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In seiner bahnbrechenden Neuinterpretation von Hegels Phänomenologie des Geistes verbindet der Philosoph Robert Brandom analytische, kontinentale und historische Traditionen und zeigt, welche Herausforderung Hegels philosophisches Denken selbst heute noch darstellt. Im Geiste des Vertrauens handelt von der massiven historischen Veränderung im Leben der Menschheit, welche die Moderne darstellt. Wenn unsere selbstbewussten anerkennenden Haltungen die radikale Form von Großmut und Vertrauen annehmen, so Brandom, dann können wir die Moderne überwinden und in ein neues Zeitalter des Geistes eintreten. …mehr

Produktbeschreibung
In seiner bahnbrechenden Neuinterpretation von Hegels Phänomenologie des Geistes verbindet der Philosoph Robert Brandom analytische, kontinentale und historische Traditionen und zeigt, welche Herausforderung Hegels philosophisches Denken selbst heute noch darstellt. Im Geiste des Vertrauens handelt von der massiven historischen Veränderung im Leben der Menschheit, welche die Moderne darstellt. Wenn unsere selbstbewussten anerkennenden Haltungen die radikale Form von Großmut und Vertrauen annehmen, so Brandom, dann können wir die Moderne überwinden und in ein neues Zeitalter des Geistes eintreten.
Autorenporträt
Robert B. Brandom ist Distinguished Professor of Philosophy an der University of Pittsburgh und Fellow sowohl der American Academy of Arts and Sciences als auch der British Academy.
Rezensionen
»... ein ziemlich raffiniert konstruiertes Buch, das mit immensem Ernst auf die Möglichkeit einer systematischen Philosophie insistiert, deren konsequentes Betreiben sich als genuines Sorgen um den Menschen entpuppt. ... Eine Würdigung von Im Geiste des Vertrauens muss die beuden Übersetzer unbedingt einschließen. Sebastian Koth und Aaron Shoichet haben die Begriffs- und Argumentationswelt Brandoms konsequent und kohärent in ein elastisches Deutsch umgegossen.« Thomas Meyer Süddeutsche Zeitung 20220125

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2021

Dummheit ist vielleicht doch besiegbar
Abenteuer des Wissens: Der amerikanische Philosoph Robert B. Brandom hat vierzig Jahre lang an seinem Buch über Hegels "Phänomenologie des Geistes" gesessen.

Für wen ist dieser Wälzer geschrieben? Im Deutschen umfasst er mehr als eintausend Seiten, die sich mit Teilen eines Buches befassen, das seinerseits etwa fünfhundert Seiten hat, Hegels "Phänomenologie des Geistes". Er ist also für Leser geschrieben, die viel Zeit und Geduld mitbringen. Der amerikanische Philosoph Robert B. Brandom soll vierzig Jahre lang an dem Buch gesessen haben.

Zu solchen Längen kommt es nicht durch Weitschweifigkeit. Hegels Werk gehört zu den sprachlich wie gedanklich schwierigsten der Denkgeschichte. Es handelt von der Möglichkeit zu prüfen, was erforderlich ist, um zu wirklichem Wissen zu kommen. Dazu betrachtet es eine Vielzahl historisch behaupteter Wissensansprüche. Wissen beruht, so wird beispielsweise gesagt, auf sinnlicher Gewissheit oder auf der Analyse von Kräften, dem Aufstellen von Gesetzen, auf Naturbeobachtung, Bildung oder Aufklärung. Was Brandom an Hegel fasziniert, ist dabei dessen These, letztlich habe Erkenntnis soziale Voraussetzungen in einer Welt, die sich normativ und zunehmend auf Lernen durch Irrtümer einlässt. Wer den Sternhimmel begreifen will, braucht in diesem Sinne nicht nur ein Aufzeichnungssystem, vielleicht eine Maschine, er braucht vor allem einen Begriff von "Stern", und den kann er sich nicht allein machen. Begriffe sind nichts Psychologisches.

