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"Ich habe dich im Visier, Alex. Ich treibe dich vor mir her wie ein Stück Wild. Wenn ich in nicht allzu ferner Zeit die Anzeige vom Opfertod des Kriminalhauptkommissars Alexander Swoboda lese, werde ich öffentlich Trauer tragen. Privat werde ich eine Flasche Champagner öffnen, keinen billigen, und dazu meine alte Albinoni-Vinylplatte auflegen."Alexander Swoboda, einundsechzig, ermittelt in einem Mordfall. Die Leiche ist grausam entstellt. Als er in dem Toten einen Schulfreund erkennt, ahnt er, dass ein wahnhafter Verfolger versucht, mit Morden die Vergangenheit zu korrigieren.

Produktbeschreibung
"Ich habe dich im Visier, Alex. Ich treibe dich vor mir her wie ein Stück Wild. Wenn ich in nicht allzu ferner Zeit die Anzeige vom Opfertod des Kriminalhauptkommissars Alexander Swoboda lese, werde ich öffentlich Trauer tragen. Privat werde ich eine Flasche Champagner öffnen, keinen billigen, und dazu meine alte Albinoni-Vinylplatte auflegen."Alexander Swoboda, einundsechzig, ermittelt in einem Mordfall. Die Leiche ist grausam entstellt. Als er in dem Toten einen Schulfreund erkennt, ahnt er, dass ein wahnhafter Verfolger versucht, mit Morden die Vergangenheit zu korrigieren.
Autorenporträt
Gert Heidenreich, geboren 1944 in Eberswalde, lebt in der Nähe von München. Sein Werk umfaßt Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays, Theaterstücke und Arbeiten für Funk und Fernsehen. Er wurde u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis (1986), dem Literaturpreis der Stadt München (1990), dem Phantastik-Preis (1995) sowie dem Marieluise-Fleisser-Preis (1998) ausgezeichnet. 1991-1995 Präsident des deutschen P.E.N.-Clubs (West).

