Seit dem späten zwanzigsten Jahrhundert sieht sich die Welt mit dem Aufkommen fundamentalistischer Bewegungen konfrontiert, die die Vorherrschaft westlicher, säkularer Werte in Frage stellen und sich aggressiv und gewaltsam Gehör verschaffen - ob in Oklahoma City, Jerusalem, New York, Madrid oder anderswo. Fundamentalismus lässt sich heute in jeder großen Glaubenstradition beobachten. Es ist eine kampfbereite Form der Religiosität, die zu ignorieren wir uns nicht mehr leisten können.
Die englische Theologin und Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong untersucht drei Beispiele: protestantischen Fundamentalismus in den Vereinigten Staaten, jüdischen in Israel und islamischen im sunnitischen Ägypten und im schiitischen Iran. Dabei geht sie bis ins Jahr 1492 zurück, um zu zeigen, wie sich in Christentum, Judentum und Islam - parallel und in enger Verbindung miteinander - fundamentalistische Bewegungen als Reaktion auf die gravierenden Umwälzungen der Moderne entwickelten. Der Fundamentalismus, so ihre zentrale These, ist keineswegs ein Rückfall ins Mittelalter, sondern in jeder Hinsicht ein Produkt der Moderne: in seinen Methoden, seinen Ursprüngen, seinen Zielen.
Die englische Theologin und Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong untersucht drei Beispiele: protestantischen Fundamentalismus in den Vereinigten Staaten, jüdischen in Israel und islamischen im sunnitischen Ägypten und im schiitischen Iran. Dabei geht sie bis ins Jahr 1492 zurück, um zu zeigen, wie sich in Christentum, Judentum und Islam - parallel und in enger Verbindung miteinander - fundamentalistische Bewegungen als Reaktion auf die gravierenden Umwälzungen der Moderne entwickelten. Der Fundamentalismus, so ihre zentrale These, ist keineswegs ein Rückfall ins Mittelalter, sondern in jeder Hinsicht ein Produkt der Moderne: in seinen Methoden, seinen Ursprüngen, seinen Zielen.
"Armstrong ist eine meisterhafte Autorin, die dank ihrer umfassenden Kenntnis aller drei westlichen Traditionen zu neuen, unkonventionellen Einsichten kommt."
(Publishers Weekly)
"Karen Armstrong besitzt die fantastische Gabe, große, komplexe Themen auf das Wesentliche zu reduzieren, ohne ihnen ihre Vielfalt zu nehmen."
(Sunday Times)
(Publishers Weekly)
"Karen Armstrong besitzt die fantastische Gabe, große, komplexe Themen auf das Wesentliche zu reduzieren, ohne ihnen ihre Vielfalt zu nehmen."
(Sunday Times)
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In diesem Buch, so die Rezensentin Hilal Sezgin, befasst sich Karen Armstrong mit den "unschönen, fundamentalistischen Entwicklungen" innerhalb der drei großen monotheistischen Religionen. Gemessen an Armstrongs anderen, herausragenden Büchern halte "Der Kampf für Gott" leider eine "leichte Enttäuschung" parat. Und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen liefere das Buch zwar "furchtbar viel Material", überlasse die Schlussfolgerungen aber oft dem Leser, und zum anderen gerate die Darstellung der islamischen Theologie und Philosophie mitunter etwas "verschwommen" - vielleicht, so vermutet die Rezensentin, weil sich Armstrong für eine synchrone Gegenüberstellung der drei Religionen entschieden hat, obwohl es deren Entwicklung an Synchronizität mangelt. Insgesamt hat das Buch jedoch enorm wertvolle Einsichten zu bieten, was das Wesen des Fundamentalismus und seinen "fatalen Irrtum" angeht, Mythos und Logos zu verwechseln oder zum ein und selben zu erklären, meint Sezgin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2004Lust und Leid der Sekundärquelle
Fundamentalistische Überzeugungen "sind kampfbereite Formen von Spiritualität, die als Reaktion auf eine als krisenhaft erlebte Situation entstanden sind. Sie führen Krieg gegen Feinde, deren säkularistische Überzeugungen und politische Strategien der Religion als solcher feindlich gesinnt sind. Fundamentalisten betrachten diesen Krieg nicht als konventionellen politischen Kampf, sondern als kosmischen Krieg zwischen den Mächten Gut und Böse. Sie fürchten die Vernichtung und versuchen deshalb ihre bedrohte Identität durch selektive Wiedereinführung bestimmter Lehren und Praktiken aus der Vergangenheit zu stärken."
