Kulturelles Gedächtnis und digitale Revolution, das Nachleben mythischer Verstrickungen in Kunst und Zivilisation, menschliche Endlichkeit und Konsumgesellschaft, Europa und das Finanzkapital, und immer wieder: die Grenze als kritische Größe des guten Lebens ? das sind Themen von Adolf Muschgs großartigen Vorträgen und Essays, die aus Anlass seines achtzigsten Geburtstages in diesem Band versammelt sind, der mit einer luziden Lektüre des Gemäldes ?Die Spinnerinnen? von Velázquez einsetzt. Das Gemälde thematisiert den Anfang der Webkunst ? auch der Verfertigung von Texten. Der rote Faden, der dabei entsteht, führt allerdings nicht aus dem Labyrinth heraus, sondern auf rechte Art hinein. Er lehrt erkennen, dass die Ränder menschlicher Existenz und ihr Zentrum nicht zweierlei sind. Worauf es ankommt, ist die Erfahrung des Wegs.Diese Essays, die auch eine persönliche Geschichte erzählen, zeigen Muschg als einen Homme de lettres und Intellektuellen europäischen Formats, der Europa alsunerledigtes Geschäft betrachtet. Auf der Suche nach tragfähigen Abbildungen menschlicher Realität stößt Muschg immer wieder auf die Kunst: Zu seinen Patronen gehört, nach Goethe, Jacob Burckhardt, der die Geschichte als fortgesetzten Versuch sah, die in jeder menschlichen Gesellschaft angelegten Grundwidersprüche nach dem Vorbild der Kunst zu zivilisieren. Das heißt: Mehrdeutigkeit gelten und walten zu lassen, statt sie, wie das Computermodell, zu minimieren oder, wie das politische Diktat, zu unterdrücken.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nur kurz geht Sandra Kegel in einer Doppelkritik, die zugleich ein Gratulationsartikel zum Achtzigsten des Autors ist, auf die Essays ein. Manches sei an die Zeit gebunden, schreibt sie, besonders die Essays zum Thema "Leitkultur" oder zur Lage der Akademie der Künste, deren Präsident Muschg bis 2005 war. Anderes, etwa zu Europa, findet sie lesenswert. Besonders verweist sie auf den Assoziationsteppich der "Spinnerin", des einzigen Essays, der für den Band geschrieben wurde und seinen Ausgang vom gleichnamigen Gemälde Velázquez' nimmt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2014Verkehrtherum ist für ihn das Richtige
Warum hat Adolf Muschg seinen Platz in der Welt im Anderssein gefunden? Sein Essayband "Im Erlebensfall" und das Porträt von Manfred Dierks geben Auskunft über den Büchnerpreisträger, der heute achtzig Jahre alt wird.
Den Titel des neuen Buchs hat Adolf Muschg - nicht ohne makabren Hintersinn - der Versicherungssprache entlehnt. Zwar möchte der Schweizer Schriftsteller seinen Geburtstag feiern, aber, so sein Einwand, man müsse eben immer damit rechnen, dass etwas dazwischenkommt: Deshalb der Titel: "Im Erlebensfall". Ob der Fall eintritt und in welchem Kasus, "wird man ja noch sehen", schreibt Muschg in seinem einleitenden Essay "Die Spinnerinnen - statt eines Vorworts". Als Tätigkeitswort im Infinitiv, ungebeugt, wäre es ihm am liebsten. Nun, er darf sich freuen, heute feiert Muschg achtzigsten Geburtstag, und der Münchner Beck Verlag hat aus diesem Anlass zwei Bücher herausgebracht.
