Für Wissensdurstige öffnen die Brüder Tadie Schatzkammern im Palast des Denkens. Kenntnisreich und belesen formulieren sie eine Poetik des menschlichen Gedächtnisses: seine entscheidende Bedeutung für die eigene Identität, seine physiologischen Grundlagen und seine Störungen. Eingebettet in eine Kulturgeschichte des Erinnerns von der Antike bis zur Gegenwart mit Belegen aus Philosophie und Literatur. Der sechste Sinn des Menschen entfaltet sich in seiner ganzen Bandbreite. So erklärt sich die Faszination, die auf Künstler und Naturwissenschaftler von den Themen Erinnerung und Vergessen von jeher ausging. Denn: "Das Gedächtnis ist die erste Voraussetzung des Genies" (Balzac).
Mit einem ausführlichen Glossar zu Fachbegriffen der Kognitionswissenschaft, einem Literaturverzeichnis und Register.
Mit einem ausführlichen Glossar zu Fachbegriffen der Kognitionswissenschaft, einem Literaturverzeichnis und Register.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.11.2003Auf der Suche nach der verlorenen Erinnerung
Die Gebrüder Tadié erforschen das Gedächtnis mit den Mitteln der Geistes- und Naturwissenschaft
Wo suchen Sie, wenn Ihnen Ihr Pin-Code oder das Passwort Ihres Computers nicht einfällt? Erinnern Sie sich noch an den Namen Ihrer Grundschullehrerin? Falls ja, wo haben Sie dieses Stück Information all die Jahre bewahrt, und warum?! Beide Fragen sind schwer zu beantworten, ist doch das Gedächtnis der dunkelste aller Räume, die wir durchmessen können, und wie etwas dort hineingerät und dort bleibt, ist ein großes Geheimnis. Das Gedächtnis als Raum zu betrachten, ist heute mehr als eine Metapher; wir wissen, dass es eine räumliche Ausdehnung, eine Materialität hat und wo das ist, im Gehirn.
Aber wie wir Inhalte dort unterbringen; wer – welcher Teil unserer Person – dort sucht, wenn wir versuchen uns eines Namens, einer Melodie, eines Wortes zu entsinnen, die uns entfallen sind, von denen wir aber sicher sind, dass sie irgendwo sein müssen, das sind Fragen, die uns in unserer Existenz berühren.
Das Erinnern ist eine geistige Tätigkeit, die durch körperliche Vorgänge realisiert wird, nämliche durch elektrische Schaltungen und biochemische Prozesse in unserem Gehirn. Das sind die beiden Seiten des alten Problems von Körper und Geist. Wer verstehen will, wie das Gedächtnis funktioniert, kommt an diesem Problem nicht vorbei. Die Wissenschaft ist arbeitsteilig organisiert. Die einen beschäftigen sich mit dem Geist, die anderen mit dem Körper, und beide finden es nicht immer einfach, miteinander zu reden. Familienbande können da von Nutzen sein, die Gräben zwischen den Disziplinen zu überbrücken.
Palast mit Gerümpelkammer
Eben dies haben die Autoren des vorliegenden Buchs, die Gebrüder Tadié, unternommen. Der eine, Jean-Yves, ist in der Welt des Geistes zuhause, er ist Professor für französische Literatur an der Pariser Sorbonne. Der andere, Marc, ist Direktor des neurochirurgischen Instituts der Universität Paris IX. Mit dem Gedächtnis haben beide zu tun. Jean-Yves ist nicht nur Biograph und Herausgeber der Werke Marcel Prousts, dessen literarisches Zentralthema die Erinnerung war; er hat sich auch ausführlich mit dem Gedächtnis als Topos der europäischen Geistesgeschichte beschäftigt. Und Marc hat täglich mit Kopfverletzungen und anderen Schädigungen des Gehirns zu tun, die den Verlust oder die partielle Beeinträchtigung des Gedächtnisses mit sich bringen. Die Neuroanatomie ist sein Forschungsgebiet.