Das alles ist bei Hegel in einer zumutungsreichen Sprache festgehalten. Manche Studenten werden philosophische Seminare erinnern, in denen die Lektüre Satz für Satz nach einem Semester nicht einmal die Einleitung des Buches hinter sich gebracht hat. Übersichtliche Zugriffe auf die "Abenteuergeschichte" (Brandom) des erkennenden Selbstbewusstseins, die in der "Phänomenologie" erzählt wird - etwa der schöne Überblick von Jean Hyppolite (1946) - , galten vielen als zu knapp. Einen abschnittsweise vorgehenden Kommentar aus einer Hand hat bislang nur der Leipziger Philosoph Pirmin Stekeler vorgelegt; er ist 2014 erschienen und umfasst, Hegels Text einschließend, mehr als zweitausend erhellende Seiten.

Man könnte die Eingangsfrage so beantworten: Brandom hat mit "Im Geiste des Vertrauens" ein Buch für Philosophen geschrieben, die glauben, ohne Hegel auskommen zu können, und seine Schwerverständlichkeit dafür als Ausrede benutzen. Er übersetzt Hegel geradezu in die Sprache der analytischen Philosophie, bezieht Hegels Fragen, wo es nur geht, auf diejenigen Gottlob Freges, Ludwig Wittgensteins und Wilfrid Sellars' und lässt alles weg oder streift nur, was sich nicht auf sprachphilosophische Probleme bringen lässt. Und er hat ein Nachschlagewerk für Studenten geschrieben, denen vor lauter Verständnisschwierigkeiten mit einzelnen Textpassagen Hegels der Sinn des Ganzen abhandenkommen kann.

So führt er in Grundbegriffe Hegels ein, wie etwa in die "bestimmte Negation", die in jedem Begriff vollzogen werde. Etwas begreifen heißt, es von anderen bestimmten Sachverhalten unterscheiden zu können. Dreieckiges unterscheidet sich unbestimmt von Nichtdreieckigem, bestimmt von Kreisförmigem. Wichtig ist diese bestimmte Negation, weil sie für Brandom den Modus der Erfahrung bildet: Wir dachten, etwas sei ein Ding, erfahren aber durch die Frage nach dem Zusammenhang seiner Eigenschaften, dass es ein Kräftespiel ist oder ein Symbol. Erkennen heißt so geradezu, produktiv und also bestimmt negieren können, was man soeben noch dachte. Erkennen ist darum auch kein Werkzeug, um an die Dinge heranzukommen, und die Erkenntnis ähnelt auch nicht dem, was sie erkennt. Die Formel für einen Kreis ist nicht kreisförmig. Vielmehr präpariert sie Merkmale am Erkannten vor einem geistig-praktischen Hintergrund heraus, beispielsweise dem der Algebra. Dabei traut Hegel der Philosophie zu, die Einheit solcher politischen, wissenschaftlichen, ästhetischen und juristischen Hintergründe zu ermitteln. Er nennt sie Geist.

Brandom interessiert sich in alledem besonders für Hegels Versuche, die strikte Unterscheidung zwischen Erkenntnis und normativem Handeln aufzuheben. Für ihn ist Hegel eine Art komplexer Wittgenstein. Wir denken, unsere analytischen Vokabulare seien normativ steril, und die Beschreibung der Wirklichkeit lasse sich von unseren Absichten trennen, sie zu verändern. Doch Akkuratesse der Beschreibung ist selbst eine Norm, unter die wir uns stellen, wenn wir Tatsachen, also Sachen und Taten zu erfassen versuchen. Die Suche nach Wahrheit bleibt stets eingebettet in eine sozial vermittelte Verpflichtung, lernfähig und negationsbereit zu bleiben. Umgekehrt haben nicht nur Sachaussagen normative Voraussetzungen, sondern sind Normen ihrerseits Tatsachen und mithin Gegenstand von strittiger Erkenntnis. Die Geschichte des Wissens, die Brandom mit Hegel nacherzählt, ist darum auch eine Geschichte der Konflikte um Begehren, Autorität, Schuld, Moralität, Niedertracht. Und wie das zutreffende Erkennen der Welt, so ist auch die Möglichkeit zu freiem Handeln keine Natureigenschaft von Individuen.