Besagter Band mit "Versuchen und Reden" des 1934 in Zollikon geborenen Büchnerpreisträgers versammelt Texte aus den Jahren von 2002 bis 2013, die sich auch heute noch mit Interesse lesen lassen. Manches freilich ist seiner Zeit verhaftet, die Debatte zur Leitkultur etwa oder seine Rollenzuschreibungen der Berliner Akademie, deren Präsident er war, bis er 2005 das Amt vorzeitig aufgab. Anderes erfährt ungeahnte Brisanz, Muschgs Einwürfe zu Europa etwa und die Frage nach einer europäischen Identität, die er in seinem Aufsatz "Das gerissene Lamm" als veränderbare beschreibt. Insbesondere der für das Buch verfasste Essay "Die Spinnerin" erweist sich als dicht gewebtes Netz aus Assoziationen, die ausgehend vom titelgebenden Gemälde des spanischen Hofmalers Velázquez sich zur programmatischen, poetologischen und persönlichen Selbstauskunft weiten.
Als sehr aufschlussreiche Lektüre zu den Essays erweist sich die Muschg-Biographie von Manfred Dierks. Dass dieses Unterfangen glückt, war nicht selbstverständlich, denn die Gefahr, dass ein Porträt, zu Lebzeiten des Porträtierten verfasst, diesem gegenüber zu wohlwollend, ja distanzlos auftritt, ist schließlich nicht von der Hand zu weisen. Dierks hat die Gefahr souverän umschifft; sein biographisches Porträt liest sich kenntnisreich und ist mit dem Einfühlungsvermögen und Rüstzeug des Romanciers verfasst, der sich durch gelegentliche Distanzierungsmerkmale gleichwohl immer wieder seiner Eigenständigkeit versichert.
Vor allem aber gelingt es dem Oldenburger Literaturwissenschaftler, der selbst ein literarisches OEuvre vorweisen kann, das interessante Leben des Schweizer Homme de Lettres und europäischen Intellektuellen auch interessant zu erzählen. Dierks, selbst Jahrgang 1938, teilt den Hintergrund der Zeit- und Kulturgeschichte mit Muschg, "der die Bewusstseinslagen und kulturellen Veränderungen der Schweiz und der beiden Bundesrepubliken (und zunehmend auch Europas" seit den siebziger Jahren für Dierks am eindringlichsten reflektiert hat. Dass sich auf diesem Weg auch seine Literatur verändert hat, von dem "streng und raffiniert komponierten" Japan-Roman "Im Sommer des Hasen" (1965) hin zu einem gelassenen Weben von Assoziationsteppichen ("Löwenstein", 2012), beschreibt Dierks als literarischen Weg vom Ausgang der Moderne hinüber in die Spät- und Postmoderne. Die eigene Lebens- und Literaturerfahrung war ihm hierfür ein wichtiges Erkenntnismittel. Als Manfred Dierks 1961 erstmals im Zürcher Thomas-Mann-Archiv recherchierte, unterrichtete hundert Meter weiter der Gymnasiallehrer Dr. Muschg deutsche Literatur. Kennengelernt haben sie sich dann in den siebziger Jahren, Geboren als später Sohn eines Grundschullehrers am rechten Ufer des Zürichsees, unweit der berühmten Goldküste, wächst Friedrich Adolf Muschg in die klassische pietistische Lebenswelt hinein. Sein Außenseitertum muss der Lehrersohn unter den Sprösslingen der vermögenden Familien am Seeufer schon als Kind deutlich empfunden haben, mutmaßt Dierks. "Seine Identität findet er nicht im Gemeinsinn, er bleibt eine erhebliche Differenz zu den Anderen", schreibt Dierks. Die Seiten gewechselt hat er gleichwohl nie, obwohl es an Angeboten nicht gefehlt hat, sich einzureihen, und Muschg über die erforderlichen Qualitäten verfügte: "Er hat es ja auch versucht - durch Anpassung, durch Heirat, durch sozialen Aufstieg. Freiwillig hat er sich zum Offiziersdienst gemeldet. Immer wieder einmal politische Dienste verrichtet, einmal sogar an der Bundesverfassung." Die Differenz blieb, und Muschg habe sie irgendwann akzeptiert. In der Sprache seiner Bilanzschrift "O mein Heimatland!" formulierte er dieses "Nein zur Schicht der Mächtigen und Etablierten, das Nein zur Goldküste, die Absage an Zollikon". Die Karte namens Le Pendu aus dem Tarotspiel wird Muschg zum drastischen Lebenssymbol. Sie zeigt einen Mann, der kopfüber von einem Balken herabhängt, an dem er mit einem Fuß gefesselt ist. Das zweite Bein streckt der Gehängte frech in die Luft. Muschg wird im Laufe seines Lebens lernen, dass das "Verkehrtherum" für ihn das Richtige ist: "Ich musste mich eine ganz Strecke von unserem Zürichufer entfernen, bevor ich andersherum dahin zurückkehrte. Die Zollikoner Optik musste ausgewachsen sein, bis ich den Boden fand in meiner Luft."
