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Rebecca hat ihre Mutter Jenny nie kennengelernt. In den 1970er Jahren, im Nachklang der Achtundsechziger-Bewegung, als vom "Augenblick der Freiheit" noch etwas zu spüren war, lebte Jenny auf der Filmszene der Landeshauptstadt. Dreißig Jahre später macht sich Rebecca auf die Suche nach Zeitzeugen dieser Epoche und erfährt dabei einiges über die Protagonisten der Provo-Film: den früh verstorbenen "Großen Kantlehner", die Chansonsängerin Anna Lund oder Sonny, den "Belmondo von Milbertshofen". Rebeccas wichtigste Informationsquelle ist Gottfried, Chronist der damaligen Filmszene, der unsterblich…mehr

Produktbeschreibung
Rebecca hat ihre Mutter Jenny nie kennengelernt. In den 1970er Jahren, im Nachklang der Achtundsechziger-Bewegung, als vom "Augenblick der Freiheit" noch etwas zu spüren war, lebte Jenny auf der Filmszene der Landeshauptstadt. Dreißig Jahre später macht sich Rebecca auf die Suche nach Zeitzeugen dieser Epoche und erfährt dabei einiges über die Protagonisten der Provo-Film: den früh verstorbenen "Großen Kantlehner", die Chansonsängerin Anna Lund oder Sonny, den "Belmondo von Milbertshofen". Rebeccas wichtigste Informationsquelle ist Gottfried, Chronist der damaligen Filmszene, der unsterblich in Jenny verliebt war.Sie taucht ein in eine Welt voller Hoffnungen und voller Abenteuer, aber auch eine Welt der Eitelkeiten und Wichtigtuereien, oft mit dem überheblichen Anspruch, die Welt grundsätzlich neu zu erfinden. Rebecca wird am Ende ihren eigenen Weg gehen - in radikal veränderten Zeiten.
Autorenporträt
BURGHARD SCHLICHT Geboren 1946 in Detmold/Lippe. Abitur in Frankfurt/Main. Ab 1970 Mitarbeit als Schauspieler und Ausstatter bei Filmen von Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Hark Bohm und anderen. Autor von Drehbüchern. Währenddessen Soziologiestudium, abgeschlossen 1976. Ab 1978 journalistische Tätigkeit für Print (Transatlantik, Spiegel, Stern, Pflasterstrand), später fürs Fernsehen. Philosophiefilme, Künstlerporträts, Reisefilme; 1989 Spielfilm Der Schönste - Drehbuch, Hauptrolle, Regie; Hörspiele, Kurzgeschichten. Ab 2012 Arbeit an dem Roman Im Augenblick der Freiheit. Burghard Schlicht lebt in Frankfurt/Main und Céret/Südfrankreich. www.burghard-schlicht.de
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2021

Augenblicke der Freiheit

FRANKFURT Als junger Mann hat Burghard Schlicht einige Monate im Fassbinder-"Clan" verbracht. Auch davon erzählt er nun in seinem Debütroman.

Von Eva-Maria Magel

So sieht ein Glückskind aus. Man kommt jedenfalls nicht umhin, Burghard Schlicht als solches wahrzunehmen, wenn er aus seinem Leben erzählt. Er selbst sagt: "Irgendwie war ich immer plötzlich und durch Zufall genau im Zentrum." Da stand er, ein junger Mann, abends im Frankfurter Club Voltaire, ein "Jekyll und Hyde", wie er sagt, tagsüber im Nadelstreifen in der Filmabteilung einer großen Frankfurter Werbeagentur tätig, nachts als Bohemien mit Künstlerfreunden unterwegs. Und da sprach ihn jemand an, er sei genau der Richtige. Für vor die Kamera. Ein Glück. "Aber auch ungerecht", sagt Schlicht heute - so viele, die er kannte, haben jahrelang an der Schauspielschule gearbeitet, ihm, quasi Naturtalent, flog die folgenreiche Einladung zu.

