Nach Diesseits der Mauer der neue Bestseller von Katja Hoyer
Vor 1871 war Deutschland noch keine Nation, sondern lediglich eine Idee. Otto von Bismarck stand vor einer gewaltigen Aufgabe. Wie sollte er neununddreißig Einzelstaaten unter das Joch eines einzigen Kaisers bringen? Konnte der junge europäische Staat nach seiner Vereinigung genug Macht ausüben, um es mit den Imperien Großbritanniens und Frankreichs aufzunehmen - ohne sich dabei selbst zu zerstören? In einer einzigartigen Erzählung über fünf Jahrzehnte, die den Lauf der modernen Geschichte veränderten, zeichnet Katja Hoyer die Geschichte des Deutschen Kaiserreichs von seinen gewaltsamen Anfängen bis zu seinem verhängnisvollen Ende. Ein Buch, das Geschichte auf brillante Weise zum Leben erweckt.
Vor 1871 war Deutschland noch keine Nation, sondern lediglich eine Idee. Otto von Bismarck stand vor einer gewaltigen Aufgabe. Wie sollte er neununddreißig Einzelstaaten unter das Joch eines einzigen Kaisers bringen? Konnte der junge europäische Staat nach seiner Vereinigung genug Macht ausüben, um es mit den Imperien Großbritanniens und Frankreichs aufzunehmen - ohne sich dabei selbst zu zerstören? In einer einzigartigen Erzählung über fünf Jahrzehnte, die den Lauf der modernen Geschichte veränderten, zeichnet Katja Hoyer die Geschichte des Deutschen Kaiserreichs von seinen gewaltsamen Anfängen bis zu seinem verhängnisvollen Ende. Ein Buch, das Geschichte auf brillante Weise zum Leben erweckt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Leichtgewichtig erscheint Rezensentin Edelgard Abenstein Katja Hoyers jetzt auf Deutsch erscheinendes erstes Buch. Hoyers "populärwissenschaftlicher" Versuch zu erklären, wie das deutsche Kaiserreich aus der napoleonischen Erfahrung entstand, findet Abenstein in seiner Beschränkung auf Bismarck und Wilhelm I. und II. ein bisschen dünn. Bisweilen gerät der Text zur bloßen Aufzählung, kritisiert sie. Und ihre Argumente stützende Thesen hat die Autorin nicht wirklich zu bieten. Dafür markige Überschriften und "lockeren Sound". Abenstein findet das nicht originell, zumal die Autorin auch keinen Bezug zur Gegenwart herstellt, wie sie enttäuscht konstatiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2024Pointe und Platitüde
Katja Hoyer erzählt die Geschichte des deutschen Kaiserreichs mit Seitenblicken zu Merkel und Trump.
Von Andreas Kilb
Vor einem Jahr hat Katja Hoyer eine historische Debatte ausgelöst. Ihr Buch "Diesseits der Mauer" wurde als verharmlosendes Zerrbild der DDR-Geschichte kritisiert, in manchen Rezensionen aber auch gefeiert. Die öffentliche Diskussion sorgte dafür, dass sich die Studie, die schon in der englischen Originalausgabe ein Bestseller gewesen war - Hoyer, geboren in Guben, lebt und schreibt in London -, auch hierzulande glänzend verkaufte. An diesen Erfolg will ihr deutscher Verlag mit der Publikation eines Bandes anknüpfen, der in England bereits 2021 erschienen ist. Auch die "kurze Geschichte" des deutschen Kaiserreichs, die im Original "Blood and Iron" hieß, stieß bei englischen Kritikern und Lesern auf Wohlwollen. Auf eine ähnlich positive Reaktion des hiesigen Publikums möchte man trotzdem nicht wetten.