Der strenge Vater, der selbst Romane und Novellen schreibt, meist Erbauungsgeschichten, hat aus erster Ehe bereits drei Kinder, die für den Nachkömmling prägend werden. Da ist zum einen Elsa, die Jugendbuchautorin, die in Zürich mit einer Tanzmeisterin zusammenlebt, ein Skandal zur damaligen Zeit. Elsa impft dem Sechsjährigen durch ihre "Hansi und Umme"-Bücher die Liebe zu seinem späteren "Heimwehland" ein, Japan, das ihm Fluchtphantasie und Erlösungshoffnung zugleich wird. Vor allem aber wird der sechsunddreißig Jahre ältere Walter Muschg dem jungen Halbbruder zur fixen Idee. Der angesehene Basler Germanist, der von den jungen Studenten Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt bewundert wird und der wiederum eine scharfe Kontroverse mit Thomas Mann ausficht, wird für Adolf Muschg zum Vaterersatz, an dem er sich so sehr abarbeitet, dass der folgende Bruch der Halbbrüder unvermeidlich scheint.
Adolf Muschg schreibt Essays in den großen Feuilletons, wird umworben von Verlagen und geht als Assistent von Walther Killy an die Uni Göttingen. Das Romaneschreiben aber klappt nicht, er leidet unter akuter literarischer Schreibblockade. Erst eine zufällige Selbsttäuschung erlöst ihn von diesem Fluch, und mit "Im Sommer des Hasen" entsteht 1965 sein erster Roman. Unendlich produktiv, wird er wenig später Dichterprofessor in Zürich. Obwohl er keine Habilitation vorweisen kann, beruft ihn die ETH 1970 auf den Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur. Dierks analysiert aus dem umfangreichen OEuvre gezielt einige Werke, den autobiographischen Roman "Albissers Grund" oder die Parzival-Geschichte "Der Rote Ritter", um den Lebensroman dieses Schriftstellers zu rekonstruieren. Dierks sieht in Muschg einen Autor, der vor allem deshalb für unsere Gegenwart steht, weil sein Werk einen Übergang markiert: von der Moderne, die zu Ende gegangen ist, hinüber in einen flüssigen Zustand. Der ist so leicht nicht zu bestimmen, mit der Postmoderne aber hat er immerhin schon einen Namen.
SANDRA KEGEL.
Manfred Dierks: "Adolf Muschg - Lebensrettende Phantasie". Ein biographisches Porträt.
Verlag C. H. Beck, München 2014. 312 S., Abb., geb. 22,95 [Euro].
Adolf Muschg: "Im Erlebensfall". Reden und Versuche 2002-2013.
Verlag C. H. Beck, München 2014. 310 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum hat Adolf Muschg seinen Platz in der Welt im Anderssein gefunden? Sein Essayband "Im Erlebensfall" und das Porträt von Manfred Dierks geben Auskunft über den Büchnerpreisträger, der heute achtzig Jahre alt wird.
Den Titel des neuen Buchs hat Adolf Muschg - nicht ohne makabren Hintersinn - der Versicherungssprache entlehnt. Zwar möchte der Schweizer Schriftsteller seinen Geburtstag feiern, aber, so sein Einwand, man müsse eben immer damit rechnen, dass etwas dazwischenkommt: Deshalb der Titel: "Im Erlebensfall". Ob der Fall eintritt und in welchem Kasus, "wird man ja noch sehen", schreibt Muschg in seinem einleitenden Essay "Die Spinnerinnen - statt eines Vorworts". Als Tätigkeitswort im Infinitiv, ungebeugt, wäre es ihm am liebsten. Nun, er darf sich freuen, heute feiert Muschg achtzigsten Geburtstag, und der Münchner Beck Verlag hat aus diesem Anlass zwei Bücher herausgebracht.
