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Was heißt es, frei zu handeln? Wie verhält sich die Annahme eines deterministischen Naturzusammenhangs zu jener Freiheit, die wir für verantwortliches Handeln voraussetzen? Gilt gar, wie es einige Hirnforscher sehen wollen, dass unsere Freiheit nur eine Illusion ist? Michael Pauen entwirft eine Interpretation des Freiheitsbegriffs, die eine Reihe von Missverständnissen aufklärt, neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften berücksichtigt und Ansatzpunkte für die Klärung von Schuld und Verantwortung im juristischen Sinn an die Hand gibt.

Produktbeschreibung
Was heißt es, frei zu handeln? Wie verhält sich die Annahme eines deterministischen Naturzusammenhangs zu jener Freiheit, die wir für verantwortliches Handeln voraussetzen? Gilt gar, wie es einige Hirnforscher sehen wollen, dass unsere Freiheit nur eine Illusion ist? Michael Pauen entwirft eine Interpretation des Freiheitsbegriffs, die eine Reihe von Missverständnissen aufklärt, neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften berücksichtigt und Ansatzpunkte für die Klärung von Schuld und Verantwortung im juristischen Sinn an die Hand gibt.
Autorenporträt
Michael Pauen, Dr. phil. habil., geb. 1956 in Krefeld. Studium in Marburg, Frankfurt und Hamburg. Promotion 1989, Habilitation 1995. Visiting Professor am Institute for Advanced Study in Amherst, Massachusetts, und Fellow an der Cornell-University in Ithaca; New York. Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg, Bremen. 1997 Ernst-Bloch-Förderpreis. Z. Zt. Professurvertretung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Michael Pauen wagt in seinem neuen Buch über die menschliche Willensbildung den Versuch, Freiheit und Determiniertheit zu vereinen, notiert Rezensent Martin Seel. Essenz der "sehr klar geschriebenen" Abhandlung sei die These, dass frei ist, wer sein Handeln an bestimmten Präferenzen ausrichten kann - letztere seien determinierendes Element, das aber in einem freien Akt reflektiert werden könne. Dass Pauen nach einigen Überlegungen zu einem "Kurzschluss" gelangt - der "Wille ist frei, wenn er frei ist" - liegt nach Ansicht des Kritikers daran, dass der Autor es sich mitunter "zu einfach macht". Darauf deuten für den Rezensenten nicht nur derartige "erstaunliche" Resultate hin, sondern auch Pauens "inflationärer Gebrauch" des Wortes "einfach". Wahrhaft überzeugend findet Seel die Zusammenführung von Freiheit und Determiniertheit also nicht. Er fürchtet eher, dass Pauen "einem Scheinfrieden das Wort redet".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2004

Wir sind keine unbewegten Beweger
Noch ein Vorschlag zur Güte: Michael Pauen hält Freiheit und Determinismus für vereinbar

Auch jenseits der aktuellen Debatte um die Willensfreiheit besteht der Tenor zahlreicher Interpretationen empirischer Studien der Kognitions- und Neurowissenschaften der letzten Jahre in der These, daß es das, was viele Menschen für die Freiheit des Willens halten, gar nicht geben könne. Der freie Wille sei eine bloße Illusion und die Rolle des Geistes eher die eines Epiphänomens. Von einer kausalen Relevanz des Geistes, wie sie uns intuitiv als so plausibel erscheint, müßte abgesehen werden. Die stillschweigende Voraussetzung, die dabei gemacht wird, besteht in der Annahme, freie Willensentscheidungen könnten nur solche sein, die auf ganz und gar undeterminierte Weise zustande kommen und kausal unabhängig sind von irgendwelchen Ereignissen in der physikalischen Welt.

An dieser Stelle knüpft Michael Pauen mit seinem neuen Buch "Illusion Freiheit?" an. Pauen ist Kompatibilist. Das bedeutet: Sein Ansatz beruht auf der Annahme, daß Freiheit und Determinismus miteinander verträglich sind oder daß Freiheit sogar bestimmte deterministische Zusammenhänge voraussetzt. Der Autor macht deutlich, daß inkompatibilistische Freiheitskonzepte schon aus philosophischer Perspektive kritisch zu beurteilen sind. Denn sie sind mit der Idee verbunden, daß freie Entscheidungen und Handlungen nicht durch kausale Vorbedingungen determiniert sind - eine Person wäre demnach nur dann frei, wenn sie unter gleichen kausalen Bedingungen auch anders hätte entscheiden können, als sie es tatsächlich getan hat.

Genau dieser Aspekt ist es, der die größten Probleme für inkompatibilistische Freiheitskonzepte aufwirft. So argumentiert Pauen, daß man Personen, deren Entscheidungen kausal unabhängig sein sollen von vorangehenden Bedingungen, wohl kaum für die daraus resultierenden Handlungen verantwortlich machen könne. Denn derartige Entscheidungen und Handlungen wären ja auch von den Überzeugungen, Wünschen und Bedürfnissen der Person selbst unabhängig und der Person daher gar nicht mehr zuschreibbar.

Pauen zeigt, daß auch Theorieansätze der Akteurskausalität das Problem nicht lösen können. Solche Ansätze gehen davon aus, daß freie Entscheidungen und Handlungen durch einen Akteur verursacht sein müssen, der selbst keinen weiteren Ursachen mehr unterliegt, also ein "unbewegter Beweger" wäre. Die Kausalität zwischen Ereignissen würde ersetzt durch die Kausalität zwischen einem (nicht physikalischen) Akteur und einem Ereignis. Doch auch hier gilt eben, daß nur solche Entscheidungen und Handlungen frei wären, die nicht durch die Überzeugungen des Akteurs determiniert sind - denn dies würde wieder auf die unerwünschte Ereigniskausalität hinauslaufen, die den Determinismus mit sich bringt. Die Annahme eines Akteurs im Sinne eines unbewegten Bewegers kann daher nicht wirklich erklären, weshalb nicht-determinierte Entscheidungen nicht zufällig sind und der Person nicht zurechenbar wären.

