Joachim Fests Buch ist vieles in einem: Reisejournal unud Protokoll von Begegnungen mit Dichtern, Malern, Bildhauern und mehr noch mit einer Vielzahl unbekannter Gesprächspartner. Es enthält Landschaftsschilderungen, Porträts und Reflexionen. Auf Reisen erlebt man nicht nur die Fremde, sondern auch das eigene Ich. Und so wird der Leser, während er den Eintragungen von Tag zu Tag folgt, nicht nur mehr von Italien, sondern auch mehr von sich selbst verstehen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2004Erfüllung eines Jugendtraums
Joachim Fest liest in Bad Vilbel
Er steht im Gegenlicht, denn er kommt aus dem Süden. Mitnichten also wandert er in den Spuren Goethes, Burckhardts oder Nietzsches, obwohl er die Werke der klassisch-romantischen Italien-Touristen in- und auswendig kennt. Von Sizilien über Neapel nach Rom hat sich Joachim Fest, ehemaliger Mitherausgeber dieser Zeitung, eigene Wege gebahnt. Sie führen ihn zurück in die Jugend, als er noch davon geträumt hatte, ein Buch über einen italienischen Renaissance-Menschen zu schreiben, über einen frühen Universalisten etwa wie Kaiser Friedrich II., dessen süditalienisches Königreich er vielleicht nicht ganz ohne Wehmut bereist hat. Mit seinem Reisetagebuch, das 1989 unter dem Titel "Im Gegenlicht" bei Siedler erschien und jetzt bei Rowohlt neu aufgelegt wurde, hat sich Fest diesen Jugendtraum spät erfüllt.
Das verriet er jetzt dem Publikum in Bad Vilbel, wo er im Festspielhof der Wasserburg an der Nidda aus seinem eigenen Lieblingsbuch las. Und er verriet noch mehr: daß er nämlich ein Stück europäischer Kultur und klassischer Schönheit im Wort festhalten wollte, bevor sie sich an den Küsten des Mittelmeers vollends in Beton verwandelten. Eine enttäuschende Reise mit seinem Sohn Alexander an der Côte d'Azur entlang hatte ihn bewogen, sich dem Jugendtraum wieder zuzuwenden, von dem ihn zuerst der Rias Berlin und dann die Amerikaner zugunsten der Erforschung des Nationalsozialismus abgebracht hatten. Den letzten Anstoß hatte ihm eine Italien-Reise mit einem Freund gegeben, der sich aus dem gemeinsamen Notate-Projekt zurückzog und Fest damit zum Alleingang in der Villa Massimo provozierte. Natürlich findet sich der Alleingänger dann doch in den Spuren seiner klassischen Vorgänger wieder. Er besteigt sogar den Vesuv während eines Ausbruchs - soviel Glück hatten nicht einmal Goethe und Humboldt. Aber wie heißt es an anderer Stelle im Buch: "Glück ist nichts anderes als Talent für das Schicksal." Ein bißchen freilich gehört dazu die richtige Protektion, die den Reisenden an den Carabinieri vorbeischleust, oder ein Freund, ein Kollege, der, ganz neapolitanisch, seine Beziehungen spielen läßt.
Genre-Szenen wechseln mit archaischen Bildern inmitten moderner Schnellebigkeit, mit historischen Anekdoten, Gesprächen und Sentenzen, die das traditionelle deutsche Italien-Klischee ins Gegenlicht rücken, um den Umriß zu schärfen. Italien - das ist für Fest nicht nur Harlekin, sondern auch Savonarola, Borgia, Machiavelli und das Heer der Condottieri. Licht fällt aus italienischem Blickwinkel auch auf die Deutschen: Ob in der Uniform oder im Büßerhemd, stets versuchten sie, andere zu unterjochen, und sei es, indem sie den Nachbarn ihre eigenen Krisenängste aufzwingen.
CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Joachim Fest liest in Bad Vilbel
Er steht im Gegenlicht, denn er kommt aus dem Süden. Mitnichten also wandert er in den Spuren Goethes, Burckhardts oder Nietzsches, obwohl er die Werke der klassisch-romantischen Italien-Touristen in- und auswendig kennt. Von Sizilien über Neapel nach Rom hat sich Joachim Fest, ehemaliger Mitherausgeber dieser Zeitung, eigene Wege gebahnt. Sie führen ihn zurück in die Jugend, als er noch davon geträumt hatte, ein Buch über einen italienischen Renaissance-Menschen zu schreiben, über einen frühen Universalisten etwa wie Kaiser Friedrich II., dessen süditalienisches Königreich er vielleicht nicht ganz ohne Wehmut bereist hat. Mit seinem Reisetagebuch, das 1989 unter dem Titel "Im Gegenlicht" bei Siedler erschien und jetzt bei Rowohlt neu aufgelegt wurde, hat sich Fest diesen Jugendtraum spät erfüllt.
Das verriet er jetzt dem Publikum in Bad Vilbel, wo er im Festspielhof der Wasserburg an der Nidda aus seinem eigenen Lieblingsbuch las. Und er verriet noch mehr: daß er nämlich ein Stück europäischer Kultur und klassischer Schönheit im Wort festhalten wollte, bevor sie sich an den Küsten des Mittelmeers vollends in Beton verwandelten. Eine enttäuschende Reise mit seinem Sohn Alexander an der Côte d'Azur entlang hatte ihn bewogen, sich dem Jugendtraum wieder zuzuwenden, von dem ihn zuerst der Rias Berlin und dann die Amerikaner zugunsten der Erforschung des Nationalsozialismus abgebracht hatten. Den letzten Anstoß hatte ihm eine Italien-Reise mit einem Freund gegeben, der sich aus dem gemeinsamen Notate-Projekt zurückzog und Fest damit zum Alleingang in der Villa Massimo provozierte. Natürlich findet sich der Alleingänger dann doch in den Spuren seiner klassischen Vorgänger wieder. Er besteigt sogar den Vesuv während eines Ausbruchs - soviel Glück hatten nicht einmal Goethe und Humboldt. Aber wie heißt es an anderer Stelle im Buch: "Glück ist nichts anderes als Talent für das Schicksal." Ein bißchen freilich gehört dazu die richtige Protektion, die den Reisenden an den Carabinieri vorbeischleust, oder ein Freund, ein Kollege, der, ganz neapolitanisch, seine Beziehungen spielen läßt.
Genre-Szenen wechseln mit archaischen Bildern inmitten moderner Schnellebigkeit, mit historischen Anekdoten, Gesprächen und Sentenzen, die das traditionelle deutsche Italien-Klischee ins Gegenlicht rücken, um den Umriß zu schärfen. Italien - das ist für Fest nicht nur Harlekin, sondern auch Savonarola, Borgia, Machiavelli und das Heer der Condottieri. Licht fällt aus italienischem Blickwinkel auch auf die Deutschen: Ob in der Uniform oder im Büßerhemd, stets versuchten sie, andere zu unterjochen, und sei es, indem sie den Nachbarn ihre eigenen Krisenängste aufzwingen.
CLAUDIA SCHÜLKE
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