Thomas' Mörder kam, als die Eltern auf einem Bowlingabend waren. Er stieg in das Haus ein und erstach den ahnungslosen 10-Jährigen in seinem Bett. Ohne Anlass, der Junge war ein zufälliges Opfer. Kann so jemand, nach Verbüßung einer mehrjährigen Haft, wieder freigelassen werden, oder müssen wir damit rechnen, dass er wieder mordet? Das muss Professor Kury entscheiden, der in diesem wie in vielen anderen dramatischen Fällen als Gutachter auftritt. Ob der Terrorist Christian Klar, ob Sexual- oder Gewaltverbrecher: Kury muss herauszufinden versuchen, was diese Menschen zu ihren Taten bewegt. Sind es Menschen, die durch eine einzelne Begebenheit aus der Bahn geworfen wurden, oder gingen sie gezielt und planvoll vor oder aber handelten sie ohne jeden erkennbaren Anlass? Und was bedeutet das für die Wiederholungsgefahr? Kury schildert präzise und farbig die Fälle und wie er sie eingeschätzt hat. Und er stellt Fragen, die alle Bürger bewegen müssen: Sind Strafen sinnvoll? Welche Strafen? Und wer schützt Menschen, die in die Mühlen der Psychiatrie gerieten, davor, dass sie für immer weggesperrt werden? Aber auch: Wer bewahrt uns vor falschen Gutachten und deren - möglicherweise - tödlichen Folgen?
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
An Helmut Kurys neuem Buch "Im Gehirn des Bösen" hat Rezensentin Karin Truscheit einiges auszusetzen. Zunächst missfällt der Kritikerin der Titel des Buches, der den Leser auf eine falsche Fährte führe. Denn Truscheit erfährt hier nicht, warum Täter vergewaltigen, morden oder sonstige Verbrechen begehen, sondern liest vielmehr einen Überblick einiger Fälle, die der Kriminologe und emeritierte Professor für forensische Psychologie in seiner Laufbahn erlebt hat. Dabei versuche Kury häufig vergeblich, Tat und Mörderbiografie auszutauschen, um die Täter nicht kenntlich zu machen. Darüber hinaus erscheint der Rezensentin Kurys Erklärung, dass Täter meist aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen, zu einseitig. Überhaupt liest Truscheit hier die ein oder andere Binsenweisheit, etwa dass Kriminalität nun mal zur Gesellschaft gehöre. Auch die interessanten Einblicke in die Arbeit eines psychologischen Gutachters - etwa über den Entscheidungsprozess inwieweit ein Täter noch als "gefährlich" einzustufen sei - empfindet die Rezensentin auf Dauer durch häufige Wiederholungen zu "langatmig". Neben den zahlreichen Widersprüchen, die dieses Buch aufweist, stört die Kritikerin insbesondere Kurys starke Täterzentrierung, die im Hinblick auf die Schwere der Taten nicht immer ganz nachzuvollziehen sei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2014Im Zweifel für die Fehlprognose?
Täterversteher: Der forensische Psychologe Helmut Kury verspricht Einblicke in das Wesen des Bösen
Man kann nur hoffen, dass Helmut Kury keinen Einfluss auf den Titel seines Buches gehabt hat. Denn "Im Gehirn des Bösen" bringt genau das zum Ausdruck, wogegen er sich im Buch immer wieder verwahrt: die Sensationshascherei der medialen Öffentlichkeit bei aufsehenerregenden Mordfällen. Doch allein schon der Untertitel "Die spektakulärsten Fälle eines Gerichtsgutachters" stellt das Buch in die lange Reihe von Tatortreinigern, Gerichtsmedizinern, Polizeikommissaren und Strafverteidigern, die nun auch als Sachbuchautoren das immer funktionierende Sex-and-Crime-Genre bedienen wollen.
