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Das neue Buch von Bestsellerautor Antonio Damasio: Wie die Gefühle unsere Kultur prägen
Wie ist der Mensch zum Menschen geworden - und wie ist all das entstanden, was wir Kultur nennen? Der weltbekannte Neurowissenschaftler Antonio Damasio hat eine verblüffende Erklärung: Nicht Verstand und Intellekt, sondern die Gefühle haben dabei die entscheidende Rolle gespielt. Ein neuer, aufregender Blick auf die Fundamente menschlicher Zivilisation.
Ausstattung: mit Abb.

Produktbeschreibung
Das neue Buch von Bestsellerautor Antonio Damasio: Wie die Gefühle unsere Kultur prägen

Wie ist der Mensch zum Menschen geworden - und wie ist all das entstanden, was wir Kultur nennen? Der weltbekannte Neurowissenschaftler Antonio Damasio hat eine verblüffende Erklärung: Nicht Verstand und Intellekt, sondern die Gefühle haben dabei die entscheidende Rolle gespielt. Ein neuer, aufregender Blick auf die Fundamente menschlicher Zivilisation.

Ausstattung: mit Abb.

Autorenporträt
Damasio, AntonioAntonio Damasio, geboren 1944, ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creativity Institute. Für seine Arbeit wurde er über die Jahre mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Damasio ist Fellow der American Academy of Arts and Sciences, Mitglied der National Academy of Sciences sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Seine Bücher, darunter "Descartes' Irrtum" und "Ich fühle, also bin ich", sind internationale Bestseller und wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Für "Selbst ist der Mensch" wurde er 2011 mit der Corine ausgezeichnet.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Wir haben mehr mit Einzellern gemein, als uns bewusst ist. Dieser unerwartete Gedanke stellt sich beim Lesen des neuen Buches von Antonio Damasio ein. Der renommierte Neurowissenschaftler, dessen Schwerpunkte auf Emotion und Bewusstsein liegen, greift gleich zwei interessante Thesen auf. Laut Damasio hat nicht die Fähigkeit des Denkens, sondern die des Fühlens unsere Kulturen hervorgebracht. So die erste Theorie des Forschers. "In ihrem Bedürfnis, mit Herzensnöten umzugehen, und die Widersprüche in Einklang zu bringen, die durch Leiden, Ängste, Wut und das Streben nach Wohlbefinden entstehen, entdeckten die Menschen Musik, Tanz, Malerei und Literatur", schreibt Damasio. Seine zweite These bringt uns zurück zu den Einzellern: Die evolutionären Vorläufe der menschlichen Gefühle sind nicht in der Entwicklung der Säugetiere zu verorten - sondern reichen viel weiter zurück, zu den Anfängen des Lebens vor rund vier Milliarden Jahren. Zu den Bakterien, Schwämmen und Amöben. Damasios Argumentation überzeugt nicht immer. Aber der Forscher zeigt wieder einmal, dass unsere Gefühle eine ebenso komplexe wie faszinierende Antwort auf die Anforderungen des Lebens sind.

© BÜCHERmagazin, Anna Gielas

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2017

Kultur beginnt bei den Einzellern

So viel Affekt war nie: Antonio Damasio lässt die Geschichte des Lebens um die Gefühle kreisen. Da bleibt aber so manche Frage offen.

Im Anfang war die Ursuppe: ein Gebräu aus Wasser, Ammoniak und Methan, das vor 3,8 Milliarden Jahren auf der Erde brodelte. Durch Blitze entstanden Amino- und Fettsäuren, aus denen sich die ersten Zellen formten. Noch zwei Milliarden Jahre sollte es dauern, bis diese Bakterien der Urzeit zu Vielzellern verklumpten, aus denen irgendwann Tiere mit Nervensystemen hervorgingen und schließlich Bewusstsein und die menschliche Kultur. Wie konnten sich all diese Ordnungsprozesse der Entropie widersetzen, also der zunehmenden Unordnung im Universum, wie sie die Thermodynamik vorhersagt? Die Antwort von Antonio Damasio lautet: durch Homöostase. Der portugiesisch-amerikanische Neurologe versteht darunter allerdings nicht nur das bloße "Fließgleichgewicht", etwa wenn Zellen durch Stoffwechsel ihre Energiebilanz erhalten, sondern vielmehr einen universellen Lebensdrang, der an die antike Idee einer "Vitalkraft" erinnert. In seinem neuen Buch möchte er unter anderem zeigen, wie Gefühle in der Evolution entstanden sind und wie sie das Leben des Menschen regulieren.

Dafür nimmt er seine Leser mit auf einen Parforceritt durch die Erdzeitalter. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen neigt er jedoch keineswegs zum Reduktionismus: Unsere Biologie legt uns nicht alternativlos fest. Vielmehr bereitet sie die Grundlage für unsere Autonomie und die Einzigartigkeit kultureller Leistungen. So findet sich Damasio zufolge schon bei Einzellern ein Lebensdrang, der an Vorformen menschlichen Verhaltens erinnert. Einige Bakterienarten "kooperieren" mit anderen, um langfristig zu überleben, während sich manche Stämme bis zur Vernichtung bekämpfen. Bienen- und Ameisenkolonien funktionieren durch Arbeitsteilung mit "Experten" für Architektur und Abfallentsorgung sowie einer Leibwache für die Königin. Damasio sieht darin mehr als vordergründig suggestive Parallelen zwischen Tier und Mensch, nämlich stabilisierende Verhaltensmuster, die sich in der Evolution durchgesetzt haben.

