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München am Ende des 20.Jahrhunderts. Die Stadt genießt sich selbst, während halb Deutschland den Mauerfall bejubelt. Eine WG fröhlicher Bummelstudenten verfolgt mit herzloser Neugier die Affäre ihrer Freundin Christina mit einem mächtigen Fernsehbonzen. Kaum hat das schräge Paar sich endlich in einem Hotelbett gefunden, nimmt die Sache eine unheimliche Wendung. Ein tödlicher Unfall, blutige Partys in den Kellern der Fernsehstudios, nichts scheint unmöglich. Jens Jessen spielt ein böses, doppelbödiges Spiel mit dem, was wir alle zu kennen glauben. Er demonstriert, wie weniger Handgriffe es…mehr

Produktbeschreibung
München am Ende des 20.Jahrhunderts. Die Stadt genießt sich selbst, während halb Deutschland den Mauerfall bejubelt. Eine WG fröhlicher Bummelstudenten verfolgt mit herzloser Neugier die Affäre ihrer Freundin Christina mit einem mächtigen Fernsehbonzen. Kaum hat das schräge Paar sich endlich in einem Hotelbett gefunden, nimmt die Sache eine unheimliche Wendung. Ein tödlicher Unfall, blutige Partys in den Kellern der Fernsehstudios, nichts scheint unmöglich. Jens Jessen spielt ein böses, doppelbödiges Spiel mit dem, was wir alle zu kennen glauben. Er demonstriert, wie weniger Handgriffe es bedarf, um das Antlitz der deutschen Gesellschaft in eine surreale Fratze zu verwandeln, die giftiger und komischer nicht sein kann.
Autorenporträt
Jessen, JensJens Jessen, 1955 in Berlin geboren, arbeitete als Lektor und Kritiker und ist heute Ressortleiter im Feuilleton der Zeit. Zuletzt erschienen Deutsche Lebenslügen (Erkundungen einer bewußtlosen Gesellschaft, 2000).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Bartmann fühlt sich von Jens Jessen an Zeiten erinnert, als sich die "Investition von Sprache und Witz" noch gelohnt haben, wollte jemand die Gesellschaft beschreiben. "Im falschen Bett" sei beschwingt, leicht und böse und, vermutet der Rezensent, vermutlich das Lustigste, was in nächster Zeit zu erwarten sei. Es gehe darin um das München der neunziger Jahre, um einen Fernsehproduzenten und um allerlei Frivoles. Schön hätte Bartmann es gefunden, wäre es in München jemals so frivol zugegangen. Die Handlung sei zwar nicht umwerfend originell, aber es mache Spaß, Jessen beim Formulieren und Fabulieren zu folgen. Das Wetter spiegele die Stimmung im Roman: "Die Tendenz geht zum Unwetter." Gegen das Münchener "Grundklima der Heuchelei und der Halbwahrheiten" wirke die Berliner Republik harmlos.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.09.2012