Der Vorteil der kurzen Form liegt darin, dass sie komplexe Phänomene thesenhaft zuspitzen kann. Die Autorin scheint diese Chance nutzen zu wollen, indem sie schon im Vorwort ein plakatives, wenn auch nicht neues Etikett für ihren Gegenstand findet: Das Kaiserreich sei ein Staatsgebilde gewesen, "dessen einziges verbindendes Erlebnis der Kampf gegen äußere Feinde war", ein "Mosaik, das man eilends mit dem Blut seiner Gegner zusammengefügt hatte". Von diesem Befund ausgehend, würde man eine Darstellung erwarten, die auf die Doppelgesichtigkeit der jungen deutschen Nation fokussierte, ihre Zerrissenheit zwischen Parlamentarismus und reaktionärer Monarchie, Militarismus und bürgerlicher Kulturblüte, Kirchturmdenken und Streben nach Weltgeltung. An Bismarck und Wilhelm II., dem Geburtshelfer und dem Totengräber des Kaiserreichs, und ihren politischen Widersachern in Sozialdemokratie und Liberalismus, so könnte man meinen, ließe sich diese Spannung eigentlich gut zeigen.
Aber Katja Hoyer tut nichts dergleichen. Statt dessen fährt sie, nach einem Rückblick auf die Befreiungskriege und die Revolution von 1848, brav die Stationen ihres Gegenstands ab, von der Gründung in Versailles über Bismarcks Kultur- und Sozialistenkämpfe, das Dreikaiserjahr und die hektische "Weltpolitik" Wilhelms II. und seiner Kanzler bis zum Ersten Weltkrieg. Dabei wirft sie ihren britischen Lesern gern leitartikelnde Aktualisierungen zu, wenn sie etwa Bismarck zum Ahnherrn der Kanzlerdemokratie à la Merkel macht oder in Wilhelms Sucht nach Medienpräsenz "Ähnlichkeiten zu gewissen heutigen Politikern" entdeckt.
Andere Seitenblicke, etwa auf die Grimm'schen Märchen (deren Jägerfiguren für die deutsche Obrigkeitshörigkeit stehen sollen) und die Werke von Wagner und Karl May (bei denen sie eine "romantisierte Sichtweise von Kameradschaft, Loyalität und Abenteuer" konstatiert), wirken beliebig und ungenau, und manches ist schlicht falsch. Die Emser Depesche ging nach Berlin, nicht nach Paris, beim ersten Giftgaseinsatz von 1915 wurde das Gas nicht "abgeworfen", sondern aus Stahlflaschen abgeblasen, und das Elsass hatte keine Vertretung im Bundesrat, weil es kein Gliedstaat, sondern als "Reichsland" eine zentral verwaltete Provinz war. Wenn man schließlich liest, deutsche Kriegerwitwen hätten nach 1918 "keinen solchen Trost" erfahren wie die Hinterbliebenen in anderen Nationen, fragt man sich, ob Katja Hoyer sich jemals mit der Geschichte der Weimarer Republik beschäftigt hat.
So entsteht das Bild einer ebenso auftrumpfenden wie zaghaften Analyse, die sich mal hinter Autoritäten des Fachs verschanzt - hier Wehler und Nonn, dort Clark und MacGregor -, mal freihändig Historikerinnenpoesie produziert wie in der Passage über die entlassenen Proletarier, die "einsam und heimatlos" durch "die kalten Straßen der deutschen Städte" ziehen. Irgendwie heimatlos wirkt auch dieses Buch, verloren im leeren Raum zwischen akademischer und populärer Geschichtsschreibung, Pointe, Pastiche und Platitüde.
Katja Hoyer: "Im Kaiserreich". Eine kurze Geschichte 1871-1918.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2024. 269 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Katja Hoyer erzählt die Geschichte des deutschen Kaiserreichs mit Seitenblicken zu Merkel und Trump.
Von Andreas Kilb
Vor einem Jahr hat Katja Hoyer eine historische Debatte ausgelöst. Ihr Buch "Diesseits der Mauer" wurde als verharmlosendes Zerrbild der DDR-Geschichte kritisiert, in manchen Rezensionen aber auch gefeiert. Die öffentliche Diskussion sorgte dafür, dass sich die Studie, die schon in der englischen Originalausgabe ein Bestseller gewesen war - Hoyer, geboren in Guben, lebt und schreibt in London -, auch hierzulande glänzend verkaufte. An diesen Erfolg will ihr deutscher Verlag mit der Publikation eines Bandes anknüpfen, der in England bereits 2021 erschienen ist. Auch die "kurze Geschichte" des deutschen Kaiserreichs, die im Original "Blood and Iron" hieß, stieß bei englischen Kritikern und Lesern auf Wohlwollen. Auf eine ähnlich positive Reaktion des hiesigen Publikums möchte man trotzdem nicht wetten.