Brandom ist Philosoph. Alles findet bei ihm im großen Reich der Gründe und Begründungen statt. Weil aber immer wieder falsche Gründe angegeben werden, irrtümliche Wahrheitsbehauptungen und niederträchtige Handlungen stattfinden, bedarf dieses Reich, soll es nicht zerfallen, normativ zweier Einstellungen: der Fähigkeit zum Eingestehen des Falschen wie der Bereitschaft zur Verzeihung. Hier kommt das Vertrauen im Titel des Buches ins Spiel. Ohne das Vertrauen darauf, dass Irrtümer, sofern sie gestanden werden, auch verziehen werden, könne keine vernünftige Welt entstehen. "Man muss", schreibt Brandom, "eine Tradition derart rational rekonstruieren, dass sie sich als expressiv-fortschrittlich herausstellt", die Geschichte spricht mit anderen Worten nur zu uns, wenn sie verzeihend auf das hin erinnert wird, was sich in ihr als wahr oder bejahbar zeigt. Nicht alles war vergeblich, lautet das Motto einer solchen Bemühung.

Für Brandom enthält die "Phänomenologie des Geistes" den einzigartigen Versuch, über eine skeptische und verzweifelte Einstellung zur Wirklichkeit hinauszukommen. Aber nicht durch Gutgläubigkeit oder Ideologien, sondern durch bestimmte Negation undurchdachter Behauptungen. Dabei war Hegel zugleich ein entschiedener Gegner der Alternative, entweder die letztliche Unerkennbarkeit der Welt zu behaupten oder alle Unterschiede, die in ihr auffindbar sind, in einem fernen Gott konvergieren zu lassen. Dualismen waren ihm bestenfalls Zwischenstationen, zumeist aber Dummheiten.

Robert B. Brandom hat ein Buch in Hegels zuversichtlichem Sinne geschrieben, die Menschheit könne über Dummheiten hinauskommen, weil sie schon viele hinter sich gebracht hat, und sie könne ihre Verpflichtung einsehen, die beste aller möglichen Welten zu verwirklichen. Wie konkret es dann aussähe, wenn alle sich einander darin verpflichteten wie die Musketiere bei Alexandre Dumas, bleibt offen. Brandom genügt es, die Norm zu erläutern. Nicht nur an dieser Stelle wäre es aber waghalsig, über sein Buch nach erster Lektüre zu urteilen. Dafür ist es zu reich an Gedanken und, offen gestanden, auch zu schwierig. JÜRGEN KAUBE.

Robert B. Brandom: "Im Geiste des Vertrauens. Lektüre der ,Phänomenologie des Geistes'". Aus dem Englischen von Sebastian Koth und Shoichet. Suhrkamp, 1196 Seiten, 56 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas Meyer scheint die Lektüre von Robert Brandoms 1200-seitiger Schrift als Denkübung genossen zu haben und tänzelt auch in seiner Besprechung weiter auf den Hochseilen philosophischer Abstraktion. Folgen kann man dem Rezensenten dabei nur schwer. Es geht um Hegels "Phänomenologie des Geistes", um das Verhältnis von Sprechen und Handeln und die ethische Pflicht zur "praktischen Großherzigkeit". Meyer versichert, dass niemand das Hegelsche Gelände von Geist und Sprache so genau vermessen habe wie Brandom, der dabei doch "erbaulich" bleibe. Die Übersetzung durch Sebastian Koth und Aaron Shoichet kann er nur bewundern. 