Der Bonze und das Mädchen
Der Journalist Jens Jessen hat einen gut gelaunten Gesellschaftsroman geschrieben.
Es geht um die Neunzigerjahre, das Fernsehen und um München als Lebensform
VON CHRISTOPH BARTMANN  
Heiterkeit ist, wie man weiß, ein knappes Gut im Gegenwartsroman, erst recht die Heiterkeit, die einen Überschuss an Geist, Witz und Weltkenntnis zum Ausdruck bringt und nicht einfach nur gute Laune verrät. Wo gibt es so etwas? Sicher nicht bei Rainald Goetz, manchmal etwa bei Martin Mosebach und, neuerdings, bei Jens Jessen. Mit „Im Falschen Bett“ hat Jessen einen eleganten, gut gelaunten Gesellschaftsroman vorgelegt, der seine Leser von Anfang bis Ende bestens unterhält, ohne dass wir seinen Themen irgendeine Dringlichkeit ablauschen könnten. Es geht um München, Fernsehen, die Neunzigerjahre, um Themen, Orte, Zeiten, die keineswegs um verschärfte Gegenwartsrelevanz buhlen. Die Eingangsfrage des Romans lautet denn auch unüberbietbar relevanzfern: „War sie eigentlich hübsch?“ Sie, Christina, ein Münchner „Unglücksmädchen“, das durch widrige Umstände erst in der „Unglücksshow“ und dann auch im Bett eines öffentlich-rechtlichen Fernsehproduzenten landet. War sie denn hübsch? In Beantwortung dieser Frage zeigt sich Jessens stilistisches Vermögen: „Während die anderen Mädchen mit breitem Pinsel getuscht waren“, heißt es, „war sie mit spitzer Feder auf hartem Karton gezeichnet. Sie hatte etwas Präzises, Ausformuliertes.“ Wollte man Jessen ein etwas zweischneidiges Kompliment machen, könnte man sagen: Er kann formulieren. Er hat die Welt, jedenfalls die des Romans, formulierend im Griff. Oder anders: Er ist nicht regelrecht um Worte verlegen.
  Der Roman kreist um München als Lebensform, oder genauer: um ein kulturell vermitteltes, heute etwas verjährt wirkendes Bild von München als Hauptstadt der Frivolität, der Heuchelei und des schönen Scheins. Schön wäre es, möchte man sagen, wenn es in München jemals so frivol zugegangen wäre. Eine tragende Rolle bei der Produktion des schönen Scheins in München spielt, zumindest bei Jessen, das Fernsehen. Nicht das private, das doch in jenen Jahren in München blühte, sondern das öffentliche, in dem ein meist als „Bonze“ (die gibt es beim Privatfernsehen nicht) bezeichneter Produzent die Rolle des Bösewichts und Verführers spielt. Solche Typen hat es bestimmt gegeben, oder es gibt sie noch heute, aber würde man ihnen heute noch eine Satire widmen, worin sie dann als Säulen der Gesellschaft figurierten? Vielleicht hat Jessen aber auch gar keine Satire geschrieben, sondern vielmehr ein bestimmtes Modell von Gesellschaft und Geselligkeit reanimiert, das dem heutigen kaum mehr ähnelt, insofern nämlich Klatsch, Infamie und Boshaftigkeit seine treibenden Kräfte waren. Über solche Verhältnisse lässt sich, wenn man die Sprache und den Witz dazu hat, trefflich schreiben; über die harmlose Berliner Republik dagegen nicht. Jessen hat die Sprache und den Witz, und vielleicht liegt die eigentliche Leistung des Romans darin, uns an Zeiten zu erinnern, in denen sich die Investition von Sprache und Witz in die Beschreibung der Gesellschaft noch lohnte.
  Christina also, und der Produzent. Er wird sie, seinem Berufs- und sonstigen Instinkt folgend, ohne großen Widerstand ins Bett zerren, und beobachtet wird das Geschehen von einem Ich-Erzähler, der als Praktikant in den Studios des besagten Senders arbeitet und der mit seinen Wohngemeinschaftskolleginnen und -kollegen das erotische Geschehen süffisant kommentiert. Die Handlung, auch wenn sie später dann – fast erwartbar – Verbrechen und Verbrechern auf die Spur gerät, ist nicht umwerfend originell, was aber immer wieder entzückt, ist Jessens Kunst der Zeichnung („mit spitzer Feder auf harten Karton“). Am Vater der neuen Freundin etwa stechen die „hellblau leuchtenden, murmelrunden, unter schweren Lidern hervorquellenden Augen“ heraus, „die nicht durchsichtig waren, aber stark glänzten und darum an Porzellan denken ließen, an eine starke Lasur über blassem Fondblau“.
  Ähnlich subtil trifft Jessen die Tonarten des Münchner Wetters, das mal heiß und mal kalt, mal schwül und mal eisig über diesen Roman hinweggeht. Die Tendenz geht zum Unwetter, schon weil sich hier etwas Übles zusammenbraut, weil sich das Münchner Grundklima der Heuchelei und der Halbwahrheiten zusehends erhitzt. Ein „zweites München“ voller übler Machenschaften tut sich auf, in das die Fernsehgewaltigen (auch das ein Wort aus der Vorzeit), Rundfunkräte und sonstigen Würdenträger aufs unanständigste verstrickt sind. „Der Zersetzungsprozess in der Umgebung des Bonzen lief weiter, auch ohne dass von außen toxisches Material zugeführt wurde“ – im Sender, der pars pro toto für das ganze verruchte München steht, ist die Hölle los. Man scheut sich, diesen Roman als „wichtig“ zu bezeichnen, nennen wir ihn lieber beschwingt, leicht und böse, so wie man es von einer guten Operette erwartet. Viel amüsantere Lektüren als Jessens unzeitgemäße München-Operette sind jedenfalls derzeit nicht zu erwarten.
„In München wird viel Geld ausgegeben, aber nicht für reelle Werte, sondern für Namen, Adressen, Imaginationen“ – und für Lebensfreude im Kreis der Dazugehörenden: in einer Bar an der Maximilianstraße, 1991.
FOTO: WEBER
  
  
    
  
  
  
Jens Jessen: Im falschen Bett. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2012. 224 Seiten, 17,90 Euro.
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"Dafür wirft der Roman bisweilen ein glänzendes Licht auf den Debütanten Jessen. Ihm gelingen Beschreibungen in Sichtweite zur Hochliteratur." Arno Orzessek, Deutschlandradio Kultur, 20.09.2012 "Die verrückteste, böseste, gebildetste, witzigste, sprühendste Satire, die seit langer Zeit in deutscher Sprache erschienen ist." Christian Bommarius, Frankfurter Rundschau, 28.07.12 "Die erlesenen Formulierungen und eleganten Wendungen scheinen ihm nur so zuzufliegen, bisweilen glaubt man sich in einem Roman von Martin Mosebach zu befinden." Holger Schlodder, Darmstädter Echo, 03.12.12 "Eine bitterböse Mediensatire als kulturkritisches Endspiel." Jochen Rack, SWR 2, 16.09.12