Im Gespräch und in der Zusammenarbeit versuchen die Brüder das Rätsel des Gedächtnisses von beiden Seiten einzukreisen und für ihre Leser zu lüften. Gelingt ihnen das? Nun, soweit das auf dem heutigen Stand des Wissens möglich ist, geben sie Antworten, die an ein integriertes Verständnis heranführen. Integriert jedenfalls insofern, als dass sich alles in dem Buch um das Gedächtnis und um die Erinnerung dreht. Der Unterschied zwischen beiden ist, erfahren wir, dass das Gedächtnis seinen Inhalt entweder ganz oder gar nicht preisgibt, während die Erinnerung anhand von Bruchstücken rekonstruiert wird und somit geistige Arbeit erfordert.
Was für eine Art von Arbeit das ist, haben sich Geistesarbeiter seit Plato immer wieder gefragt und dabei Theorien geschaffen, in deren Mittelpunkt zumeist räumliche Vorstellungen stehen, der Palast des Gedächtnisses, dessen viele Gemächer mit Schätzen gefüllt sind. Diese Idee wurde auch zur Grundlage zahlreicher Techniken der Gedächtnisschulung, die vor allen Dingen von den Rhetorikern für die Unterweisung in der Kunst der freien Rede entwickelt wurden.
Der Gedächtnispalast und das Lagerhaus unserer Vorstellungen sind Behältermetaphern. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Annahme, dass es für verschiedene Inhalte verschiedene Behälter gibt, die in verschiedenen Abteilungen des Lagerhauses zu finden sind, eine Annahme, die ihre eigene Projektion auf das Gehirn nahe legt. Rechtfertigen lässt sich das – und hier ergreift der Neurologe das Wort – insoweit als dass es nicht ein Gedächtnis gibt sondern verschiedene funktionsspezifische Gedächtnisse: für Wörter, für Bilder, für Melodien, für Düfte und Geschmäcker, für Gefühle. Für die verschiedenen Sinneswahrnehmungen sind verschiedene Regionen des Gehirns verantwortlich, die daher auch relativ unabhängig voneinander geschädigt werden können.
Trotzdem ist es unmöglich, das Gedächtnis bzw. seine Abteilungen eindeutig zu lokalisieren. Immer wieder zeigt sich, dass scheinbar eindeutig lokalisierte Funktionen des Gehirns von anderen Regionen übernommen werden können. Das legt, erklären die Autoren, ein dynamisches Modell des Gedächtnisses nahe. Das Erinnern als geistige Arbeit hat als körperliche Entsprechung die Aktivierung von Synapsen in einem Neuronennetz, dessen Verbindungen im Laufe der körperlichen Reifung hergestellt werden und die im Alter absterben können.
Früchte des Vergessens
An vielen Beispielen versuchen die beiden Autoren die geistigen und körperlichen Aspekte und den engen Zusammenhang zwischen ihnen deutlich zu machen. So werden wir auf der einen Seite daran erinnert, wie Odysseus seine Gefährten, die bei den Lotophagen von der süßen Lotosfrucht gegessen hatten und nicht mehr an Heimkehr dachten, den Kräften des Vergessens entriss und lesen auf der folgenden, welche Drogen das Vergessen bewirken. „Bestimmte Wirkstoffe blockieren die Glutamatrezeptoren und unterbinden auf diese Weise die Aktivität bestimmter Neuronen, die für das Erinnern unerlässlich sind.” Ein rein körperlicher Vorgang.
Ähnliche Erklärungen gibt es für die relative Intensität von Gedächtnisspuren und ihren Zusammenhang mit Gefühlserregungen – die von einem Schock ausgelöste Amnesie oder für die Bedeutung der Wiederholung eines Sinnesreizes für seine neuronale Speicherung. Die in der Literatur immer wieder thematisierte Tatsache, dass dieselben Objekte und Ereignisse von verschiedenen Menschen grundverschieden erinnert werden, kann zumindest partiell durch genetische Unterschiede erklärt werden, ist doch das Individualgedächtnis ebenso wie andere Fähigkeiten eine Kombination aus Begabung und Training.