Diese Definition legt Karen Armstrong ihrer Untersuchung zugrunde, in welcher sie die fundamentalistischen Strömungen im Judentum, Christentum und im Islam von 1492 bis 1999 vergleicht ("Im Kampf für Gott". Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Siedler Verlag, München 2004. 608 S., geb., 28,- [Euro]). Da sie davon überzeugt ist, daß die Fundamentalisten meinen, in einem kosmischen Krieg zwischen den Mächten Gut und Böse zu stehen, schreibt Armstrong die Geschichte des modernen Manichäismus, sie interpretiert die neuzeitliche Religionsgeschichte manichäistisch als einen Kampf zwischen den Prinzipien Gut und Böse.
Wie der zum Manichäismus tendierende Pierre Bayle um 1700 ist die Autorin auch von der Unvereinbarkeit von Vernunft, die sie Logos nennt, und Offenbarung, in Armstrongs Terminologie Mythos und Mystik, überzeugt. Mythos ist: "Eine in Schweigen und intuitiver Innenschau verwurzelnde Erkenntnisweise, die dem Leben eine Bedeutung gibt, sich aber nicht in rationalen Begriffen erklären läßt." Den Logos definiert Armstrong als Rationalität. Die Annahme dieser zwei Prinzipien ermöglicht es der Autorin, das Böse in der Geschichte der Neuzeit fast mühelos zu erklären: es ist dasjenige, was dem rationalen Denken zwar unzugänglich ist, aber dennoch versucht, das Mythische durch rationale Techniken für bestimmte Zwecke zu instrumentalisieren. Das ist aber unmöglich, denn: "Die Mystik gehörte ins Reich des Mythos; sie bewegte sich im Bereich des Unbewußten, das dem rationalen Denken unzugänglich war und nur auf anderen Wegen erkundet werden konnte." Ein Beispiel hierfür: Der Begründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola (1491 bis 1555) war "entschlossen, die Macht des Mythos praktisch auszunutzen". Um den Mythos zu instrumentalisieren, schrieb er darum sein Exerzitienbuch, das ein "Intensivkurs für Mystik" war. 470 Jahre später wird Imam Chomeini in Iran ganz ähnlich verfahren und den mystischen Mythos (die Religion des Islam) zu einer Staatsform säkularisieren.
Diese These klingt schrecklich simpel und falsch, was sie wahrscheinlich auch ist. Aber nur durch solche Vereinfachung ist die Autorin in der Lage, zeitlich wie räumlich weit auseinander liegende Phänomene in eine Beziehung miteinander zu setzen. Im ersten Teil werden die geistesgeschichtlichen Strömungen der Juden, der Muslime und der Christen zwischen 1492 und 1870 untersucht. Im zweiten Teil werden in sechs Kapiteln fundamentalistische Bewegungen in Amerika (Protestantismus), in Israel (Judentum), in Ägypten (sunnitischer Islam) und in Iran (schiitischer Islam) beschrieben. Dies ist ein gewaltiges Programm, und die Autorin breitet vor dem Leser ihr großes Wissen aus - wobei ihr allerdings erstaunliche Fehlurteile gelingen: Der Zionismus sei "eine Rebellion gegen das Judentum", Spinoza sei ein "Atheist", und Mendelssohn sei verstört gewesen wegen der "antisemitischen Vorurteile" in Christian W. von Dohms Buch "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden" (1781).
Die dem Text des Buches angefügten Anmerkungen machen deutlich, wie diese Fehlurteile zustande gekommen sind: Die Autorin arbeitet fast ausschließlich mit Sekundärtexten und nicht mit Quellen. Wer sich für die Darstellung der jüdischen Strömungen zwischen 1492 und 1700 vorzüglich auf Gershom Scholems Arbeiten zur Mystik und Yirmiyahu Yovels Untersuchungen zur Rationalität der Marranen beruft, hat es leicht, die Mystik dem Logos entgegenzustellen (Sabbatai Zwi contra Baruch de Spinoza).