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2022

Verpflichtung zur Großherzigkeit
Robert Brandom besteht darauf, dass wir nur durch systematische Philosophie zu besseren Menschen werden
Philosophen, die ein Faible für Esoterik haben, sollte man beim Wort nehmen. Wenn also einer schreibt, er lese einen Text seit 25 Jahren ganz neu oder er habe seit 40 Jahren an einem Buch gesessen, dann ist dem so. Die Regel trifft auch im Falle des 1950 geborenen Robert Brandom zu. 1979 veröffentlichte er einen Artikel, in dem er sich auf die Suche nach einen Theorierahmen für die adäquate Analyse des Verhältnisses von objektiven Begriffen und sozialen Praktiken machte. Brandom setzte dazu bei der Diskussion des Freiheitsverständnisses von Kant durch Hegel und seine Schüler an. Und obwohl der Text mit dem Hinweis auf die notwendige Weiterführung dialektischer Prozesse endete, war Brandom davon überzeugt, dass das behandelte Problem nicht in Hegels „original and ferocious idiom“ zu lösen sei.
Statt in der „grausamen“ Sprache des deutschen Denkers verblieben Brandoms Argumentationen in den Begriffsbahnen, die Wittgenstein, Frege, Wilfrid Sellars und sein Lehrer Richard Rorty entwickelt hatten. Die Ergebnisse präsentierte der in Pittsburgh Lehrende 1994 in der Studie „Making It Explicit“, die sechs Jahre später mit dem griffigen Titel „Expressive Vernunft“ bei Suhrkamp erschien. Die darin vorgenommene Problemrekonstruktion und das Lösungsangebot ließen Kant und Hegel nur noch erahnen, doch zugleich war die Pointe, wonach sich die in der Sprache abgebildeten normativen Strukturen nicht in der Wirklichkeit finden, darin aber zugleich unhintergehbare soziale Gehalte eingelagert sind, die zu aktualisieren wären, leicht in die Theoriesprache der Altvorderen rückübersetzen.
40 Jahre nach dem Aufsatz hat Brandom den Schleier endgültig fortgezogen und „seinen“ Hegel präsentiert, den man nun auf Deutsch lesen kann. „Im Geiste des Vertrauens“ bietet in der Tat eine Lektüre der „Phänomenologie des Geistes“. Wobei das „eine“ tatsächlich eine von zahllosen falschen Spuren in dem 1200 Seiten umfassenden Buch legt, aber dazu später.
Brandoms Programm ist im gerade referierten Kern unverändert geblieben. Er hat einige Weiterungen vorgenommen, die sofort für hochgezogene Augenbrauen in der Kollegenschaft sorgten. Um was geht es? „Die Natur des begrifflichen Inhalts theoretisch zu verstehen, durch den wir uns in unserer diskursiven Tätigkeit normativ binden, bedeutet, dazu gebildet und motiviert zu werden, bessere Menschen zu sein: großzügige Menschen, die sich im normativen Raum des Geistes in seiner postmodernen Form des Vertrauens bewegen, die ihm leben und ihr Dasein führen.“
Daraus leitet sich für Brandom eine „Verpflichtung zur praktischen Großherzigkeit“ ab, von der sich erwiesen habe, „dass sie dem Sprechen und Handeln schon immer implizit ist.“ Wer bei „Postmoderne“ an die bösen Relativisten aus Frankreich denkt und bei „Großherzigkeit“ sein Graecum mobilisiert, dahinter also die „megalopsychia“ des Aristoteles vermutet, hat wohl zugleich zu viel und zu wenig spekuliert. Zu viel, weil Brandom, gleichwohl ein sehr guter Kenner der philosophischen Traditionen, nur Begriffshülsen anbietet. Zu wenig, weil Brandom diese Begriffshülsen mit „Brandom“ ausfüllt. Die „Postmoderne“ ist hier kein emphatischer Wertbegriff, vielmehr eine Zeiteinheit, die sich nahtlos an das Jahr 1831, genauer gesagt: an Todestag Hegels am 14. November 1831 und damit an das Ende der „Moderne“, anschließt. Und die „Großherzigkeit“ ergibt sich aus Brandoms tiefer Verwurzelung im Ethikprogramm des Neo-Pragmatismus und vor allem in dem von John Dewey.
Brandom liest also Hegels „Phänomenologie des Geistes“, um sein Theorieprofil zu schärfen und auszubauen. Er ist bei weitem nicht der erste, der die von Hegel entworfene Architektur nutzt, um das eigene Denkgebäude wetterfest zu machen. In gewisser Weise folgt unser Interpret dem weisen Satz von Marx, der sich in den 1844 verfassten „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“ findet: „Man muß beginnen mit der hegel’schen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimniß der hegel’schen Philosophie.“