Viele Erklärungen und Hinweise auf Übereinstimmungen zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Deutungen der Gedächtnisleistung, die in diesem Buch gegeben werden, sind erhellend. Aber Fragen bleiben, und die Autoren leugnen es nicht. Die größte davon betrifft die Willensfreiheit, wenn es sie denn gibt. An manchen Stellen scheint sie vorausgesetzt zu werden, wenn es etwa heißt, dass „wir in unserem Gehirn Netze und Module anlegen, die es uns ermöglichen, bestimmte Erinnerungen sehr viel leichter zu erwerben als andere”. Wer „wir” ist, muss man sich da fragen. Ist das mit den Netzen und Modulen etwas, was wir machen oder was geschieht?
Tadié und Tadié sprechen davon, wie genetische Faktoren die Erinnerung der Gattung beeinflussen. Hier wir es schwierig ihnen zu folgen, denn wenn wir von der Gattung oder einer Ethnie reden, haben wir es nicht mehr mit einem Körper zu tun, sondern mit Tradition, und ob deren Mechanismen eine physische Grundlage haben, ist wieder ein anderes Rätsel. Der Körper, sagen die Autoren, „ist der unverzichtbare Mittler zwischen der Außenwelt und unserem Geist”. Welche zentrale Rolle für letzteren das Gedächtnis spielt, demonstrieren sie in auf vielfältige und eindrucksvolle Weise. Das Problem der Willensfreiheit bzw. des Zusammenhang von Körper und Geist freilich haben sie lediglich auf dem heutigen Stand des Wissens neu formuliert; ignorieren konnten sie, Erben der aristotelischen Tradition, in der sie stehen, es nicht.
FLORIAN COULMAS
JEAN-YVES & MARC TADIÉ: Im Gedächtnispalast. Eine Kulturgeschichte des Denkens. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 316 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Die Gebrüder Tadié erforschen das Gedächtnis mit den Mitteln der Geistes- und Naturwissenschaft
Wo suchen Sie, wenn Ihnen Ihr Pin-Code oder das Passwort Ihres Computers nicht einfällt? Erinnern Sie sich noch an den Namen Ihrer Grundschullehrerin? Falls ja, wo haben Sie dieses Stück Information all die Jahre bewahrt, und warum?! Beide Fragen sind schwer zu beantworten, ist doch das Gedächtnis der dunkelste aller Räume, die wir durchmessen können, und wie etwas dort hineingerät und dort bleibt, ist ein großes Geheimnis. Das Gedächtnis als Raum zu betrachten, ist heute mehr als eine Metapher; wir wissen, dass es eine räumliche Ausdehnung, eine Materialität hat und wo das ist, im Gehirn.
Aber wie wir Inhalte dort unterbringen; wer – welcher Teil unserer Person – dort sucht, wenn wir versuchen uns eines Namens, einer Melodie, eines Wortes zu entsinnen, die uns entfallen sind, von denen wir aber sicher sind, dass sie irgendwo sein müssen, das sind Fragen, die uns in unserer Existenz berühren.
Das Erinnern ist eine geistige Tätigkeit, die durch körperliche Vorgänge realisiert wird, nämliche durch elektrische Schaltungen und biochemische Prozesse in unserem Gehirn. Das sind die beiden Seiten des alten Problems von Körper und Geist. Wer verstehen will, wie das Gedächtnis funktioniert, kommt an diesem Problem nicht vorbei. Die Wissenschaft ist arbeitsteilig organisiert. Die einen beschäftigen sich mit dem Geist, die anderen mit dem Körper, und beide finden es nicht immer einfach, miteinander zu reden. Familienbande können da von Nutzen sein, die Gräben zwischen den Disziplinen zu überbrücken.