Es dauert genau neunundzwanzig Zeilen, bis das erste Mal ein Messer zusticht. Wie in einem Krimi ("Ihre aufkommende Angst dringt nicht zu ihm durch") schildert Kury die Stichfolge und das letzte Aufbäumen eines Mädchens gegen ihren Angreifer, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Die Fälle, die der Kriminologe und emeritierte Professor für forensische Psychologie schildert, basieren auf authentischen Taten. Begangen wurden sie von Männern, über die Kury später ein Gutachten erstellt hat. Er zerlegt dabei die Fälle in ihre Einzelheiten und tauscht zwischen den Fällen Tatbegehung und Mörderbiographie aus, damit man die handelnden Personen nicht erkennt, was nicht immer gelingt und gerade auch den Angehörigen der Opfer nicht recht sein dürfte. Sieben seiner "spektakulärsten Fälle" stellt er als diese Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit vor.
Immer wieder kritisiert er dabei die Medien, die den Täter nur als "Monster" darstellten und wenig über die Hintergründe erklärten. Kury will daher anhand der Biographien der Täter zeigen, dass es meist die als Kinder Geprügelten und der Verrohung Anheimgegebenen sind, die als junge Männer dann diese grausamen Taten begehen. "Diese Sozialisationsschäden entschuldigen nicht straffälliges Verhalten, aber sie können es erklären." Das kann man auch anders sehen, denn es ist nicht immer der Regelfall, wenn man allein an den Mörder Jakob von Metzlers oder an Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos denkt. Sie alle wurden in einem stabilen Zuhause groß, wie viel Zuwendung auch immer im Spiel gewesen sein mag. So muss es doch noch einiges mehr geben, was einen Menschen dazu bringt, zum Mörder zu werden.
Nebenbei beschreibt Kury, was für die Arbeit eines Gutachters seiner Meinung nach wichtig und kriminalpolitisch in Deutschland defizitär ist. Diese Ausführungen sind insofern interessant, als einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, was alles relevant ist, um zu entscheiden, ob ein verurteilter Straftäter noch als "zu gefährlich" für eine Entlassung gilt oder auch nicht: Hält er sich im Vollzug an die Regeln? Bekommt er regelmäßig Besuch? Entscheidet er sich für eine Therapie? Suchte er sich ein fremdes Opfer, oder war es eine Beziehungstat - was sich eher positiv auf eine Prognose auswirken kann? Hatte er jemals eine stabile Beziehung zu Angehörigen, Freunden, einer Partnerin? Wie stabil ist der "soziale Empfangsraum" nach der Entlassung? Oder erwarten ihn am Gefängnistor nur unzählige Möglichkeiten, wieder Straftaten zu begehen?
Was die Aussagekraft dieser Informationen schmälert, sind die zahlreichen Wiederholungen, die zur Langatmigkeit beitragen. Ein strafferes Lektorat hätte dem Buch gutgetan. In der Verantwortung des Autors hingegen liegen die vielen Widersprüche: In dem Kapitel "Therapie bei (Sexual-)Straftätern" schreibt er: "Dass wir alle möglichst viel Sicherheit wollen, ist verständlich und natürlich. Allerdings kann es nicht nur um Sicherheit vor Straftaten gehen, sondern ebenso etwa um Sicherheit im Straßenverkehr oder vor Naturkatastrophen." Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Dass es keine Gesellschaft ohne Kriminalität gibt, ist eine Binse, die Kury immer wieder auftischt.
Gänzlich wirr wird es, wenn er allen Ernstes als Argument für das seiner Meinung nach heutzutage übertriebene Sicherheitsbedürfnis anführt, dass "im Mittelalter die Tötungskriminalität deutlich höher war als heute". Ist das beruhigend? Sein Argument, die Diskussion über die Gefährlichkeit von entlassenen Mördern sei übertrieben, weil die Zahl der Tötungsdelikte in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sei, führt er selbst ad absurdum: Denn im Kapitel "Dunkelfeld" zeigt Kury, wie wenig die Kriminalstatistik über die wirkliche Kriminalitätsbelastung aussagt, da die Dunkelziffer - gerade beim sexuellen Missbrauch - enorm sei und zum Beispiel viele Tötungsdelikte durch fehlende Obduktionen und schlampige Leichenschauen nicht entdeckt würden. Was denn jetzt? Gibt es immer weniger Tötungsdelikte, können wir uns sicher fühlen, oder lauert das Böse unentdeckt an jeder Ecke?
