration des Anderen macht und damit zum "Voraus oder Gegenüber zur Gemeinde" (Herbert Vorgrimler).
CHRISTIAN SCHULER
Peter Klasvogt, Reinhard Lettmann (Hrsg.): "Priester mit Profil". Zur Zukunftsgestalt des geistlichen Amtes. Bonifatius Verlag, Paderborn 2000. 148 S., br., 24,80 DM.
Reinhard Marx, Peter Schallenberg (Hrsg.): "Ihr seid der Brief Christi". Priestersein im Zeugnis von Therese von Lisieux, Johannes XXIII. und Romano Guardini. Bonifatius Verlag, Paderborn 1999. 128 S., br., 19,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erkennt man den Priester am gesunden Lebensstil?
Vor einiger Zeit veröffentlichte der Philosoph Josef Pieper einen Aufsatz mit dem Titel: "Was ist ein Priester? - Ein notgedrungener Klärungsversuch". Nach Piepers Ansicht drohte im Reformeifer der sechziger oder siebziger Jahre so manche für den Katholizismus konstitutive Unterscheidung verlorenzugehen, wie etwa die zwischen dem "allgemeinen Priestertum" aller Gläubigen und dem speziellen Weihepriestertum. Piepers kleine unpopuläre Schrift, durchsetzt von Zitaten des Thomas von Aquin, mußte exotisch und irritierend wirken, hatte sie es sich doch zum Ziel gesetzt, das Wesen und "schlechthin Unterscheidende" des Weihepriestertums neu ins Gedächtnis einer traditionsvergessenen Zeit zu rufen.
Daß das "signum distinctivum" vorrangig in der dem Priester in der Weihe übertragenen Vollmacht bestehe, "in persona Christi" das Sakrament des Altares, die Eucharistie, zu vollziehen, daß Pieper das Besondere des Priesters also vom "Kult" her legitimierte, hat bei vielen (sozial, feministisch, ökumenisch) engagierten Katholiken, sofern sie es überhaupt zur Kenntnis nahmen, Befremden ausgelöst. Piepers gelegentlich scholastisch gefärbte Rhetorik hat es leicht gemacht, ihn als halbamtlichen Philosophen der Kurie abzuqualifizieren. Seit Piepers Schrift dürfte es, da in der deutschen Kirche vor allem in Lagern und Fraktionen gedacht wird, nicht leichter geworden sein, über Begriffe wie Kult, Weihe, Opfer, Priestertum nachzusinnen, ohne sich das Etikett "klerikal" einzuhandeln. Doch wer weiß, ob nicht das, was man gerade noch für progressiv hielt, nicht im nächsten Moment schon "von gestern" ist; und ebenso mag, was eben noch als konservativ galt, den Keim des Zukunftsweisenden in sich tragen.
Der Vorsteher muß nachsitzen
Der Frage nach der künftigen Gestalt des geistlichen Amtes widmeten sich ein Band, den der Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, und der Regens des Paderborner Priesteramtes, Peter Klasvogt, herausgegeben haben. Viel ist hier vom gesellschaftlichen Wandel und von kirchlichen Umbrüchen die Rede, vom sinkenden Sozialprestige des Priesters, von Rollenunsicherheit und natürlich vom Priestermangel. Da die Vorstellung des "Hüters des Sakralen" heutzutage kaum noch einsichtig zu machen sei und der Priester vielerorts als "Zeuge einer vergangenen Zeit" gelte, wollen die durchweg geweihten Autoren seine Gestalt ganz neu umreißen. Priestersein scheint für die Autoren vor allem eine Sache des pastoralen Profils zu sein.
So hebt Bischof Lettmann die Bedeutung spiritueller Authentizität des Priesers hervor und fordert vom Amtsträger eine an Jesus orientierte Lebensweise. Wer wollte dem widersprechen? Lettmann warnt immerhin vor pastoralem Aktionismus. Ebenso wie die Kirche mehr sei als eine Versammlung und Interessengemeinschaft, erschöpfe sich auch das Amt des Priesters nicht einfach in einer Vorsteherfunktion. Vielmehr müsse an die unsichtbare, auf ein versöhntes Ganzes verweisende Gestalt der Kirche und des "Geistlichen" erinnert werden.
