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Die auch für Laien verständlich geschriebene Geschichte des abendländischen Denkens verbindet eine ästhetisch sehr ansprechende Bebilderung mit einer kompetenten Darstellung bedeutender Denker und philosophischen Hauptströmungen von der Antike bis zur Gegenwart.

Produktbeschreibung
Die auch für Laien verständlich geschriebene Geschichte des abendländischen Denkens verbindet eine ästhetisch sehr ansprechende Bebilderung mit einer kompetenten Darstellung bedeutender Denker und philosophischen Hauptströmungen von der Antike bis zur Gegenwart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1995

Aus Orthodoxford
Eine ansehnliche Armenbibel der Philosophie / Von Kurt Flasch

Jahrhundertelang haben Philosophen uns eingeschärft, Erkenntnis komme nur zustande, wenn Anschauen und Nachdenken zusammentreffen. Begriffe ohne Anschauungen, sagten sie, blieben leer. Aber gesetzt den Fall, wir dächten über zwei verschiedene Philosophien nach, um sie zu vergleichen und zu bewerten - was sollen wir dabei anschauen? Die Buchstaben auf dem Papier oder die Rücken der Bücher? Den Schreibtisch, an dem sie ausgearbeitet wurden? Suchen wir eine Grabinschrift oder ein gemaltes Porträt?

Die "Illustrierte Geschichte der westlichen Philosophie" geht alle diese Wege zugleich. Sie zeigt Leibnizens Rechenmaschine und Machiavellis Arbeitszimmer (allerdings ohne uns zu sagen, daß es so erst unter seinem Verehrer Mussolini arrangiert wurde); sie druckt das Titelblatt der Kritik der reinen Vernunft; sie reproduziert allegorische Darstellungen; sie bringt ein Gruppenfoto mit einer einzigen Dame vom Philosophenkongreß 1969. So ist es eine Lust, in dem gut aufgemachten Buch zu blättern. Schöne Denkerköpfe sind zu besichtigen. Ruchlos, wer danach noch zweifelt, ob Tugend die Welt regiert, denn dieses Buch zeigt jedem, wie sie die Macht ergriffen hat - auf einem Gemälde des Jahres 1635.

Aber wie kommt man von all diesen Bildern zu den Gedanken des Philosophen? Darum kümmern sich die sechs Autoren, die auf undogmatische Weise der Oxford philosophy zugehören, so gut wie nicht. Sie schreiben eine konventionell, eine an den "großen" Denkern orientierte Geschichte der Philosophie in sechs Abschnitten: Antike, Mittelalter, 17. und 18. Jahrhundert, kontinentale Philosophie von Fichte bis Sartre, englische Philosophie von Mill bis Wittgenstein; Anthony Quinton behandelt anhangsweise auf neunzig Seiten die zweieinhalb Jahrtausende der politischen Philosophie.

Was die verschiedenen Abschnitte intellektuell verbindet, ist eine klare Sprache und das Interesse an Argumentation. Das Kulturgeschichtliche tritt zurück zugunsten logischer Analysen. So ist ein informatives Lesebuch zur Geschichte der Philosophie entstanden: präzis, ohne Banalitäten und ohne künstliche Umständlichkeiten. Wer es gelesen hat, kennt die wichtigsten Argumente Anselms und Kants; er erfährt, wo nach Ansicht Wittgensteins deren Fehler liegen; er weiß, wie sich in den Köpfen von Oxford-Professoren die Vergangenheit der Philosophie malt.

Dies Bild ist merkwürdig. Früher klaffte bei Unternehmen dieser Art immer die Lücke "Mittelalter". Jetzt ist sie geschlossen; der klare und korrekte Beitrag von Paul Vincent Spade gibt ein kompaktes Gesamtbild von Augustin bis Ockham. Dem Leser ist sogar zu empfehlen, mit dem Mittelalter-Abschnitt zu beginnen, denn das Kapital "Antike" ist zwar ebenso gelehrt, öffnet sich sogar großherziger neuesten Fragestellungen (wie dem Vorwurf des Logozentrismus und den ethischen Verpflichtungen gegen die Tiere), ist aber etwas verspielt-essayistisch geschrieben und hat den Übersetzer, der mit den späteren Kapiteln besser zurechtgekommen ist, zuweilen überfordert.

Wir erhalten also von Thales bis Ockham ein verläßliches und auf Kontinuität angelegtes Bild, aber dann tun unsere biederen Professoren, die ansonsten die Chronologie mit Nachdruck respektieren, einen gewaltigen Sprung über drei Jahrhunderte hinweg; es geht erst mit Descartes wieder los. Sie überspringen die Zeit von 1350 bis 1650, als sei in diesen drei Jahrhunderten nichts geschehen. Nikolaus von Kues und Pico, Erasmus und Giordano Bruno fehlen völlig; Dante und Bodin kommen nur in dem Sonderkapitel über politische Philosophie vor. Sorgfältig ist dann wieder die Zeit von Descartes bis Kant behandelt; der Herausgeber Anthony Kenny hat diesen Abschnitt selbst geschrieben, offenbar um zu beweisen, daß die Argumente der Gründerväter der neuzeitlichen Philosophie weder den Segen des heiligen Thomas noch die Zustimmung Wittgensteins finden. In einer großen Zangenbewegung räumt er von Thomas und Wittgenstein her mit den Großen der modernen Philosophie auf, eine interessante Perspektive. Aber dann folgen wieder rabiate Eingriffe: Die Geschichte der Philosophie von 1800 bis 1950 wird in zwei Ströme aufgeteilt, in die kontinentale von Fichte bis Sartre und in die englische von Mill bis Wittgenstein.