Der Widerspruch steckt auch in seinen Ausführungen zur Rückfallproblematik. Wenn er eine Studie zitiert und niedrige Rückfallquoten von Entlassenen anführt, die eigentlich alle eine schlechte Prognose hatten, dann widerspricht er sich mit seiner Dunkelfeld-Analyse auch hier: Woher will man dann wissen, dass die Männer nach der Haft wirklich nichts verbrochen haben? Zudem er selbst zu Recht den oft zu kurzen Zeitraum von zwei, drei Jahren anführt, innerhalb dessen die Legalbewährung beobachtet wird. Was ist, wenn der Mord nach sieben Jahren passiert?
Der Gesellschaft bürdet er zwar auf, dass sie mit dem Risiko einer Fehlprognose zu Ungunsten eines potentiellen Opfers leben müsse. Denn die Haltung: "Lieber einer zu viel in Haft als einer zu wenig" will der Autor nicht gelten lassen und fragt: "Was, wenn es das eigene Schicksal wäre?" Verkürzt heißt das: Weitere Tote sind zu ertragen, in Haft oder Sicherungsverwahrung Lebende jedoch nicht.
Kurys Täterzentrierung ist ein durchgängiges Motiv des Buches. Das kann sinnvoll sein, etwa, wenn er beschreibt, wie wichtig ausreichende Therapiemöglichkeiten, auch ambulanter Art nach der Haft, für die Resozialisierung der Täter sind. Oder wenn er hervorhebt, dass eine Gesellschaft noch genauer hinschauen muss, wenn verwahrloste Kinder in Kindergarten und Schule schon früh abweichendes Verhalten zeigen.
Doch zu oft liest man Sätze, die von einem Verständnis für die Täter zeugen, das angesichts der Taten abstößt. Zum Beispiel, wenn er auf die verschiedenen Typen von Pädophilen zu sprechen kommt. So nennt er "Kernpädophile", die ihre "Befriedigung aufgrund ihrer sexuellen Präferenz aber nur mit einem Kind erleben - was bedeutet, dass sie angesichts unserer Gesetzeslage (zu Recht natürlich) weitgehend auf erfüllende Sexualität verzichten müssen". Hier liest sich das Wort "Gesetzeslage" samt Klammer wie eine bürokratische Hürde und nicht als moralischer Konsens, um Kinder vor den Übergriffen von Männern zu schützen, die ihre pervertierten Gelüste ausleben.
Warum Täter vergewaltigen, quälen, morden, diese Antwort, die der Titel des Buches so reißerisch in Aussicht stellt, bleibt Helmut Kury schuldig. Wie könnte es anders sein. Weder er noch irgendein Gutachter sonst auf der Welt wird jemals ergründen können, was in dem Gehirn eines Guten oder Bösen vorgeht. Die Konsequenz kann deshalb nur sein, für eine Risikoabschätzung das in den Vordergrund zu stellen, was man analysieren kann - die Tat.
KARIN TRUSCHEIT.
Helmut Kury: "Im Gehirn des Bösen". Die spektakulärsten Fälle eines Gerichtsgutachters.
Piper Verlag, München 2014. 302 S., geb., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Täterversteher: Der forensische Psychologe Helmut Kury verspricht Einblicke in das Wesen des Bösen
Man kann nur hoffen, dass Helmut Kury keinen Einfluss auf den Titel seines Buches gehabt hat. Denn "Im Gehirn des Bösen" bringt genau das zum Ausdruck, wogegen er sich im Buch immer wieder verwahrt: die Sensationshascherei der medialen Öffentlichkeit bei aufsehenerregenden Mordfällen. Doch allein schon der Untertitel "Die spektakulärsten Fälle eines Gerichtsgutachters" stellt das Buch in die lange Reihe von Tatortreinigern, Gerichtsmedizinern, Polizeikommissaren und Strafverteidigern, die nun auch als Sachbuchautoren das immer funktionierende Sex-and-Crime-Genre bedienen wollen.