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2007

Das Geschäft der Rache
Gert Heidenreichs Blick in die dunkle Zeit
Manchmal in Büchern fragen Kommissare sich beim Anblick einer schrecklich zugerichteten Leiche, wer fähig sei, „so etwas” zu tun. Manchmal verurteilen sie dann die ganze Welt, sagen laut und grimmig etwas – oder sagen es im Stillen nicht minder grimmig – über deren Verrohung und gelangen zum unvermeidlichen Resümee, dass wieder einmal ein zerrissener, vom Hass auf alle Wirklichkeit seelisch verunstalteter Mensch keinen anderen Weg sah als zu meucheln.
„Der Kommissar war vor Entsetzen nicht fähig, sich zwischen Geburt und Kreuzigung zu entscheiden. Das Gesicht hatte Satan gemacht: tief in die Schädeldecke eingeschlagene Zimmermannsnägel standen dicht nebeneinander wie eine eiserne Punkfrisur. Sie gingen auf der Stirn in eine Nagelmaske über. . .”
Als hätten die bewährten Verstümmler aus Ystad ihrem Meister Mankell erklärt, sie bräuchten nun, da ihm italienische Schuhe offensichtlich wichtiger seien als blutige Handschuhe, wieder einmal ein kleines, grausames Vergnügen, am besten in einer Gegend, die vor Idylle fast platzt, nämlich in Bayern – so spektakulär und brutal wie der schwedische Wallander-Erfinder lässt Gert Heidenreich seinen ersten Kriminalroman beginnen. Der ehemalige PEN-Präsident hat es also jetzt auch getan: Wie etliche seiner Kollegen wechselte er – oder unternahm einen Abstecher – ins Genre. „Im Dunkel der Zeit” (Nymphenburger Verlag, München 2007, 400 Seiten, 19,80 Euro) funktioniert als Kriminalroman von der ersten Seite an, und wir erleben einen für seine sonstigen Prosaverhältnisse ungewohnt launigen, ja lässigen, fast gespenstisch entspannten Heidenreich. Und dabei bleibt er sich als Schriftsteller unbedingt treu.
Nicht anders als in seinem bisherigen Werk vermeidet er jede Anbiederung an den (aktuellen) Geschmack des Publikums, ohne dessen Erwartungen an einen Roman dieser Art durch übermotivierte, aufklärerische Einsprengsel zu enttäuschen. Trotz des drastischen Mordgeschehens – es passieren noch weitere Verbrechen – lockt er nicht mit klobigen Tricks. Dies allein unterscheidet „Im Dunkel der Zeit” von vielen neuen amerikanischen oder auf amerikanische Weise nachgerüsteten deutschen Krimis, deren (oft für alle Beteiligten durchaus ertragreiche) Wirkung auf nichts als einer gut geschmierten Plotmaschine basiert, solide konstruiert, ordentlich montiert, zwanghaft unterhaltend statt zwingend geistreich.
Ungeniert und mit eisiger Konsequenz stellt Heidenreich nach wenigen Seiten den Mörder vor, er lässt ihn Tagebuch schreiben und uns teilhaben am ebenso mickrigen wie monströsen inneren Getue dieses Mannes. Jahrelang malte der sich Vergeltung aus, wieder und wieder kroch er wie ein bösartiger Wurm ins Erdreich seiner Erinnerungen, zurück in die Schulzeit, als seine Kameraden ihn missachteten und sein lyrisches Talent verlachten. Jedenfalls bildete er sich das ein, und er vervollkommnete seine Einbildung, bis er besessen von ihr war und dank eines Schicksalswinks die Chance erhielt, das Kopfgeschwür seiner Rache auszuspeien.
Längst war er ein Mörder, bevor er einer wurde. In „Meister Floh” von E.T.A. Hoffmann erklärt der Geheime Rat Knarrpanti, „daß, sei erst der Verbrecher ausgemittelt, sich das begangene Verbrechen von selbst finde. Und das Denken sei an und vor sich selbst schon eine gefährliche Operation und würde bei gefährlichen Menschen eben desto gefährlicher.” Nebenher eröffnet Gert Heidenreichs Kriminaldebüt den Blick auf jene Epoche, in der diese literarische Gattung ihren Anfang nahm. Über die Entstehung des deutschsprachigen Kriminalromans aus dem Geist der Romantik wird an dieser Stelle demnächst noch ausführlich die Rede sein.
Um historische Zusammenhänge und die Verstrickung des einzelnen in ein gesellschaftliches System geht es auch – wie so oft bei Heidenreich – in diesem Buch. In einer Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze fußen Reichtum und Reputation einiger Familien auf dem braunen Morast der Vergangenheit. Als zudem der Mord an einer jüdischen Familie im Jahr 1939 nach Jahrzehnten des Schweigens ans Licht zu kommen droht und somit die Planungen für ein superlukratives Zukunftsgeschäft gescheitert wären, treffen die verantwortlichen Honoratioren eine Entscheidung.
Der Mann aus ihrer Mitte, den sie beauftragen, die Dinge ein für allemal zu regeln, kann sich unverhofft und endlich für all sein in der Schulzeit gestohlenes Leben revanchieren. Gedankenvoll und tatenarm holt er also zunächst einen professionellen Killer für die Drecksarbeit in die Stadt, bevor sich sein wuchernder Hass, den er so lange heimlich gezüchtet und mit immer neuen Wörtern wie mit Pestiziden gedüngt hat, hinter verschlossenen Türen entlädt. Sein letztes Opfer ist niemand anderes als Hauptkommissar Alexander Swoboda, einundsechzig Jahre alt, der seinen Beruf längst aufgeben und als Maler leben wollte. Als Alexander Swoboda das Haus seines ehemaligen Schulkameraden betritt, erkennt er die Schatten an der Wand nicht, und als er sich zu Tisch setzt, fallen sie über ihn her.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lobend äußert sich der anonyme Rezensent über Gert Heidenreichs Kriminalroman "Im Dunkel der Zeit". Auch wenn der im idyllischen Bayern angesiedelte Krimi teilweise recht drastisch und brutal daherkomme, vermeide der Autor jede Anbiederung an den aktuellen Publikumsgeschmack. Wohltuend unterscheide sich das Buch vor allem von vielen neuen amerikanischen oder nachgemachten deutschen Krimis, die zwar unterhaltsam sein mögen, aber nicht unbedingt geistreich sind. Heidenreich scheint ihm hier wirklich gut in Form. Im Vergleich zu seinen sonstigen Prosawerken wirkt er auf den Rezensenten überaus locker und ungezwungen, ohne sich aber als Schriftsteller untreu zu werden. So findet er in diesem Krimi das bei Heidenreich oft bearbeitete Thema der Verstrickung des Einzelnen in ein gesellschaftliches System wieder und auch den Blick auf eine dunkle Vergangenheit.

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