Mancher Leser wird diese Aufteilung des Globus in England und den Rest der Welt beklagen als einen Rückfall in die nationale Philosophiegeschichtsschreibung; jedenfalls zwingt sie uns, die Zeit von Fichte bis Wittgenstein zweimal der Chronologie nach zu durchlaufen, nur weil in England die Uhren anders gehen. Chinesische Zoologen teilten früher die Hunde ein in "Hunde, die dem Kaiser gehören", und "andere Hunde", warum sollten Oxford-Philosophen nicht alle andere Philosophie als "kontinentale" zusammenfassen? Diese eher lokale Perspektive kommt dem Buch schließlich auch zugute: Es bietet eine stattliche Heerschau wichtiger Argumente der theoretischen Philosophen; es registriert nicht nur, sondern lädt zum Mitdenken ein. Schön sind diese Gespräche der Oxforder über philosophische Beweise.

Aber etwas fehlt. Und dem Herausgeber blieb dies nicht verborgen, nein, zuletzt warf er alle Vorurteile über Bord: Er beschloß, das Buch bekomme einen Anhang über die Geschichte der politischen Philosophie. Platon, der von sich behauptet hat, alles, was er geschrieben habe, sei politisch motiviert, kommt aufgrund dieses Beschlusses zweimal vor - einmal im Hauptteil ganz ohne Politik, dann im Anhang nur als politischer Philosoph. Diese Zerreißung ist eine Folge des Oxforder Schulstandpunktes, der sich auch durchsetzt, indem er Dionysius Areopagita, Meister Eckhart und Cusanus, Campanella und Vico ignoriert.

Das Buch zerlegt die Geschichte der Philosophie in zwei zusammenhangslose Durchgänge. Dadurch kommt es zu Wiederholungen, und natürlich kann der Anhang nicht wieder gutmachen, daß der Hauptteil ein rein theoretisches Philosophiekonzept voraussetzt und daß darin Aristoteles zum Beispiel dargestellt wird ohne dessen Ethik und Politik, ohne Seelenphilosophie, ohne Rhetorik und ohne Poetik. Schließlich ist nicht einzusehen, wieso die politische Philosophie ein Sonderkapitel bekommt, nicht aber die Ethik, die Ästhetik oder die Naturphilosophie. Dem Buch liegt eine Konzeption von Philosophie als Prüfung von Argumenten zugrunde; es redet, als führten Argumente eine Art Sonderexistenz, abseits von Menschen, von Zeit und Geschichte. Es steht quer zur Geschichtlichkeit des Denkens; es ignoriert Lebenswelten und überspringt getrost Jahrhunderte.

Weil die Geschichte nicht mitgedacht wird, findet auch zwischen Bildern und Text keine Kommunikation statt. Diese Zusammenhangslosigkeit zeigt sich zunächst in der banalen Form, daß Bildunterschriften keinen Bezug auf den Text nehmen oder daß auf einem mittelalterlichen Bild Albert Magnus in seiner vollen Bedeutung groß herauskommt, daß ihn aber der Text, diesmal ausnahmsweise einem veralteten Forschungsstand folgend, zugunsten des Thomas von Aquin kein einziges Mal auch nur erwähnt, als hätte Thomas und nicht Albert, Roger Bacon und Robert Grosseteste die Aristoteles-Rezeption bewirkt. Aber das Mißverhältnis sitzt tiefer: Die Illustrationen bleiben beliebig, weil Bilder und Gedanken nicht aus geschichtlichen Konstellationen hergenommen und koordiniert sind.

Argumentenspiel und geographisch-zeitliche Realität bleiben getrennt; die Argumente verlieren aufgrund einer methodischen Vorentscheidung den Lebensbezug und treten daher nicht von sich aus zu Bildern in Beziehung; die Illustration bleibt Beiwerk. So ist denn ein empfehlenswertes, ein klares und dazu noch gefälliges Buch entstanden, aber die schöne Aufgabe, die sich doch aufgedrängt hätte, uns die Geschichte des Denkens in ihrem immanenten Zusammenhang mit der Geschichte des Bildens zu zeigen, wurde aus Schulbefangenheit nicht einmal ins Auge gefaßt.

Anthony Kenny (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der westlichen Philosophie". Aus dem Englischen von Hermann Vetter. Campus Verlag, Frankfurt am Main, New York 1995. 448 S., Abb., geb., 98,- DM.

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