Alle religiös-orthodoxen und alle politisch-extremen (vorwiegend reaktionären) Erscheinungen sind für die Autorin fundamentalistisch, das heißt: fundamentalistisch sind religiöse oder politische Bewegungen genau dann, wenn sie ihren "Mythos" zu rationalisieren versuchen; wenn dieser als "Logos" einer wissenschaftlichen Wahrheit oder einer rationellen Ideologie verstanden wird. Wer als Christ (oder Jude oder Muslim) meint, die Glaubensinhalte seiner Religion seien so etwas wie Wahrheit, oder wer als Jude (oder Christ oder Muslim) glaubt, seine Religion ("Mythos") zu säkularen Zwecken ("Logos") einsetzen zu können, der ist ein Fundamentalist.
Die Autorin schreibt es nicht, doch der Schluß ist erlaubt: Alle diejenigen, die von ihrem Glauben, welcher er auch immer sei, überzeugt sind und ihn mit Wahrheitsanspruch verteidigen, sind Fundamentalisten und somit potentielle Terroristen. So einfach ist die Lösung. Die Vermischung von Mythos und Logos wird zum Signum der Moderne, und die Moderne erscheint als eine Verfallserscheinung der Vormoderne, als diese Bereiche noch schön getrennt waren und sich nur gegenseitig ergänzten (doch nie vermischten). Mythos muß Mythos bleiben, das ist das Fazit des Buches. Und in der Trennung jedes mystischen Mythos von dem strengen wissenschaftlichen Denken, dem "Logos", liegt das Heil unserer manichäistischen Welt.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fundamentalistische Überzeugungen "sind kampfbereite Formen von Spiritualität, die als Reaktion auf eine als krisenhaft erlebte Situation entstanden sind. Sie führen Krieg gegen Feinde, deren säkularistische Überzeugungen und politische Strategien der Religion als solcher feindlich gesinnt sind. Fundamentalisten betrachten diesen Krieg nicht als konventionellen politischen Kampf, sondern als kosmischen Krieg zwischen den Mächten Gut und Böse. Sie fürchten die Vernichtung und versuchen deshalb ihre bedrohte Identität durch selektive Wiedereinführung bestimmter Lehren und Praktiken aus der Vergangenheit zu stärken."
Diese Definition legt Karen Armstrong ihrer Untersuchung zugrunde, in welcher sie die fundamentalistischen Strömungen im Judentum, Christentum und im Islam von 1492 bis 1999 vergleicht ("Im Kampf für Gott". Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Siedler Verlag, München 2004. 608 S., geb., 28,- [Euro]). Da sie davon überzeugt ist, daß die Fundamentalisten meinen, in einem kosmischen Krieg zwischen den Mächten Gut und Böse zu stehen, schreibt Armstrong die Geschichte des modernen Manichäismus, sie interpretiert die neuzeitliche Religionsgeschichte manichäistisch als einen Kampf zwischen den Prinzipien Gut und Böse.
Wie der zum Manichäismus tendierende Pierre Bayle um 1700 ist die Autorin auch von der Unvereinbarkeit von Vernunft, die sie Logos nennt, und Offenbarung, in Armstrongs Terminologie Mythos und Mystik, überzeugt. Mythos ist: "Eine in Schweigen und intuitiver Innenschau verwurzelnde Erkenntnisweise, die dem Leben eine Bedeutung gibt, sich aber nicht in rationalen Begriffen erklären läßt." Den Logos definiert Armstrong als Rationalität. Die Annahme dieser zwei Prinzipien ermöglicht es der Autorin, das Böse in der Geschichte der Neuzeit fast mühelos zu erklären: es ist dasjenige, was dem rationalen Denken zwar unzugänglich ist, aber dennoch versucht, das Mythische durch rationale Techniken für bestimmte Zwecke zu instrumentalisieren. Das ist aber unmöglich, denn: "Die Mystik gehörte ins Reich des Mythos; sie bewegte sich im Bereich des Unbewußten, das dem rationalen Denken unzugänglich war und nur auf anderen Wegen erkundet werden konnte." Ein Beispiel hierfür: Der Begründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola (1491 bis 1555) war "entschlossen, die Macht des Mythos praktisch auszunutzen". Um den Mythos zu instrumentalisieren, schrieb er darum sein Exerzitienbuch, das ein "Intensivkurs für Mystik" war. 470 Jahre später wird Imam Chomeini in Iran ganz ähnlich verfahren und den mystischen Mythos (die Religion des Islam) zu einer Staatsform säkularisieren.
