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Peter Levis Reise mit Bruce Chatwin durch das Afghanistan der frühen siebziger Jahre: Eine Zeit, als Krieg und Zerstörung noch in weiter Ferne lagen und das Land für seine atemberaubenden Landschaften des Hindukusch und seinen kulturellen Reichtum bekannt war. Dreißig Jahre später gelesen, klagt dieses Buch die Tragödie der letzten Jahrzehnte an - und erinnert an eine Vergangenheit, die dem neuen Afghanistan helfen kann, eine Vorstellung von seiner Zukunft zu gewinnen.

Produktbeschreibung
Peter Levis Reise mit Bruce Chatwin durch das Afghanistan der frühen siebziger Jahre: Eine Zeit, als Krieg und Zerstörung noch in weiter Ferne lagen und das Land für seine atemberaubenden Landschaften des Hindukusch und seinen kulturellen Reichtum bekannt war. Dreißig Jahre später gelesen, klagt dieses Buch die Tragödie der letzten Jahrzehnte an - und erinnert an eine Vergangenheit, die dem neuen Afghanistan helfen kann, eine Vorstellung von seiner Zukunft zu gewinnen.
Autorenporträt
Peter Levi (1931- 2000) interessierte sich seit seiner Jugend für Archäologie und die Antike. Er wurde Jesuit, gab das Priesteramt 1977 auf und schrieb Reportagen über archäologische Themen und Reisebücher. Daneben entstand ein vielseitiges erzählerisches und lyrisches Werk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2002

Porträt eines Landes als alter Staat
Farbe, wo wir sonst nur schwarzweiß sehen: Peter Levis große Kulturreportage über Afghanistan

"Als wir aufbrachen", schreibt Peter Levi über seine Reise, "waren die Amerikaner auf dem Mond." Das ist auf den ersten Blick nicht mehr als eine Reminiszenz an die sensationelle Mission von Apollo 11, von der Kunde selbst an einen Ort gelangt war, der damals noch als hinter dem Mond liegend gelten konnte: Kabul. Doch Levi hängt eine Fußnote an, und darin findet sich eine bemerkenswerte Passage: "Als wir ein paar Wochen später in Nuristan waren und ein Flugzeug über unsere Köpfe hinwegflog, fragten uns die Träger, ob es wahr sei, daß diese an Orten wie Amerika und Rußland von Menschen gemacht würden, oder ob es wahr sei, daß sie vom Himmel kämen? Als wir sagten, sie würden auf Erden gebaut, nickten sie mit dem Kopf. Ja, sagten sie, so etwas haben wir uns schon gedacht." Das war 1969.

Seitdem sind viele Flugzeuge aus Rußland und Amerika über Afghanistan geflogen, und niemandem dort werden sie noch als Himmelsboten erscheinen. Es sind solche Schilderungen in Peter Levis Buch - und es gibt einige von gleichem Kaliber und ähnlicher scheinbarer Beiläufigkeit -, die den Rang seiner Reiseschilderung ausmachen, die nach mehr als dreißig Jahren unter dem Titel "Im Garten des Lichts" ihren Weg nach Deutschland gefunden hat. Levi verbrachte den Sommer des Jahres 1969 in dem damals nur schwer zugänglichen Land, um die Einflüsse der hellenistischen Kultur auf die dortige Kunst zu erforschen. Sein Begleiter war der junge Bruce Chatwin, damals dem breiten Publikum noch vollkommen unbekannt, aber unter Weltreisenden bereits eine legendäre Gestalt. Heute verkauft sich alles, wo Chatwin draufsteht, fast so gut wie dessen eigene Bücher. Deshalb hat der deutsche Verlag Levis Werk den Untertitel "Mit Bruce Chatwin durch Afghanistan" gegeben und den Text um siebzehn Fotos ergänzt, die Chatwin seinerzeit aufgenommen hat.

Doch der Untertitel grenzt an Etikettenschwindel, denn auch wenn Levi und Chatwin (und schließlich noch dessen Frau Elisabeth) den größten Teil der Reise gemeinsam unternahmen, spielt deren jeweilige Persönlichkeit kaum eine Rolle. Chatwin findet vielleicht dreißigmal auf dreihundert Seiten explizit Erwähnung, und ein eifriger Leser von Chatwins eigenen Büchern wird nichts finden, was er über den Autor nicht längst gewußt hätte. Auch die Fotos sehen nicht gerade prächtig aus, was sowohl dem Format geschuldet ist als auch der Tatsache, daß die schönsten Aufnahmen der Reise mit Peter Levi bereits in dem opulenten Bildband "Auf Reisen" veröffentlicht worden sind. Dort finden sich auch einige längere Aufzeichnungen Chatwins über die gemeinsame Tour, die sich als Parallellektüre anbieten. Nachdem Levi sein Buch geschrieben hatte, gab Chatwin seinerzeit den Plan eines eigenen wieder auf.