An menschlichen Gefühlen kann man das gut verdeutlichen. Wurden sie lange als Störenfriede für die Vernunft angesehen, etablierte sich in den letzten Jahrzehnten die These von der Intelligenz des Bauches, nicht zuletzt dank Damasios eigener Pionierarbeit. Schmerz beispielsweise sensibilisierte den Menschen nicht nur für mögliche Verletzungen, sondern veranlasste ihn auch, Kulturtechniken der Schmerzlinderung bis hin zur modernen Medizin zu entwickeln. So gesehen, regulieren Gefühle das Leben, indem sie es automatisch bewerten. Wohlbefinden sagt uns, dass alles in Ordnung ist, Stress hingegen signalisiert eine Unwucht in der Lebensführung. Männliche Aggression hatte in der vorzivilisatorischen Epoche einmal die Funktion, den eigenen Stamm vor fremden Angreifern zu schützen. Damasio zufolge haben sich soziale Praktiken wie etwa Religionen weltweit in einer Art kultureller Evolution durchgesetzt, weil sie die Kooperation zwischen Menschen vielfältig beförderten.

Natürlich ist das Gleichgewicht der Affekte ein Balanceakt, der durch Umweltveränderungen empfindlich gestört werden kann. Gerade hier ist Damasios Homöostase-Theorie erhellend. So hängt zum Beispiel Kooperation von der Außentemperatur ab: Bei Hitzewellen nimmt die Zahl der Morde und der religiös motivierten Straftaten zu, ein Faktor, der in soziologischen Analysen von Gewalt oft zu kurz kommt. Solche Befunde zeigten, dass die biologischen Wurzeln der Kultur tiefer reichen, als Freud und Jung es sich jemals erträumten.

Damasio ist bekannt für seine populärwissenschaftlichen Bücher, die die Funktionsweise des Hirns mit anschaulichen Beispielen erklären. Wer auf eine Fortsetzung dieser erzählenden Tradition hofft, der wird enttäuscht. Das neue Buch ist erstaunlich arm an Beispielen und nimmt eine eigenartige Zwitterstellung ein: für ein Lehrbuch ist es zu oberflächlich, für ein vermittelndes Sachbuch zu technisch. So bleibt man nach kurzatmigen Ausführungen über Spinalganglien, Myelin und das "default mode network" ratlos zurück.

Auch die Hauptthese, Gefühle spielten die entscheidende Rolle für das menschliche Bewusstsein und die Entstehung der Kultur, fällt eher schwach aus, weil Damasio den Terminus "Gefühl" viel zu weit fasst. Dazu zählt er Körperempfindungen wie Schmerzen, Emotionen wie Angst, Stimmungen wie gute Laune und sogar Wahrnehmungseindrücke wie Farben und Töne. Vielleicht verleitet diese Vielfalt Damasio zur Behauptung, Gefühle seien notwendig für Bewusstsein. Ein Argument für diese These liefert er allerdings nicht. Sie klingt jedenfalls trivial, wenn man mit "Gefühl" das bezeichnet, was Philosophen "phänomenales Bewusstsein" nennen.

Noch sonderbarer mutet seine Behauptung an, er habe David Chalmers' "hard problem", also die schwierige Variante des Leib-Seele-Problems, gelöst. Damasio meint, Menschen haben deshalb Bewusstsein, weil es in der Evolution von Vorteil war, die Welt subjektiv zu bewerten. Doch Philosophen wie Chalmers geht es nicht darum, dass Bewusstsein adaptiv war, sondern sie sehen das Rätsel darin, worin dieser Vorteil bestanden haben könnte. Dieses Problem löst man nicht durch unbegründete Behauptungen.

Während seine Vorgänger die Intelligenz der Gefühle verkannt haben, scheint Damasio die Rolle der Affekte für die Kultur zu überschätzen. Denn wie er selbst andeutet, beruhen Wissenschaft und Rechtsprechung gerade auf Affektregulation und somit auf kühler Vernunft. Selbst das Streben nach Unsterblichkeit durch Gentechnik, das Damasio im letzten Kapitel thematisiert, ist vom Wunsch geleitet, sich von der menschlichen Natur und ihren Affekten zu lösen. Die Gefühle kommen eher an anderer Stelle ins Spiel, nämlich bei der Frage, ob das ewige Leben überhaupt lebenswert ist. Dazu hätte man vom Emotionsforscher gerne mehr gelesen.

PHILIPP HÜBL

Antonio Damasio: "Im

Anfang war das Gefühl". Der biologische Ursprung der menschlichen Kultur.

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Siedler Verlag, München 2017. 320 S., geb., 26,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dieser Neurowissenschaftler denkt in die Tiefe, ohne dabei anmaßend zu werden - genau das macht seine Bücher so lesenswert.« Deutschlandfunk Kultur "Buchkritik"