Es dauert genau neunundzwanzig Zeilen, bis das erste Mal ein Messer zusticht. Wie in einem Krimi ("Ihre aufkommende Angst dringt nicht zu ihm durch") schildert Kury die Stichfolge und das letzte Aufbäumen eines Mädchens gegen ihren Angreifer, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Die Fälle, die der Kriminologe und emeritierte Professor für forensische Psychologie schildert, basieren auf authentischen Taten. Begangen wurden sie von Männern, über die Kury später ein Gutachten erstellt hat. Er zerlegt dabei die Fälle in ihre Einzelheiten und tauscht zwischen den Fällen Tatbegehung und Mörderbiographie aus, damit man die handelnden Personen nicht erkennt, was nicht immer gelingt und gerade auch den Angehörigen der Opfer nicht recht sein dürfte. Sieben seiner "spektakulärsten Fälle" stellt er als diese Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit vor.
Immer wieder kritisiert er dabei die Medien, die den Täter nur als "Monster" darstellten und wenig über die Hintergründe erklärten. Kury will daher anhand der Biographien der Täter zeigen, dass es meist die als Kinder Geprügelten und der Verrohung Anheimgegebenen sind, die als junge Männer dann diese grausamen Taten begehen. "Diese Sozialisationsschäden entschuldigen nicht straffälliges Verhalten, aber sie können es erklären." Das kann man auch anders sehen, denn es ist nicht immer der Regelfall, wenn man allein an den Mörder Jakob von Metzlers oder an Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos denkt. Sie alle wurden in einem stabilen Zuhause groß, wie viel Zuwendung auch immer im Spiel gewesen sein mag. So muss es doch noch einiges mehr geben, was einen Menschen dazu bringt, zum Mörder zu werden.
Nebenbei beschreibt Kury, was für die Arbeit eines Gutachters seiner Meinung nach wichtig und kriminalpolitisch in Deutschland defizitär ist. Diese Ausführungen sind insofern interessant, als einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, was alles relevant ist, um zu entscheiden, ob ein verurteilter Straftäter noch als "zu gefährlich" für eine Entlassung gilt oder auch nicht: Hält er sich im Vollzug an die Regeln? Bekommt er regelmäßig Besuch? Entscheidet er sich für eine Therapie? Suchte er sich ein fremdes Opfer, oder war es eine Beziehungstat - was sich eher positiv auf eine Prognose auswirken kann? Hatte er jemals eine stabile Beziehung zu Angehörigen, Freunden, einer Partnerin? Wie stabil ist der "soziale Empfangsraum" nach der Entlassung? Oder erwarten ihn am Gefängnistor nur unzählige Möglichkeiten, wieder Straftaten zu begehen?
Was die Aussagekraft dieser Informationen schmälert, sind die zahlreichen Wiederholungen, die zur Langatmigkeit beitragen. Ein strafferes Lektorat hätte dem Buch gutgetan. In der Verantwortung des Autors hingegen liegen die vielen Widersprüche: In dem Kapitel "Therapie bei (Sexual-)Straftätern" schreibt er: "Dass wir alle möglichst viel Sicherheit wollen, ist verständlich und natürlich. Allerdings kann es nicht nur um Sicherheit vor Straftaten gehen, sondern ebenso etwa um Sicherheit im Straßenverkehr oder vor Naturkatastrophen." Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Dass es keine Gesellschaft ohne Kriminalität gibt, ist eine Binse, die Kury immer wieder auftischt.