Mit den nun beigegebenen Fotos mögen sich Chatwin-Fanatiker über die biographische Enttäuschung hinwegtrösten. Was sie indes geboten bekommen, ist ein chatwineskes Buch. Levi ist nicht zufällig in Begleitung seines britischen Landsmannes gereist, der zuvor schon zweimal, 1962 und 1964, den Hindukusch besucht hatte. Beide zeichnet auf ihren Gebieten dieselbe Manie aus: Wo Chatwin allenthalben nomadische Kulturen und deren Einflüsse zu entdecken weiß, sieht der Jesuitenpater Levi überall auf der Reise die Wirkung des Indienfeldzugs Alexanders des Großen und seiner griechischen Soldaten. Das ist interessant zu lesen, für den Laien aber nahezu unüberprüfbar, zumal das Buch mit Karten geizt und auf historische Belege gleich ganz verzichtet hat. Doch noch eklatanter ist die Affinität der beiden Reisenden im Hinblick auf ihren Stil.

Der 1931 geborene Levi hat dasselbe Auge für das überraschende Detail, dasselbe Ohr für den Klang der Fremde, dasselbe Händchen für die prägnante Beschreibung. Das mag seinen Grund darin haben, daß er auch dichtete (im Anhang des Buchs ist ein während der Reise entstandener Gedichtzyklus abgedruckt, der aber nicht das poetische Niveau der schöneren Passagen des eigentlichen Textes erreicht; später bekleidete er in Oxford den Lehrstuhl für Poetik). Dieses Gespür für die prägnante Formulierung prägt das gesamte Werk: In der eingangs zitierten Fußnote etwa wechselt Levi im letzten Satz zur direkten Rede und damit zum Standpunkt der Afghanen. Und diese permanente Bewegung in der Beschreibung ist durchaus typisch - immer wieder durchkreuzt Levi die Erwartungen, schweift er ab, schlüpft er in Rollen, die seinem Text eine Lebendigkeit verleihen, die von ganz anderer Art ist als schlichte Reiseberichte. Natürlich wird hier ein Abenteuer erzählt, doch es ist so stark durchdrungen von kulturgeschichtlichen Betrachtungen, daß man mit einem besseren Untertitel auch von einem "Kunstführer für Afghanistan" hätte sprechen können. Und die teilnehmende Beobachtung Levis erreicht solche Ausmaße, daß man den Menschen, die er trifft, nicht nur zusehen kann, sondern sie bisweilen denken hört. Wie in ebenjener Fußnote.

Erstmals erschien "Im Garten des Lichts" 1972 in England. Damals hatte Afghanistan den Reiz des Exotischen. Heute liest man das Buch mit krieggeschärftem Blick. All die Bezüge auf Kunstwerke, die im Museum von Kabul zu sehen waren, rufen die Berichte über das geplünderte Haus herauf. All die Schilderungen der Wachtürme in den Bergschluchten, der Altstadt Kandahars, der britischen Botschaft in Kabul, der riesigen Buddhas von Bamian, der Brücken und Straßen und Flugplätze - lassen sie noch anderes zu als die Vision von Ruinen? Es ist schwierig, Levis Buch nicht als das zu lesen, was es nie sein sollte: ein Nachruf auf ein Stück Erde, das eine jahrtausendealte Geschichte bewahrt hatte, und das in seiner Abgeschiedenheit besser als die Staaten ringsumher. Das Protokoll einer Leidenschaft, einer Faszination wird unversehens zum Klagelied, und jenes Afghanistan, das wir aus den Nachrichten kennen, das karge, graubraune, von Bomben zerpflügte Land, legt sich als Staubschleier über die bunte, strahlend helle Welt, von der Levi spricht und die Chatwin fotografiert hat.

Die Neuausgabe dieses Buches ist das Vermächtnis von Peter Levi, der vor zwei Jahren starb. Kurz vorher hatte er seine neue Einleitung abgeschlossen, die den Horror der Endphase der Taliban-Herrschaft und den letzten Krieg um Afghanistan nicht mehr berücksichtigen konnte. Doch schon die russische Invasion hatte beinahe alles zerschlagen, was er drei Jahrzehnte früher noch gesehen hatte. Es gab nicht viele Europäer, die Afghanistan in friedlicher Absicht bereist haben. Levis Buch ist deshalb eines der letzten Relikte, die aus Afghanistans Geschichte überlebt haben.

ANDREAS PLATTHAUS.

Peter Levi: "Im Garten des Lichts". Mit Bruce Chatwin durch Afghanistan. Aus dem Englischen von Jörg Trobitius. Hanser Verlag, München 2002. 350 S., 18 Abb., 1 Karte, geb., 23,50 [Euro].

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