Besagter Band mit "Versuchen und Reden" des 1934 in Zollikon geborenen Büchnerpreisträgers versammelt Texte aus den Jahren von 2002 bis 2013, die sich auch heute noch mit Interesse lesen lassen. Manches freilich ist seiner Zeit verhaftet, die Debatte zur Leitkultur etwa oder seine Rollenzuschreibungen der Berliner Akademie, deren Präsident er war, bis er 2005 das Amt vorzeitig aufgab. Anderes erfährt ungeahnte Brisanz, Muschgs Einwürfe zu Europa etwa und die Frage nach einer europäischen Identität, die er in seinem Aufsatz "Das gerissene Lamm" als veränderbare beschreibt. Insbesondere der für das Buch verfasste Essay "Die Spinnerin" erweist sich als dicht gewebtes Netz aus Assoziationen, die ausgehend vom titelgebenden Gemälde des spanischen Hofmalers Velázquez sich zur programmatischen, poetologischen und persönlichen Selbstauskunft weiten.
Als sehr aufschlussreiche Lektüre zu den Essays erweist sich die Muschg-Biographie von Manfred Dierks. Dass dieses Unterfangen glückt, war nicht selbstverständlich, denn die Gefahr, dass ein Porträt, zu Lebzeiten des Porträtierten verfasst, diesem gegenüber zu wohlwollend, ja distanzlos auftritt, ist schließlich nicht von der Hand zu weisen. Dierks hat die Gefahr souverän umschifft; sein biographisches Porträt liest sich kenntnisreich und ist mit dem Einfühlungsvermögen und Rüstzeug des Romanciers verfasst, der sich durch gelegentliche Distanzierungsmerkmale gleichwohl immer wieder seiner Eigenständigkeit versichert.
Vor allem aber gelingt es dem Oldenburger Literaturwissenschaftler, der selbst ein literarisches OEuvre vorweisen kann, das interessante Leben des Schweizer Homme de Lettres und europäischen Intellektuellen auch interessant zu erzählen. Dierks, selbst Jahrgang 1938, teilt den Hintergrund der Zeit- und Kulturgeschichte mit Muschg, "der die Bewusstseinslagen und kulturellen Veränderungen der Schweiz und der beiden Bundesrepubliken (und zunehmend auch Europas" seit den siebziger Jahren für Dierks am eindringlichsten reflektiert hat. Dass sich auf diesem Weg auch seine Literatur verändert hat, von dem "streng und raffiniert komponierten" Japan-Roman "Im Sommer des Hasen" (1965) hin zu einem gelassenen Weben von Assoziationsteppichen ("Löwenstein", 2012), beschreibt Dierks als literarischen Weg vom Ausgang der Moderne hinüber in die Spät- und Postmoderne. Die eigene Lebens- und Literaturerfahrung war ihm hierfür ein wichtiges Erkenntnismittel. Als Manfred Dierks 1961 erstmals im Zürcher Thomas-Mann-Archiv recherchierte, unterrichtete hundert Meter weiter der Gymnasiallehrer Dr. Muschg deutsche Literatur. Kennengelernt haben sie sich dann in den siebziger Jahren, Geboren als später Sohn eines Grundschullehrers am rechten Ufer des Zürichsees, unweit der berühmten Goldküste, wächst Friedrich Adolf Muschg in die klassische pietistische Lebenswelt hinein. Sein Außenseitertum muss der Lehrersohn unter den Sprösslingen der vermögenden Familien am Seeufer schon als Kind deutlich empfunden haben, mutmaßt Dierks. "Seine Identität findet er nicht im Gemeinsinn, er bleibt eine erhebliche Differenz zu den Anderen", schreibt Dierks. Die Seiten gewechselt hat er gleichwohl nie, obwohl es an Angeboten nicht gefehlt hat, sich einzureihen, und Muschg über die erforderlichen Qualitäten verfügte: "Er hat es ja auch versucht - durch