Von dieser Einsicht getragen, hat Brandom die ihn interessierenden Teile des 1807 erstmals erschienenes Rätselwerks entleert und fortan dem oben zitierten Vorhaben dienstbar gemacht. Insbesondere die Abschnitte um den „Kampf um Anerkennung“ verdienen Aufmerksamkeit, da sich hier eine Alternative zu Axel Honneths Programm auftut. Wer eine Rechtfertigung für dieses Tun sucht, der lese das aus guten Gründen mitten im Buch zu findende, neun Seiten lange „Methodologische Nachwort“ (!) und alle Beweislast fällt von Autor und Leser ab. Spätestens nach dieser Lektüre ist es wohlfeil, Brandom das (vermeintliche) Ignorieren von Sekundärliteratur zu vorzuwerfen, schließlich geht es um seine „einheitliche Theorie von Sprache und Geist“, deren Konstruktionspläne sich eben bereits in der „Phänomenologie“ finden. Sieht man von dem jahrzehntelangen Denkgefährten Pirmin Stekeler-Weithofer von der Universität Leipzig einmal ab, so hat bislang niemand im deutschsprachigen Raum das sich hinter dem Label „Hegel“ verbergende „Geist und Sprache“-Gelände so genau vermessen, wie es Brandom jetzt tut. Man muss dabei nicht alle Winkelzüge en detail verstehen, kann sich manche sehr technisch geratenen Abschnitte in der zweiten Hälfte des Buches sparen, sollte sich aber, wenn auch hier nicht das Niveau des Originals erreicht wird, die Polemiken gönnen, die Brandom klug verteilt hat.
Es ist Zeit zu den falschen Spuren zurückzukehren: Wer also bereit ist, sich auf dieses Denkmassiv einzulassen, der sollte die vom Autor aufgestellten Hegel-Wegweiser ignorieren. Denn sie führen nur auf den Weg der Verzweiflung, zumal dann, wenn man die „Phänomenologie“ neben sich liegen hat und sich in so großartigen Deutungen wie der von Walter Jaeschke („Hegel“, Meiner Verlag, Hamburg 2019) oder in der philosophischen Biographie von Klaus Vieweg („Hegel“, C. H. Beck, München 2019) Rat sucht.
Brandom seinerseits ist ausdrücklich „erbaulich“ und behandelt Philosophie entgegen allen Transparenzversicherungen als „esoterisches Besitzthum einiger Einzelnen“. All das nicht zum Schaden möglicher Leser, aber man sollte eben wissen, worauf man sich einlässt. Nämlich auf ein ziemlich raffiniert konstruiertes Buch, das mit immensem Ernst auf die Möglichkeit einer systematischen Philosophie insistiert, deren konsequentes Betreiben sich als genuines Sorgen um den Menschen entpuppt. Wer sprachlich verfasst denkt, der hilft das Humanum im Denken wirklich werden zu lassen. Vielleicht ist es das, was Brandom umtreibt.
Eine Würdigung von „Im Geiste des Vertrauens“ muss die beiden Übersetzer unbedingt einschließen. Sebastian Koth und Aaron Shoichet haben die Begriffs- und Argumentationswelt Brandoms konsequent und kohärent in ein elastisches Deutsch umgegossen. Der Rezensent war ob der gewaltigen Leistung regelrecht erleichtert, als er bemerkte, dass Koth und Shoichet ein Hegel-Zitat unvollständig wiedergaben. Und da der vergessene Satz so schön ist, auch weil er auf Brandoms Projekt verweist, sei er nicht verschwiegen: „Die Art dieses Tuns ist näher anzugeben.“ 1200 Seiten voller Denkübungen sind dafür nicht zu wenig!
THOMAS MEYER
Die „Postmoderne“ ist hier eine
Epoche, die am 14. November 1831
beginnt, dem Todestag Hegels
Robert B. Brandom:
Im Geiste des Vertrauens. Eine Lektüre der „Phänomenologie des Geistes“. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Koth und Aaron Shoichet. Suhrkamp
Verlag, Berlin 2021.
1196 Seiten, 62 Euro.
„Die Natur des begrifflichen Inhalts theoretisch zu verstehen, durch den wir uns in unserer diskursiven Tätigkeit normativ binden, bedeutet, dazu gebildet zu werden, bessere Menschen zu sein.“ – Robert Brandom.
Foto: Fuhan University/Suhrkamp
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