Palast mit Gerümpelkammer
Eben dies haben die Autoren des vorliegenden Buchs, die Gebrüder Tadié, unternommen. Der eine, Jean-Yves, ist in der Welt des Geistes zuhause, er ist Professor für französische Literatur an der Pariser Sorbonne. Der andere, Marc, ist Direktor des neurochirurgischen Instituts der Universität Paris IX. Mit dem Gedächtnis haben beide zu tun. Jean-Yves ist nicht nur Biograph und Herausgeber der Werke Marcel Prousts, dessen literarisches Zentralthema die Erinnerung war; er hat sich auch ausführlich mit dem Gedächtnis als Topos der europäischen Geistesgeschichte beschäftigt. Und Marc hat täglich mit Kopfverletzungen und anderen Schädigungen des Gehirns zu tun, die den Verlust oder die partielle Beeinträchtigung des Gedächtnisses mit sich bringen. Die Neuroanatomie ist sein Forschungsgebiet.
Im Gespräch und in der Zusammenarbeit versuchen die Brüder das Rätsel des Gedächtnisses von beiden Seiten einzukreisen und für ihre Leser zu lüften. Gelingt ihnen das? Nun, soweit das auf dem heutigen Stand des Wissens möglich ist, geben sie Antworten, die an ein integriertes Verständnis heranführen. Integriert jedenfalls insofern, als dass sich alles in dem Buch um das Gedächtnis und um die Erinnerung dreht. Der Unterschied zwischen beiden ist, erfahren wir, dass das Gedächtnis seinen Inhalt entweder ganz oder gar nicht preisgibt, während die Erinnerung anhand von Bruchstücken rekonstruiert wird und somit geistige Arbeit erfordert.
Was für eine Art von Arbeit das ist, haben sich Geistesarbeiter seit Plato immer wieder gefragt und dabei Theorien geschaffen, in deren Mittelpunkt zumeist räumliche Vorstellungen stehen, der Palast des Gedächtnisses, dessen viele Gemächer mit Schätzen gefüllt sind. Diese Idee wurde auch zur Grundlage zahlreicher Techniken der Gedächtnisschulung, die vor allen Dingen von den Rhetorikern für die Unterweisung in der Kunst der freien Rede entwickelt wurden.
Der Gedächtnispalast und das Lagerhaus unserer Vorstellungen sind Behältermetaphern. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Annahme, dass es für verschiedene Inhalte verschiedene Behälter gibt, die in verschiedenen Abteilungen des Lagerhauses zu finden sind, eine Annahme, die ihre eigene Projektion auf das Gehirn nahe legt. Rechtfertigen lässt sich das – und hier ergreift der Neurologe das Wort – insoweit als dass es nicht ein Gedächtnis gibt sondern verschiedene funktionsspezifische Gedächtnisse: für Wörter, für Bilder, für Melodien, für Düfte und Geschmäcker, für Gefühle. Für die verschiedenen Sinneswahrnehmungen sind verschiedene Regionen des Gehirns verantwortlich, die daher auch relativ unabhängig voneinander geschädigt werden können.
Trotzdem ist es unmöglich, das Gedächtnis bzw. seine Abteilungen eindeutig zu lokalisieren. Immer wieder zeigt sich, dass scheinbar eindeutig lokalisierte Funktionen des Gehirns von anderen Regionen übernommen werden können. Das legt, erklären die Autoren, ein dynamisches Modell des Gedächtnisses nahe. Das Erinnern als geistige Arbeit hat als körperliche Entsprechung die Aktivierung von Synapsen in einem Neuronennetz, dessen Verbindungen im Laufe der körperlichen Reifung hergestellt werden und die im Alter absterben können.
Früchte des Vergessens
An vielen Beispielen versuchen die beiden Autoren die geistigen und körperlichen Aspekte und den engen Zusammenhang zwischen ihnen deutlich zu machen. So werden wir auf der einen Seite daran erinnert, wie Odysseus seine Gefährten, die bei den Lotophagen von der süßen Lotosfrucht gegessen hatten und nicht mehr an Heimkehr dachten, den Kräften des Vergessens entriss und lesen auf der folgenden, welche Drogen das Vergessen bewirken. „Bestimmte Wirkstoffe blockieren die Glutamatrezeptoren und unterbinden auf diese Weise die Aktivität bestimmter Neuronen, die für das Erinnern unerlässlich sind.” Ein rein körperlicher Vorgang.