Der Bremer Pfarrer Christian Hennecke möchte das Selbstverständnis des Priesters ganz auf seine spirituell und moralisch integre Persönlichkeit gründen. Ein "Mystagoge" müsse er sein, der den Menschen hilft, ihre Wahrnehmungen vor einem religiösen Horizont zu deuten. Und vielleicht mehr noch ein Pädagoge, dessen Sinn darauf geht, die "Communio-Fähigkeit" der Gläubigen zu fördern. "Priester" ist einer, der "Beziehungsfähigkeit" als Grundkategorie pastoralen Handelns erkannt hat: Jeglichem spirituellen Einzelgängertum sei entgegenzutreten. Denn "die Praxis gegenseitiger Liebe ist der Ort, an dem der christliche Gott glaubwürdig wird". Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der christliche Gott wird glaubwürdig - und zwar dadurch, daß Christen einander lieb haben. So markig Henneckes Ausführungen zu "Deinstitutionalisierung" und "eschatologischer Lebenspraxis" klingen, so verschwommen ist ihr Inhalt. Priesterlicher Dienst beschränkt sich für Hennecke vorwiegend auf die Moderation verschiedener Lebenserfahrungen und auf Kommunikationsmanagement.
Das Glauben ist eine Baustelle
Die stärksten Impulse gehen in diesem Buch von dem unaufgeregten Aufsatz des Erfurter Bischofs Joachim Wanke aus. Seine "Anweisungen für pastorale Bauleute" sind getränkt von Erfahrungen der ostdeutschen Kirche vor und nach der Wende, und manchen Westdeutschen mag es erstaunen, daß ausgerechnet der Beitrag dieses Mannes aus der Diaspora so große Gelassenheit ausstrahlt. Aber gerade dies ist es, was die ostdeutsche Kirche der westdeutschen nach Ansicht Wankes voraushat: den Abschied vom Sinnmonopol und "von der Meinung, der christliche Glaube müsse sich kraft seiner gesellschaftlichen Nützlichkeit ausweisen". Statt eines auf kirchliche Strukturen fixierten Pastoral-Perfektionismus empfiehlt Wanke das Erschließen der eigenen spirituellen Quellen. Hier liege das Unverwechselbare des Christentums: "Niemand außer uns feiert Gottesdienste. Es sollten freilich Gottesdienste sein und nicht pädagogisierende Bildungsveranstaltungen." Es gelte, die Kompetenz für Symbole und Zeichen zurückzugewinnen, denn gerade in ihnen vermögen auch der Kirche Fernstehende noch immer etwas "vom Geheimnisse ihres eigenen Lebens" zu entdecken.
Wer die vielfältigen, sowohl von Offenheit wie von Selbstbewußtsein getragenen liturgischen Neuschöpfungen der Diözese Erfurt für "kirchenferne Menschen" kennt, weiß, daß Wankes Worte aus der Erfahrung einer kraftvollen und überlegten pastoralen Tätigkeit gesprochen sind. Vom unterscheidend Priesterlichen ist freilich auch in seinem Beitrag nicht die Rede. Vom Priester wird vor allem Authentizität der Nachfolge gefordert gemäß dem Christuswort: "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen."
Stärker historisch orientiert ist ein vom Paderborner Weihbischof Reinhard Marx und dem Theologen Peter Schallenberg herausgegebener Band. Von den Priesterbildern wegweisender Gestalten wie Therese von Lisieux, Johannes XXIII. und Romano Guardini erhoffen sich die Autoren Impulse. Und ohne Frage bergen die heitere Gelassenheit des Reformpapstes und die intellektuelle und existentielle Redlichkeit des Dostojewski-Interpreten auch für heutige Christen einen unschätzbaren theologischen und spirituellen Reichtum. Doch wie kommt dieser Reichtum in Umlauf?
Für Weihbischof Marx ist der Priester "Diener der je größeren Herrlichkeit Gottes", der in der Art und Weise, wie er von Gott redet und die Sakramente mit den Gläubigen feiert, spürbar werden läßt, "daß Gott immer größer ist als alles, was Menschen tun und sagen können". Als Zeuge des Heiligen Geistes ist für den geweihten Mann ein bestimmter Lebensstil obligatorisch. "So wie der Logos sich dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden hat, so ergreift dieser Geist in sakramentaler Weise die menschliche Person des Priesters." Worin die besondere "sakramentale" Existenz des Priesters gegenüber dem Laien besteht, vermag Marx allerdings nicht deutlich zu machen. Zeichen und Zeuge zu sein für das Wirken des Geistes und den "Lebensstil Jesu" (was immer das sei) - Maximen dieser Art müßten doch eigentlich für jeden Getauften gelten, was Marx auch einräumt. Für den Priester freilich, so behauptet er, gelten sie "in besonderer Weise". So wäre das spezifisch Priesterliche vor allem eine Frage gradueller jesuanischer Stilreinheit, der Priester mithin eine Art potenzierter Laie.