Gänzlich wirr wird es, wenn er allen Ernstes als Argument für das seiner Meinung nach heutzutage übertriebene Sicherheitsbedürfnis anführt, dass "im Mittelalter die Tötungskriminalität deutlich höher war als heute". Ist das beruhigend? Sein Argument, die Diskussion über die Gefährlichkeit von entlassenen Mördern sei übertrieben, weil die Zahl der Tötungsdelikte in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sei, führt er selbst ad absurdum: Denn im Kapitel "Dunkelfeld" zeigt Kury, wie wenig die Kriminalstatistik über die wirkliche Kriminalitätsbelastung aussagt, da die Dunkelziffer - gerade beim sexuellen Missbrauch - enorm sei und zum Beispiel viele Tötungsdelikte durch fehlende Obduktionen und schlampige Leichenschauen nicht entdeckt würden. Was denn jetzt? Gibt es immer weniger Tötungsdelikte, können wir uns sicher fühlen, oder lauert das Böse unentdeckt an jeder Ecke?
Der Widerspruch steckt auch in seinen Ausführungen zur Rückfallproblematik. Wenn er eine Studie zitiert und niedrige Rückfallquoten von Entlassenen anführt, die eigentlich alle eine schlechte Prognose hatten, dann widerspricht er sich mit seiner Dunkelfeld-Analyse auch hier: Woher will man dann wissen, dass die Männer nach der Haft wirklich nichts verbrochen haben? Zudem er selbst zu Recht den oft zu kurzen Zeitraum von zwei, drei Jahren anführt, innerhalb dessen die Legalbewährung beobachtet wird. Was ist, wenn der Mord nach sieben Jahren passiert?
Der Gesellschaft bürdet er zwar auf, dass sie mit dem Risiko einer Fehlprognose zu Ungunsten eines potentiellen Opfers leben müsse. Denn die Haltung: "Lieber einer zu viel in Haft als einer zu wenig" will der Autor nicht gelten lassen und fragt: "Was, wenn es das eigene Schicksal wäre?" Verkürzt heißt das: Weitere Tote sind zu ertragen, in Haft oder Sicherungsverwahrung Lebende jedoch nicht.
Kurys Täterzentrierung ist ein durchgängiges Motiv des Buches. Das kann sinnvoll sein, etwa, wenn er beschreibt, wie wichtig ausreichende Therapiemöglichkeiten, auch ambulanter Art nach der Haft, für die Resozialisierung der Täter sind. Oder wenn er hervorhebt, dass eine Gesellschaft noch genauer hinschauen muss, wenn verwahrloste Kinder in Kindergarten und Schule schon früh abweichendes Verhalten zeigen.
Doch zu oft liest man Sätze, die von einem Verständnis für die Täter zeugen, das angesichts der Taten abstößt. Zum Beispiel, wenn er auf die verschiedenen Typen von Pädophilen zu sprechen kommt. So nennt er "Kernpädophile", die ihre "Befriedigung aufgrund ihrer sexuellen Präferenz aber nur mit einem Kind erleben - was bedeutet, dass sie angesichts unserer Gesetzeslage (zu Recht natürlich) weitgehend auf erfüllende Sexualität verzichten müssen". Hier liest sich das Wort "Gesetzeslage" samt Klammer wie eine bürokratische Hürde und nicht als moralischer Konsens, um Kinder vor den Übergriffen von Männern zu schützen, die ihre pervertierten Gelüste ausleben.
Warum Täter vergewaltigen, quälen, morden, diese Antwort, die der Titel des Buches so reißerisch in Aussicht stellt, bleibt Helmut Kury schuldig. Wie könnte es anders sein. Weder er noch irgendein Gutachter sonst auf der Welt wird jemals ergründen können, was in dem Gehirn eines Guten oder Bösen vorgeht. Die Konsequenz kann deshalb nur sein, für eine Risikoabschätzung das in den Vordergrund zu stellen, was man analysieren kann - die Tat.
KARIN TRUSCHEIT.
Helmut Kury: "Im Gehirn des Bösen". Die spektakulärsten Fälle eines Gerichtsgutachters.
Piper Verlag, München 2014. 302 S., geb., 14,99 [Euro].
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"Dieses Sachbuch ist spannender als jeder Thriller, denn die hier vorgestellten Kriminalfälle sind real. (...) Schockierend und faszinierend.", vonmainbergsbuechertipps.wordpress.com, 03.06.2014 20151120