Der Vorteil der kurzen Form liegt darin, dass sie komplexe Phänomene thesenhaft zuspitzen kann. Die Autorin scheint diese Chance nutzen zu wollen, indem sie schon im Vorwort ein plakatives, wenn auch nicht neues Etikett für ihren Gegenstand findet: Das Kaiserreich sei ein Staatsgebilde gewesen, "dessen einziges verbindendes Erlebnis der Kampf gegen äußere Feinde war", ein "Mosaik, das man eilends mit dem Blut seiner Gegner zusammengefügt hatte". Von diesem Befund ausgehend, würde man eine Darstellung erwarten, die auf die Doppelgesichtigkeit der jungen deutschen Nation fokussierte, ihre Zerrissenheit zwischen Parlamentarismus und reaktionärer Monarchie, Militarismus und bürgerlicher Kulturblüte, Kirchturmdenken und Streben nach Weltgeltung. An Bismarck und Wilhelm II., dem Geburtshelfer und dem Totengräber des Kaiserreichs, und ihren politischen Widersachern in Sozialdemokratie und Liberalismus, so könnte man meinen, ließe sich diese Spannung eigentlich gut zeigen.
Aber Katja Hoyer tut nichts dergleichen. Statt dessen fährt sie, nach einem Rückblick auf die Befreiungskriege und die Revolution von 1848, brav die Stationen ihres Gegenstands ab, von der Gründung in Versailles über Bismarcks Kultur- und Sozialistenkämpfe, das Dreikaiserjahr und die hektische "Weltpolitik" Wilhelms II. und seiner Kanzler bis zum Ersten Weltkrieg. Dabei wirft sie ihren britischen Lesern gern leitartikelnde Aktualisierungen zu, wenn sie etwa Bismarck zum Ahnherrn der Kanzlerdemokratie à la Merkel macht oder in Wilhelms Sucht nach Medienpräsenz "Ähnlichkeiten zu gewissen heutigen Politikern" entdeckt.
Andere Seitenblicke, etwa auf die Grimm'schen Märchen (deren Jägerfiguren für die deutsche Obrigkeitshörigkeit stehen sollen) und die Werke von Wagner und Karl May (bei denen sie eine "romantisierte Sichtweise von Kameradschaft, Loyalität und Abenteuer" konstatiert), wirken beliebig und ungenau, und manches ist schlicht falsch. Die Emser Depesche ging nach Berlin, nicht nach Paris, beim ersten Giftgaseinsatz von 1915 wurde das Gas nicht "abgeworfen", sondern aus Stahlflaschen abgeblasen, und das Elsass hatte keine Vertretung im Bundesrat, weil es kein Gliedstaat, sondern als "Reichsland" eine zentral verwaltete Provinz war. Wenn man schließlich liest, deutsche Kriegerwitwen hätten nach 1918 "keinen solchen Trost" erfahren wie die Hinterbliebenen in anderen Nationen, fragt man sich, ob Katja Hoyer sich jemals mit der Geschichte der Weimarer Republik beschäftigt hat.
So entsteht das Bild einer ebenso auftrumpfenden wie zaghaften Analyse, die sich mal hinter Autoritäten des Fachs verschanzt - hier Wehler und Nonn, dort Clark und MacGregor -, mal freihändig Historikerinnenpoesie produziert wie in der Passage über die entlassenen Proletarier, die "einsam und heimatlos" durch "die kalten Straßen der deutschen Städte" ziehen. Irgendwie heimatlos wirkt auch dieses Buch, verloren im leeren Raum zwischen akademischer und populärer Geschichtsschreibung, Pointe, Pastiche und Platitüde.
Katja Hoyer: "Im Kaiserreich". Eine kurze Geschichte 1871-1918.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2024. 269 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Geschichtsbücher, die man wirklich fassen kann.« Wiebke Binder ARD Mittagsmagazin