Ingo Meyers Arbeit unternimmt im historisch-systematischen Zugriff eine seit langem nicht mehr gewagte, doch als noch immer virulent erachtete kritische Sichtung des deutschen Realismus vornehmlich in seinen Hauptvertretern Fontane, Storm und Raabe. Vor dem Hintergrund der im späten 19. Jahrhundert konkurrierenden 'Wirklichkeitswissenschaften' Historiografie und Soziologie, sowie in komparatistischen Ausgriffen wird hermeneutisch Frontstellung gegen die neueren postmodernen Applikationen als gegenstandsinadaquat bezogen: Weder mit Dekonstruktion und Semiotik, noch mit diskurs- oder systemtheoretischen Ansätzen ist die spezifische Kontur des Realismus zu fassen. Ähnliches gilt für die alt ehrwürdige Mimesis, die zugunsten der wirkungsästhetischen Illusionsbildung verabschiedet wird. 'Horizontaler' Illusionismus und, zunächst kontraintuitiv, 'vertikaler' Symbolismus werden als Kern der Semantisierungsstrategien einer Literatur erkannt, die keineswegs von der vorschnell als obsolet ausgerufenen Totalitätssuggestion gelassen hat. Zeigt sich mentalitätsgeschichtlich bei den Autoren allenthalben zurückgebliebenes Bewusstsein und motivlich eine nichtüberwundene Romantik, so poetologisch der Überhang klassizistisch-idealistischer Positionen.