Welche Folgen es hat, wenn man den Dienst des Priesters vorwiegend von seinem Lebensstil und seiner persönlichen Glaubwürdigkeit her versteht, deutet der Aufsatz des Erfurter Theologen Andreas Wollbold über Therese von Lisieux an. Die französische Heilige (1873 bis 1897) erinnert im Grunde an eine Selbstverständlichkeit, wenn sie davon spricht, daß dem Priester als Priester "eine erhabene Würde" zukomme, die ihn sogar "über die Engel" erhöhe, und daß er zugleich ein so schwacher und zerbrechlicher und auf die Liebe Gottes angewiesener Mensch sei wie jeder andere. Priestersein heißt dann nicht, "in allem vorbildlich sein zu müssen". Der Priester muß sich seine "Würde" nicht durch spirituelle, moralische oder kommunikative Höchstleistungen erwirtschaften. Wenn dem Amtsträger "priesterliche Würde" nicht von anderswoher als von ihm selbst zukommt, ist sie keine Qualität, und man kann fortan ohne weiteres das Wort "Priester" fallenlassen und statt dessen vom Vorsteher, Leiter oder Manager der Gemeinde als einer jesuanischen Kommunikationsgemeinschaft sprechen.
Die Weihe weist ins Weite
Piepers Aufsatz kam seinerzeit sehr schnell von der Frage "Was ist ein Priester?" auf die vielleicht entscheidende: "Was ist die Weihe?" Denn in der Tat ist das Amt des Priesters wohl nicht anders als von der "Weihe" und also von der Kirche, ihrem Auftrag und ihrer Vollmacht her zu verstehen. Wer dagegen nur am Outfit des Amtes und an der Innerlichkeit seiner Träger interessiert ist, der wird Gemeinde- und Leitungsprofile in rauhen Mengen erstellen können, ohne zu verhindern, daß Ansehen und Attraktivität des Priesteramtes weiter sinken.
Ist der Christenheit in der demokratisch verfaßten Gesellschaft das Verständnis für die "sakrale" Figur des Priesters wirklich verlorengegangen, wie stets behauptet wird? Dem steht entgegen, daß es neuerdings, innerhalb und außerhalb des Christentums, eine verhaltene Wiederentdeckung des "Sakralen", besonderer "ausgegrenzter" Zeiten und Räume, gibt, die in ihrer Nichtfunktionalität auf ein Anderes verweisen. Läßt sich der Priester von solch negativ gefaßter Sakralität her verstehen als Repräsentant einer letztlich unbesetzbaren Leerstelle? Als solcher verweist er auf den, der Gemeinschaft stiftet, und verhindert zugleich, daß Gemeinde in selbstgenügsamer Familiarität um sich selbst kreist. Bezeichnenderweise beschäftigt sich nur der wie ein bescheidenes Nachwort plazierte Beitrag von Peter Schallenberg mit der "Weihe", mit diesem "objektiven" Zeichen, das die Kirche aus der ihr verliehenen Vollmacht heraus setzt und das den Priester nicht zu einem anderen Menschen, sondern zur sinnfälligen Präfiguration des Anderen macht und damit zum "Voraus oder Gegenüber zur Gemeinde" (Herbert Vorgrimler).
CHRISTIAN SCHULER
Peter Klasvogt, Reinhard Lettmann (Hrsg.): "Priester mit Profil". Zur Zukunftsgestalt des geistlichen Amtes. Bonifatius Verlag, Paderborn 2000. 148 S., br., 24,80 DM.
Reinhard Marx, Peter Schallenberg (Hrsg.): "Ihr seid der Brief Christi". Priestersein im Zeugnis von Therese von Lisieux, Johannes XXIII. und Romano Guardini. Bonifatius Verlag, Paderborn 1999. 128 S., br., 19,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main