Putten bevölkern Venedig. Vor allem auf Gemälden inszenieren sie ihre so bezaubernden wie bedeutenden Auftritte, doch auch in prächtigen Treppenhäusern mit Stuckgewölben und Kuppeln, an Kapitellen, Altären und Tabernakeln, an Weihwasserbecken, Brunnen und Grabmonumenten, an Giebeln, Portalen, Triumphbögen oder Kirchen- und Palazzi-Fassaden erscheinen sie - sowohl als Relief-Figuren wie auch als vollplastische Skulpturen. Ganz Venedig ist ihre Bühne. Merkwürdigerweise jedoch spielen die fast omnipräsenten Putten im Bewusstsein selbst kenntnisreicher Liebhaber und professioneller Kenner der an Kunst reichen Stadt so gut wie keine Rolle. Dass sie zu Unrecht kaum beachtet oder gar nicht ernst genommen werden, vermag dieser aufwändig gestaltete Bildband anschaulich und kurzweilig darzulegen. Auf die Spuren ihrer langen Geschichte begibt sich der erste Teil des Bandes. Verfolgt werden ihre Anfänge als antike Eroten oder Amoretten bis hin zu ihrer Wiedergeburt als christliche oder pagane Himmelswesen in der Zeit der italienischen Frührenaissance. Im zweiten Teil richtet sich die ganze Aufmerksamkeit auf die 'Putti di Venezia'. Entfaltet wird ein buntes und lebendiges, gestalten- und szenenreiches Panorama ihrer vielfältigen Präsenz in Venedigs Museen, Palästen und Kirchen. Nicht nur die Meisterwerke von Künstlern wie Donatello, Benedetto da Maiano, Tizian oder Tintoretto, sondern die Inselstadt selbst präsentiert sich dem Leser so in einem völlig neuen Licht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2009Engelchen an der Kirchendecke
Auf den allerersten Blick könnte man dieses Buch für eines jener sich ganz in opulenten Bildern und dürftigen Texten erschöpfenden Coffee-Table-Books halten. Putten? Venedig? Im Himmel wie auf Erden? Aber schon bei der Kapitelübersicht wird klar, dass trotz des dekorativen Titels und des für jede publizistische Nichtigkeit missbrauchten Namens Venedig hier etwas ganz anderes vorliegt. Es ist eine wundervolle, inhaltsvolle und vor allem ohne jeden akademischen Pomp geschriebene Studie über ein Thema, das den Autor ganz offensichtlich leidenschaftlich interessiert. Und ebendiese Leidenschaft, eine obsessive Wissbegierde, gepaart mit dem kühlen Blick des Forschers, macht das ganze Buch ausgesprochen sympathisch. Etwas so Lebendiges hat man über das musealisierte Venedig seit langem nicht gelesen. Selbstverständlich ist das alles kunsthistorisch fundiert, durchdacht und verknüpft, aber zwischen der Ernsthaftigkeit des Sujets und dem Anspruch des Autors auf Vollständigkeit flattern die hier beschriebenen venezianischen Putti durchaus fröhlich eigensinnig und auch sinnlich durch die zweihundertsiebenundachtzig Seiten. Es beginnt mit einer fulminanten kunst- und kulturhistorischen Einführung ins "volle pralle Putten-Leben", in dem der Leser erfährt, wie aus den antiken Amoretten die pummeligen Wonneproppen des Barocks wurden. Dazwischen liegen gut tausend Jahre christlicher Askese, aber die Genauigkeit dieses Buchs lässt den Leser mitverfolgen, wie die Genies der italienischen Frührenaissance, Nicola und Giovanni Pisano, Giotto, Donatello, die heidnischen Liebesgötter in das Repertoire ihrer christlichen Bildwelten aufnahmen und zu dem transformierten, was später Raffael in seiner Sixtinischen Madonna zu den wohl berühmtesten Putti-Porträts der Kunstgeschichte machte. Aber hier geht es um Venedig, und was der Autor in dieser Stadt an Putten-Darstellungen besichtigt, bewundert, entdeckt, beschreibt, sammelt und damit inventarisiert, ist erstaunlich. Sicherlich keine Lektüre für den schnellen Venedig-Reisenden und keinesfalls ein Buch für den Liebhaber von Putti-Kitsch; dafür ein kluges und genaues Werk über ein wenig beachtetes Thema der Kunstgeschichte. Und vor allem: endlich einmal wieder etwas Fundamentales über Venedig.