Pauen bleibt bei seiner kritischen Auseinandersetzung mit den sogenannten "starken" Freiheitskonzepten aber nicht stehen, sondern entwickelt ein kompatibilistisches Gegenmodell. Seine "Minimalkonzeption personaler Freiheit" bindet Freiheit an die Bedingung, daß einer Person vor einer (freien) Entscheidung mehrere Alternativen zur Verfügung stehen müssen. Dem vorgeschlagenen Ansatz zufolge ist eine Person nur dann frei, x statt y zu tun (etwa Philosophie zu studieren anstatt Architektur), wenn ihr sowohl die Option x (Philosophie studieren) als auch die Option y (Architektur studieren) offenstehen. Zudem muß es an der Person selbst liegen, ob x oder y realisiert wird. Wenn es an der Person liegt, ob sie x oder y tut, dann kann man nach dem Vollzug von x auch sagen, die Person hätte y tun können, auch wenn sie y nicht gewollt hat. Doch was heißt, "es liegt an der Person selbst, daß sie sich für x statt y entscheidet"?

Der Autor bezeichnet diejenigen Merkmale einer Person, die das "Selbst" ausmachen, als "personale Merkmale" und unterteilt sie in personale Fähigkeiten (sie bezeichnen diejenigen Fähigkeiten, die eine Person notwendig besitzen muß, um selbstbestimmt entscheiden zu können - ein Beispiel wäre etwa die Fähigkeit, die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen abschätzen zu können) und personale Präferenzen (sie bezeichnen die individuellen und konstituierenden Merkmale einer Person). Pauens Vorschlag besteht darin, die personalen Präferenzen von Personen heranzuziehen, um die Unterscheidung zwischen freien und nicht freien Entscheidungen und Handlungen durchführen zu können.

Freiheit heißt nun: Eine Person entscheidet und handelt genau dann frei, wenn sich "die Entscheidung der Person für die Option x und gegen die Option y auf die personalen Präferenzen der Person zurückführen läßt". Freiheit besteht demnach darin, daß Entscheidungen und Handlungen einer Person auf die richtige Weise determiniert sind, nicht aber, daß sie gar nicht determiniert sind. Dabei soll ausgeschlossen sein, daß Handlungen von externen Determinanten einschließlich psychischer und physischer Abhängigkeiten bestimmt waren. Ebenso wird ausgeschlossen, daß Handlungen zufällig zustande kommen. Denn sowohl Zufälle, als auch extern (nicht durch die Person selbst) determinierte Ereignisse entziehen sich dem Einfluß der Person und erfüllen somit nicht das Kriterium der Selbstbestimmtheit von Entscheidungen und Handlungen.

Pauens Vorschlag wirkt auf den ersten Blick überzeugend, es ist intuitiv einleuchtend zu sagen, eine Person sei dann frei (und verantwortlich), wenn sie selbstbestimmt entschieden und gehandelt hat. Doch Erfolg oder Mißerfolg kompatibilistischer Freiheitskonzepte hängt wesentlich davon ab, wie tragfähig das zugrunde gelegte Kriterium für die Unterscheidung zwischen selbstbestimmten und nicht selbstbestimmten Entscheidungen und Handlungen ist. An dieser Stelle stellt sich die Frage, welchen Einfluß denn die Entwicklung der unterschiedlichen personalen Präferenzen im Hinblick auf die Frage nach der Freiheit hat: Meine Entscheidung, der Option x, dem Philosophiestudium, nachzugehen anstatt der Option y, entsprach sicherlich meinen personalen Präferenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung und läßt sich auf diese zurückführen - aber wer oder was hat meine personalen Präferenzen bestimmt?

Bei der Entwicklung meiner personalen Präferenzen spielen die Wünsche und Überzeugungen anderer Personen eine (kausale) Rolle und womöglich kann ich meine eigenen personalen Präferenzen, also die mich konstituierenden Persönlichkeitsmerkmale, gar nicht frei auswählen. Hätte ich eine andere Sozialisation gehabt, als es tatsächlich der Fall war, so hätte ich womöglich ganz andere personale Präferenzen entwickelt. Wie kann ich dann aber freie Entscheidungen treffen? Setzt nicht die Freiheit einer Entscheidung, die aus meinen jetzigen personalen Präferenzen resultiert, voraus, daß ich auch im Hinblick auf die Wahl der personalen Präferenzen selbst frei war (und verantwortlich für ihre Übernahme)?

Das von Pauen vorgeschlagene "Minimalkonzept" der Freiheit läßt also noch manche Fragen offen, darunter eben auch jene nach der Differenz zwischen einem notwendigen und einem hinreichenden Begriff von Kausalität. Dennoch vermag es die Schwierigkeiten inkompatibilistischer Ansätze zu umgehen, freie Entscheidungen und Handlungen von zufälligen Ereignissen abzugrenzen. In dem Buch wird klar: Wir sind in dem Maße frei, wie wir selbstbestimmt entscheiden. Und dies macht deterministische Zusammenhänge zwischen (physiologisch realisierten) persönlichen Präferenzen und darauf basierenden Entscheidungen gerade erforderlich.

BETTINA WALDE.

Michael Pauen: "Illusion Freiheit?" Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004. 272 S., geb., 19,90 [Euro].

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