Ähnliche Erklärungen gibt es für die relative Intensität von Gedächtnisspuren und ihren Zusammenhang mit Gefühlserregungen – die von einem Schock ausgelöste Amnesie oder für die Bedeutung der Wiederholung eines Sinnesreizes für seine neuronale Speicherung. Die in der Literatur immer wieder thematisierte Tatsache, dass dieselben Objekte und Ereignisse von verschiedenen Menschen grundverschieden erinnert werden, kann zumindest partiell durch genetische Unterschiede erklärt werden, ist doch das Individualgedächtnis ebenso wie andere Fähigkeiten eine Kombination aus Begabung und Training.
Viele Erklärungen und Hinweise auf Übereinstimmungen zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Deutungen der Gedächtnisleistung, die in diesem Buch gegeben werden, sind erhellend. Aber Fragen bleiben, und die Autoren leugnen es nicht. Die größte davon betrifft die Willensfreiheit, wenn es sie denn gibt. An manchen Stellen scheint sie vorausgesetzt zu werden, wenn es etwa heißt, dass „wir in unserem Gehirn Netze und Module anlegen, die es uns ermöglichen, bestimmte Erinnerungen sehr viel leichter zu erwerben als andere”. Wer „wir” ist, muss man sich da fragen. Ist das mit den Netzen und Modulen etwas, was wir machen oder was geschieht?
Tadié und Tadié sprechen davon, wie genetische Faktoren die Erinnerung der Gattung beeinflussen. Hier wir es schwierig ihnen zu folgen, denn wenn wir von der Gattung oder einer Ethnie reden, haben wir es nicht mehr mit einem Körper zu tun, sondern mit Tradition, und ob deren Mechanismen eine physische Grundlage haben, ist wieder ein anderes Rätsel. Der Körper, sagen die Autoren, „ist der unverzichtbare Mittler zwischen der Außenwelt und unserem Geist”. Welche zentrale Rolle für letzteren das Gedächtnis spielt, demonstrieren sie in auf vielfältige und eindrucksvolle Weise. Das Problem der Willensfreiheit bzw. des Zusammenhang von Körper und Geist freilich haben sie lediglich auf dem heutigen Stand des Wissens neu formuliert; ignorieren konnten sie, Erben der aristotelischen Tradition, in der sie stehen, es nicht.
FLORIAN COULMAS
JEAN-YVES & MARC TADIÉ: Im Gedächtnispalast. Eine Kulturgeschichte des Denkens. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 316 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Florian Coulmas hat dieses Buch der Brüder Jean-Yves und Marc Tadie über das menschliche Gedächtnis mit großem Interesse gelesen. Da Jean-Yves Tadie Professor für französische Literatur an der Sorbonne und Marc Tadie Direktor des neurochirurgischen Instituts in Paris ist, stellt ihre Zusammenarbeit eine lohnenswerte Erforschung des Themas auf physischer und geistiger Ebene dar, lobt der Rezensent. Das "Rätsel des Gedächtnisses" können die Autoren zwar nicht vollends lösen, und es bleiben auch nach der Lektüre Fragen offen, gibt Coulmas zu. Doch findet er insbesondere die Fingerzeige auf Entsprechungen zwischen "geistes- und naturwissenschaftlichen Deutungen der Gedächtnisleistung" sehr anschaulich und informativ. Auch der auf "vielfältige und eindrucksvolle Weise" demonstrierte Einfluss, den der Körper auf das Gedächtnis hat, lobt der Rezensent als gelungen. Den "Zusammenhang von Körper und Geist" allerdings können die Autoren genauso wenig klären wie das "Problem der Willensfreiheit", schränkt Coulmas ein. Hier referieren sie lediglich den Stand der Forschung, etwas Neues können sie nicht dazu beitragen, so der Rezensent ein bisschen enttäuscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH