Zurück zur Abschottung der Konfessionen? Nein. Aber auch keine Verwischung der Unterschiede. Denn das Unterscheidende ist nicht das Trennende. Der Ratsvorsitzende der EKD fordert Mut zum Bekenntnis und Respekt vor unterschiedlichen Traditionen. Was es braucht: Klare Profile statt diffuser Undeutlichkeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2007Auf halbem Weg
Bischof Hubers "Im Geist der Freiheit" / Von Kardinal Walter Kasper
Bei der Begegnung mit Papst Benedikt XVI. im August 2005 gebrauchte Bischof Wolfgang Huber (Berlin) als Vorsitzender des Rates der EKD erstmals den Begriff Ökumene der Profile. Seither wird über dieses Stich- und Programmwort, das auch innerevangelisch nicht unumstritten ist, lebhaft diskutiert. Es ist zu begrüßen, dass Bischof Huber dazu jetzt ein Buch veröffentlicht hat, das hilft, über das von ihm formulierte Programm sachlich zu diskutieren.
Das Buch holt weit aus und beginnt in der ersten Hälfte mit den gemeinsamen Herausforderungen. Vor allem in Europa will Bischof Huber gemeinsam die Prägekraft des Christentums stärken. In diesen beiden ersten Kapiteln ist er bei seinem alten Metier als Sozialethiker. Es gelingen ihm viele gute und griffige Formulieren. Die einseitige Ableitung der modernen Menschenrechts- und Freiheitsvorstellungen aus der Reformation überrascht zwar und verlangt ebenso wie die These von der "Kirche der Freiheit" auch nach anerkannten evangelischen Autoren wie Ernst Troeltsch und Gerhard Ebeling historisch nach einigen Differenzierungen. Doch in der Sache werden katholische Leser weitestgehend Zustimmung signalisieren können, was praktisch heißt, dass die bewährte Zusammenarbeit der beiden großen Kirchen in Deutschland in wichtigen ethischen Fragen wie auf dem sozialen und politischen Gebiet weitergehen kann. Das ist nicht wenig, und es ist dankbar zu begrüßen.
Zur ökumenischen Sache im engeren Sinn kommt das Buch in der zweiten Hälfte, wo es um die unterschiedlichen theologischen Profile geht. Sie betreffen vor allem das Verständnis der Kirche und des kirchlichen Amtes. Erleichtert wird man feststellen, dass bei aller Herausstellung der weiterbestehenden Unterschiede nicht nur das törichte Gerede von einer ökumenischen Eiszeit abserviert wird; deutlich ist auch, dass Ökumene der Profile nicht ökumenische Profilierung oder gar Abgrenzung meint. Richtig an diesem Begriff ist, dass es nicht um eine Schummelökumene oder um eine Kuschelökumene gehen kann, welche die leider nun einmal bestehenden Differenzen verharmlost und unter den Tisch kehrt. Dialog, der mehr ist als Geschwätz, ist nur zwischen Partnern möglich, die je ihr Profil und ihre Identität haben, sie kennen und sie auch schätzen.
Das unterschiedliche Profil schließt größere Gemeinsamkeit zwischen Christen unterschiedlicher Konfession nicht aus. Von der Forderung nach einer Differenzökumene hält Bischof Huber folglich nichts. Nach ihm lädt das unterschiedliche Profil zu Austausch und zu gegenseitigem Voneinanderlernen ein. Katholiken haben in den vergangenen Jahrzehnten in der Tat von Evangelischen nicht wenig gelernt, was die Bedeutung des Wortes Gottes angeht, diese lernen von ihnen über die Bedeutung und Gestaltung des Gottesdienstes. Anders als viele andere evangelische Theologen weiß Bischof Huber auch den 1999 in Augsburg besiegelten Konsens in fundamentalen Wahrheiten der Rechtfertigungslehre positiv zu bewerten.
Bis hierher werden die meisten katholischen Ökumeniker gerne folgen. Sie müssen auch nicht unbedingt beckmesserisch reagieren, wenn Bischof Huber das katholische Profil - etwa bei der Darstellung der Rolle des Papsttums - vorsichtig ausgedrückt - etwas eigenwillig oder rhetorisch geschickt in die Ecke bugsiert. Solches ist man aus der alten Kontroverstheologie gewohnt.
Grundsätzlich wird es dort, wo Bischof Huber der katholischen Ökumene und sogar der Gemeinschaft von Taizé vorwirft, sie wollten Einheit zu ihren Bedingungen. Die Gegenfrage stellt sich sofort: Will nicht auch er Ökumene zu seinen, nämlich zu evangelischen Bedingungen oder doch zu Bedingungen, wie sie mitteleuropäisch im Bereich der Leuenberger Konkordie heute gemeinhin als evangelisch gelten. Dies schließt nicht nur gegenseitige Achtung ein, was selbstverständlich sein sollte, sondern intendiert auch die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen kirchlichen Profile.
Das Problem solchen Kirchenfriedens ist nur, dass diese Profile einander nicht nur ergänzen, sondern teilweise einander auch widersprechen. So ist die Ökumene der Profile eine Ökumene, die auf halbem Weg stehenbleibt. Sie umgeht in wichtigen Punkten die Wahrheitsfrage und ist kaum das, was Luther und was das Augsburger Bekenntnis von 1530 angestrebt hatten. Wirkliche Einheit in der Vielfalt sieht anders aus.
Bischof Wolfgang Huber, "Im Geist der Freiheit. Für eine Ökumene der Profile", Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2007, 192 Seiten, 7,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bischof Hubers "Im Geist der Freiheit" / Von Kardinal Walter Kasper
Bei der Begegnung mit Papst Benedikt XVI. im August 2005 gebrauchte Bischof Wolfgang Huber (Berlin) als Vorsitzender des Rates der EKD erstmals den Begriff Ökumene der Profile. Seither wird über dieses Stich- und Programmwort, das auch innerevangelisch nicht unumstritten ist, lebhaft diskutiert. Es ist zu begrüßen, dass Bischof Huber dazu jetzt ein Buch veröffentlicht hat, das hilft, über das von ihm formulierte Programm sachlich zu diskutieren.
Das Buch holt weit aus und beginnt in der ersten Hälfte mit den gemeinsamen Herausforderungen. Vor allem in Europa will Bischof Huber gemeinsam die Prägekraft des Christentums stärken. In diesen beiden ersten Kapiteln ist er bei seinem alten Metier als Sozialethiker. Es gelingen ihm viele gute und griffige Formulieren. Die einseitige Ableitung der modernen Menschenrechts- und Freiheitsvorstellungen aus der Reformation überrascht zwar und verlangt ebenso wie die These von der "Kirche der Freiheit" auch nach anerkannten evangelischen Autoren wie Ernst Troeltsch und Gerhard Ebeling historisch nach einigen Differenzierungen. Doch in der Sache werden katholische Leser weitestgehend Zustimmung signalisieren können, was praktisch heißt, dass die bewährte Zusammenarbeit der beiden großen Kirchen in Deutschland in wichtigen ethischen Fragen wie auf dem sozialen und politischen Gebiet weitergehen kann. Das ist nicht wenig, und es ist dankbar zu begrüßen.
Zur ökumenischen Sache im engeren Sinn kommt das Buch in der zweiten Hälfte, wo es um die unterschiedlichen theologischen Profile geht. Sie betreffen vor allem das Verständnis der Kirche und des kirchlichen Amtes. Erleichtert wird man feststellen, dass bei aller Herausstellung der weiterbestehenden Unterschiede nicht nur das törichte Gerede von einer ökumenischen Eiszeit abserviert wird; deutlich ist auch, dass Ökumene der Profile nicht ökumenische Profilierung oder gar Abgrenzung meint. Richtig an diesem Begriff ist, dass es nicht um eine Schummelökumene oder um eine Kuschelökumene gehen kann, welche die leider nun einmal bestehenden Differenzen verharmlost und unter den Tisch kehrt. Dialog, der mehr ist als Geschwätz, ist nur zwischen Partnern möglich, die je ihr Profil und ihre Identität haben, sie kennen und sie auch schätzen.