üte
"Im Himmel wie auf Erden - Die Putten von Venedig" von Rainer Hoffmann. Böhlau Verlag, Köln 2008. 287 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 34,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auf den allerersten Blick könnte man dieses Buch für eines jener sich ganz in opulenten Bildern und dürftigen Texten erschöpfenden Coffee-Table-Books halten. Putten? Venedig? Im Himmel wie auf Erden? Aber schon bei der Kapitelübersicht wird klar, dass trotz des dekorativen Titels und des für jede publizistische Nichtigkeit missbrauchten Namens Venedig hier etwas ganz anderes vorliegt. Es ist eine wundervolle, inhaltsvolle und vor allem ohne jeden akademischen Pomp geschriebene Studie über ein Thema, das den Autor ganz offensichtlich leidenschaftlich interessiert. Und ebendiese Leidenschaft, eine obsessive Wissbegierde, gepaart mit dem kühlen Blick des Forschers, macht das ganze Buch ausgesprochen sympathisch. Etwas so Lebendiges hat man über das musealisierte Venedig seit langem nicht gelesen. Selbstverständlich ist das alles kunsthistorisch fundiert, durchdacht und verknüpft, aber zwischen der Ernsthaftigkeit des Sujets und dem Anspruch des Autors auf Vollständigkeit flattern die hier beschriebenen venezianischen Putti durchaus fröhlich eigensinnig und auch sinnlich durch die zweihundertsiebenundachtzig Seiten. Es beginnt mit einer fulminanten kunst- und kulturhistorischen Einführung ins "volle pralle Putten-Leben", in dem der Leser erfährt, wie aus den antiken Amoretten die pummeligen Wonneproppen des Barocks wurden. Dazwischen liegen gut tausend Jahre christlicher Askese, aber die Genauigkeit dieses Buchs lässt den Leser mitverfolgen, wie die Genies der italienischen Frührenaissance, Nicola und Giovanni Pisano, Giotto, Donatello, die heidnischen Liebesgötter in das Repertoire ihrer christlichen Bildwelten aufnahmen und zu dem transformierten, was später Raffael in seiner Sixtinischen Madonna zu den wohl berühmtesten Putti-Porträts der Kunstgeschichte machte. Aber hier geht es um Venedig, und was der Autor in dieser Stadt an Putten-Darstellungen besichtigt, bewundert, entdeckt, beschreibt, sammelt und damit inventarisiert, ist erstaunlich. Sicherlich keine Lektüre für den schnellen Venedig-Reisenden und keinesfalls ein Buch für den Liebhaber von Putti-Kitsch; dafür ein kluges und genaues Werk über ein wenig beachtetes Thema der Kunstgeschichte. Und vor allem: endlich einmal wieder etwas Fundamentales über Venedig.
üte
"Im Himmel wie auf Erden - Die Putten von Venedig" von Rainer Hoffmann. Böhlau Verlag, Köln 2008. 287 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 34,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Kristina Maidt-Zinke zeigt sich regelrecht entzückt von diesem Buch, das ihrer Meinung nach beweist, dass es, anders als von Goethe behauptet, durchaus noch Schreibenswertes über Venedig gibt. Sie freut sich über den Enthusiasmus, mit dem sich Autor Rainer Hoffmann seines Themas annimmt. Die Putten an Gebäuden - und in der Lagunenstadt gibt es davon wirklich reichlich - sind bisher tatsächlich nach Informationen der Rezensentin auch noch kaum erforscht. Deshalb greife der Autor weit zurück, bis in die Antike, wo die Figuren "als Eroten und Amoretten ihren frühen Auftritt haben", bis sie dann in die Ikonografie des Christentums integriert wurden. Doch der historische Exkurs ist zur Freude von Maidt-Zinke nicht der Schwerpunkt. Im Mittelpunkt stehen die Gebäude der Stadt Venedig und deshalb bedauert die Rezensentin auch, dass das Buch zu unhandlich ist, um als Reiseführer zu taugen - und dass die Puttenbilder nichtsdestotrotz recht klein ausfallen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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