Anpassung, durch Heirat, durch sozialen Aufstieg. Freiwillig hat er sich zum Offiziersdienst gemeldet. Immer wieder einmal politische Dienste verrichtet, einmal sogar an der Bundesverfassung." Die Differenz blieb, und Muschg habe sie irgendwann akzeptiert. In der Sprache seiner Bilanzschrift "O mein Heimatland!" formulierte er dieses "Nein zur Schicht der Mächtigen und Etablierten, das Nein zur Goldküste, die Absage an Zollikon". Die Karte namens Le Pendu aus dem Tarotspiel wird Muschg zum drastischen Lebenssymbol. Sie zeigt einen Mann, der kopfüber von einem Balken herabhängt, an dem er mit einem Fuß gefesselt ist. Das zweite Bein streckt der Gehängte frech in die Luft. Muschg wird im Laufe seines Lebens lernen, dass das "Verkehrtherum" für ihn das Richtige ist: "Ich musste mich eine ganz Strecke von unserem Zürichufer entfernen, bevor ich andersherum dahin zurückkehrte. Die Zollikoner Optik musste ausgewachsen sein, bis ich den Boden fand in meiner Luft."
Der strenge Vater, der selbst Romane und Novellen schreibt, meist Erbauungsgeschichten, hat aus erster Ehe bereits drei Kinder, die für den Nachkömmling prägend werden. Da ist zum einen Elsa, die Jugendbuchautorin, die in Zürich mit einer Tanzmeisterin zusammenlebt, ein Skandal zur damaligen Zeit. Elsa impft dem Sechsjährigen durch ihre "Hansi und Umme"-Bücher die Liebe zu seinem späteren "Heimwehland" ein, Japan, das ihm Fluchtphantasie und Erlösungshoffnung zugleich wird. Vor allem aber wird der sechsunddreißig Jahre ältere Walter Muschg dem jungen Halbbruder zur fixen Idee. Der angesehene Basler Germanist, der von den jungen Studenten Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt bewundert wird und der wiederum eine scharfe Kontroverse mit Thomas Mann ausficht, wird für Adolf Muschg zum Vaterersatz, an dem er sich so sehr abarbeitet, dass der folgende Bruch der Halbbrüder unvermeidlich scheint.
Adolf Muschg schreibt Essays in den großen Feuilletons, wird umworben von Verlagen und geht als Assistent von Walther Killy an die Uni Göttingen. Das Romaneschreiben aber klappt nicht, er leidet unter akuter literarischer Schreibblockade. Erst eine zufällige Selbsttäuschung erlöst ihn von diesem Fluch, und mit "Im Sommer des Hasen" entsteht 1965 sein erster Roman. Unendlich produktiv, wird er wenig später Dichterprofessor in Zürich. Obwohl er keine Habilitation vorweisen kann, beruft ihn die ETH 1970 auf den Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur. Dierks analysiert aus dem umfangreichen OEuvre gezielt einige Werke, den autobiographischen Roman "Albissers Grund" oder die Parzival-Geschichte "Der Rote Ritter", um den Lebensroman dieses Schriftstellers zu rekonstruieren. Dierks sieht in Muschg einen Autor, der vor allem deshalb für unsere Gegenwart steht, weil sein Werk einen Übergang markiert: von der Moderne, die zu Ende gegangen ist, hinüber in einen flüssigen Zustand. Der ist so leicht nicht zu bestimmen, mit der Postmoderne aber hat er immerhin schon einen Namen.
SANDRA KEGEL.
Manfred Dierks: "Adolf Muschg - Lebensrettende Phantasie". Ein biographisches Porträt.
Verlag C. H. Beck, München 2014. 312 S., Abb., geb. 22,95 [Euro].
Adolf Muschg: "Im Erlebensfall". Reden und Versuche 2002-2013.
Verlag C. H. Beck, München 2014. 310 S., geb., 22,95 [Euro].
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