Das unterschiedliche Profil schließt größere Gemeinsamkeit zwischen Christen unterschiedlicher Konfession nicht aus. Von der Forderung nach einer Differenzökumene hält Bischof Huber folglich nichts. Nach ihm lädt das unterschiedliche Profil zu Austausch und zu gegenseitigem Voneinanderlernen ein. Katholiken haben in den vergangenen Jahrzehnten in der Tat von Evangelischen nicht wenig gelernt, was die Bedeutung des Wortes Gottes angeht, diese lernen von ihnen über die Bedeutung und Gestaltung des Gottesdienstes. Anders als viele andere evangelische Theologen weiß Bischof Huber auch den 1999 in Augsburg besiegelten Konsens in fundamentalen Wahrheiten der Rechtfertigungslehre positiv zu bewerten.
Bis hierher werden die meisten katholischen Ökumeniker gerne folgen. Sie müssen auch nicht unbedingt beckmesserisch reagieren, wenn Bischof Huber das katholische Profil - etwa bei der Darstellung der Rolle des Papsttums - vorsichtig ausgedrückt - etwas eigenwillig oder rhetorisch geschickt in die Ecke bugsiert. Solches ist man aus der alten Kontroverstheologie gewohnt.
Grundsätzlich wird es dort, wo Bischof Huber der katholischen Ökumene und sogar der Gemeinschaft von Taizé vorwirft, sie wollten Einheit zu ihren Bedingungen. Die Gegenfrage stellt sich sofort: Will nicht auch er Ökumene zu seinen, nämlich zu evangelischen Bedingungen oder doch zu Bedingungen, wie sie mitteleuropäisch im Bereich der Leuenberger Konkordie heute gemeinhin als evangelisch gelten. Dies schließt nicht nur gegenseitige Achtung ein, was selbstverständlich sein sollte, sondern intendiert auch die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen kirchlichen Profile.
Das Problem solchen Kirchenfriedens ist nur, dass diese Profile einander nicht nur ergänzen, sondern teilweise einander auch widersprechen. So ist die Ökumene der Profile eine Ökumene, die auf halbem Weg stehenbleibt. Sie umgeht in wichtigen Punkten die Wahrheitsfrage und ist kaum das, was Luther und was das Augsburger Bekenntnis von 1530 angestrebt hatten. Wirkliche Einheit in der Vielfalt sieht anders aus.
Bischof Wolfgang Huber, "Im Geist der Freiheit. Für eine Ökumene der Profile", Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2007, 192 Seiten, 7,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mehr Lob als Tadel verteilt der katholische Kardinal Walter Kasper an den evangelischen Kollegen Wolfgang Huber, der hier Vorschläge zur Ökumene der beiden Kirchen unterbreitet. Nicht mit jedem Punkt der Darstellung ist Kasper einverstanden - so will er Hubers Ableitung der Menschenrechte aus der Reformation nicht umstandslos mitmachen. Erleichtert ist Kasper aber darüber, dass es nicht auf eine "Kuschelökumene" hinauslaufen soll, die die bestehenden Unterschiede der theologischen Auffassungen, also die unterschiedlichen "Profile" der Kirchen ignoriert. Widerspruch erntet Huber allerdings mit dem Vorwurf, die katholische Kirche akzeptiere die Ökumene nur zu den eigenen Bedingungen. In Wahrheit ließe sich Huber nämlich, findet der Rezensent, derselbe Vorwurf machen. Und eben deshalb bleibe sein Vorschlag zu einer "Ökumene der Profile" auch "auf halber Strecke" stecken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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