Diese These klingt schrecklich simpel und falsch, was sie wahrscheinlich auch ist. Aber nur durch solche Vereinfachung ist die Autorin in der Lage, zeitlich wie räumlich weit auseinander liegende Phänomene in eine Beziehung miteinander zu setzen. Im ersten Teil werden die geistesgeschichtlichen Strömungen der Juden, der Muslime und der Christen zwischen 1492 und 1870 untersucht. Im zweiten Teil werden in sechs Kapiteln fundamentalistische Bewegungen in Amerika (Protestantismus), in Israel (Judentum), in Ägypten (sunnitischer Islam) und in Iran (schiitischer Islam) beschrieben. Dies ist ein gewaltiges Programm, und die Autorin breitet vor dem Leser ihr großes Wissen aus - wobei ihr allerdings erstaunliche Fehlurteile gelingen: Der Zionismus sei "eine Rebellion gegen das Judentum", Spinoza sei ein "Atheist", und Mendelssohn sei verstört gewesen wegen der "antisemitischen Vorurteile" in Christian W. von Dohms Buch "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden" (1781).
Die dem Text des Buches angefügten Anmerkungen machen deutlich, wie diese Fehlurteile zustande gekommen sind: Die Autorin arbeitet fast ausschließlich mit Sekundärtexten und nicht mit Quellen. Wer sich für die Darstellung der jüdischen Strömungen zwischen 1492 und 1700 vorzüglich auf Gershom Scholems Arbeiten zur Mystik und Yirmiyahu Yovels Untersuchungen zur Rationalität der Marranen beruft, hat es leicht, die Mystik dem Logos entgegenzustellen (Sabbatai Zwi contra Baruch de Spinoza).
Alle religiös-orthodoxen und alle politisch-extremen (vorwiegend reaktionären) Erscheinungen sind für die Autorin fundamentalistisch, das heißt: fundamentalistisch sind religiöse oder politische Bewegungen genau dann, wenn sie ihren "Mythos" zu rationalisieren versuchen; wenn dieser als "Logos" einer wissenschaftlichen Wahrheit oder einer rationellen Ideologie verstanden wird. Wer als Christ (oder Jude oder Muslim) meint, die Glaubensinhalte seiner Religion seien so etwas wie Wahrheit, oder wer als Jude (oder Christ oder Muslim) glaubt, seine Religion ("Mythos") zu säkularen Zwecken ("Logos") einsetzen zu können, der ist ein Fundamentalist.
Die Autorin schreibt es nicht, doch der Schluß ist erlaubt: Alle diejenigen, die von ihrem Glauben, welcher er auch immer sei, überzeugt sind und ihn mit Wahrheitsanspruch verteidigen, sind Fundamentalisten und somit potentielle Terroristen. So einfach ist die Lösung. Die Vermischung von Mythos und Logos wird zum Signum der Moderne, und die Moderne erscheint als eine Verfallserscheinung der Vormoderne, als diese Bereiche noch schön getrennt waren und sich nur gegenseitig ergänzten (doch nie vermischten). Mythos muß Mythos bleiben, das ist das Fazit des Buches. Und in der Trennung jedes mystischen Mythos von dem strengen wissenschaftlichen Denken, dem "Logos", liegt das Heil unserer manichäistischen Welt.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Durch Gewalt lässt sich der Fundamentalismus nicht abwehren. Wenn wir ihn besiegen wollen, müssen wir ihn zunächst einmal verstehen. Dieses gescheite und ausgewogene Buch leistet dazu einen entscheidenden Beitrag." (Daily Telegraph)