Heraus kam die Hauptrolle in Michael Fenglers "Weg vom Fenster", produziert von Antiteater-X-Film. Und der Kontakt zu jenem legendären Fassbinder-"Clan", der hinter dem Antiteater steckte und der damals in einer Villa in Feldkirchen irgendetwas zwischen hauste und residierte, die rote Fahne gehisst. "Ein heftiges halbes Jahr mit drei Filmproduktionen" hat der junge Schlicht dann erlebt, jobbte, nicht immer auch monetär entlohnt, als Ausstatter, Setdesigner und Darsteller zugleich. "Es war erstaunlich, wie jung wir waren", sagt der 1946 in Detmold geborene und in Frankfurt aufgewachsene Schlicht. Alle waren sie Anfang 20, die da zusammentrafen und "18 Stunden gearbeitet und sechs Stunden getrunken" haben. "Der amerikanische Soldat", "Pioniere in Ingolstadt" und "Warnung vor einer heiligen Nutte" hat Rainer Werner Fassbinder damals, 1970, gedreht, Schlicht immer mit dabei.

Farbige, auch ironische Schilderungen dieser extrem prägenden Zeit bilden nun einen wesentlichen Baustein in Schlichts 519 Seiten starkem Romandebüt "Im Augenblick der Freiheit". Der Titel ist Programm, die Freiheit der Zeit, die Freiheit der Jugend ist es, die einerseits in der Erinnerung der älteren Protagonisten und andererseits im Leben der jungen Amerikanerin Rebecca aufscheint.

Der junge Schlicht tummelte sich in Schwabing und der Feldkirchener Antiteater-Villa; wer da ein und aus ging, durch die Betten zog und morgens um sechs vom Regie-Genie in der Küche angeraunzt wurde, findet sich verschlüsselt in den Szenen wieder, die Schlicht als Rückblenden in eine Geschichte von Freiheit, Liebe und Politik bettet. Schlicht, der Romanautor, nimmt sich wie die wechselnden Erzählstimmen die Freiheit, eine Fabel zu spinnen, in der er, fiktionalisiert, auch große Teile jener prägenden Monate im "Clan" und ihre Nachwehen unterbringt. Ein Schlüsselroman, in dem Hans-Peter Kantlehner, das früh verstorbene Genie, unverkennbar Fassbinder ist, wenngleich krude Szenen, die Schlicht im Umfeld des Regisseurs ebenfalls erlebt hat, eher ausgespart sind. Hanna Schygulla, Michael Fengler, Kurt Raab, sie alle kommen vor - nur die Hauptfigur Jenny ist, weitgehend jedenfalls, Erfindung.

Schlicht selbst scheint gleich in zwei Figuren zumindest ein bisschen auf. Im Augenarzt Gottfried, der die unbedingte Liebe zum Film mit Schlicht teilt, der als Regisseur, Drehbuchautor und Dokumentarfilmer von Philosophiebeiträgen und anderem viele Jahre lang vor allem für deutsche Fernsehsender tätig war und selbst bis heute einen privaten Liebhaber-Filmclub betreibt. Der alternde Zausel Gottfried ist mit ebensolcher Ironie geschildert wie das zweite Alias, Sonny, der den hinreißenden Ehrentitel "Belmondo von Milbertshofen" trägt. Jener Sonny also, der wiederum selbst einen Film drehen will, hinter dessen Titel "Straßen nach Süden" sich schon das nächste Romanprojekt Schlichts verbirgt. 200 Seiten Vorarbeit hat er schon geleistet, Jenny und Sonny verschlägt es nach Marrakesch, wie einst den jungen Schlicht nach der Fassbinder-Eskapade.

Besonders toll fand er die Filme, die der junge Fassbinder damals drehte, noch nicht, gibt Schlicht zu. Erst die späteren haben ihn fasziniert. In den siebziger Jahren zog es ihn, den Cineasten, zu anderen. Zu Wim Wenders, bei dem er für "Die Angst des Torwarts beim Elfmeter" arbeitete, zu Hark Bohm, Veith von Fürstenberg. Aus dem Schreiben seines ersten eigenen Drehbuchs "Eierdiebe" heraus entwickelte sich Schlicht zum Autor und Journalisten, auch durch die Fürsprache Jörg Fausers, mit dem er einst die Schulbank des Lessing-Gymnasiums gedrückt hatte. Erst seit 2012 allerdings widmet er sich der fiktionalen Langstrecke. Sein Ziel: Eine Epoche zu erzählen, von 1968 bis 2001, "so wie ich es für richtig halte".

BURGHARD SCHLICHT

Buchvorstellung und Lesung am 15. Juni von 20 Uhr an in der Frankfurter Romanfabrik

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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