Als ihr zu Hause die Luft wegbleibt, ergreift Miriam Spies mitten im Winter die Flucht nach Marokko. Denn wo kann man sich besser von deutscher Ordnung erholen als hier: Funktionierende Uhren sind in Marokko ebenso selten wie verbindliche Fahrpläne. Preise werden verhandelt, Hilfsbereitschaft ist selbstverständlich.
Mit einem Minimum an Geld, Plan und Gepäck macht sie sich auf die Reise durch ein Land, dessen Winter kalt und verregnet sind. Mal übernachtet sie in einer Studenten-WG, mal bei einer traditionellen marokkanischen Familie, mal im Hippie-Hostel. Ihr Reiseroman erzählt vom Unterwegssein durch eine fantastisch fremde Welt, von kauzigen Reisebegleitern, Minutenfreundschaften, schlaflos durchwachten Nächten und skurrilen Lebenswegkreuzungen.
Ihre Reise führt sie nach Nador, Tanger, Chefchaouen, Essaouira, Marrakesch, Casablanca und Rabat. Die großen historischen Stätten wie den Djeema el Fna sucht sie ebenso auf wie die dunklen Ecken, die man angeblich besser meidet. Doch umgeben von Bettlern und Veteranen, Krämern, Löwenmüttern und Studenten lernt Miriam bald: In Marokko reist man nie allein.
Mit einem Minimum an Geld, Plan und Gepäck macht sie sich auf die Reise durch ein Land, dessen Winter kalt und verregnet sind. Mal übernachtet sie in einer Studenten-WG, mal bei einer traditionellen marokkanischen Familie, mal im Hippie-Hostel. Ihr Reiseroman erzählt vom Unterwegssein durch eine fantastisch fremde Welt, von kauzigen Reisebegleitern, Minutenfreundschaften, schlaflos durchwachten Nächten und skurrilen Lebenswegkreuzungen.
Ihre Reise führt sie nach Nador, Tanger, Chefchaouen, Essaouira, Marrakesch, Casablanca und Rabat. Die großen historischen Stätten wie den Djeema el Fna sucht sie ebenso auf wie die dunklen Ecken, die man angeblich besser meidet. Doch umgeben von Bettlern und Veteranen, Krämern, Löwenmüttern und Studenten lernt Miriam bald: In Marokko reist man nie allein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2020Die Magie der Geschichten
Miriam Spies begibt sich mit dem Zufall als Reiseführer per pedes, Anhalter oder Nachtbus auf Winterreise durch Marokkos mythische Stätten. Das Buch steigert sich im Flow des Road Trips und mit zunehmender Magie nordafrikanischer Orte und Nächte. Hymnisch beschreibt sie die "weiße Stadt" Tanger als Sehnsuchtsort französischer Maler und Dichter seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und legendäre "Stadt der Lichter und Stimmen", der "Schmuggler und Spione" voller "Kif und Tee und Träume". Sie umreißt die bewusstseinsverändernde Begegnung mit der "blauen Stadt" Chefchaouen und den gegen den "bösen Blick" blaugetünchten Häusern als "Moment, als das Wundern in ein namenloses Staunen überging", und das süchtig machende Blau als "Whisky, der einem so lange schmeichelt, bis er einen in die Tiefe reißt". In Essaouira begibt sie sich auf Spurensuche der Hippiezeit und Musiklegenden wie Jimi Hendrix als dem "berühmtestes Wahnsinnigen der Stadt". Und verliert und verlustiert sich in den Souks von Marrakesch als Paralleluniversum einer "orgiastisch-sensorischen Springflut" und touristisches Mitmachtheater im Irrgarten des Seins. Die Kulturanthropologin überzeugt durch vergleichende Beobachtungen etwa über "Nichtstun" als Tätigkeit und positiv konnotierte Abwesenheit von Agitation, die Magie des Geschichtenerzählens, Gebetsrufe der Muezzins, die als "atonale Klangglocke" über den Städten schweben, Gastfreundschaft als Selbstzweck und das Wachsen durch Missverständnisse auf kulturellem "Spiegelsplitterparkett". Gekonnt schmückt Spies ihr Buch aus mit Zitaten aus "Tausendundeiner Nacht" oder Reminiszenzen anderer Marokko-Fahrer von Edith Wharton bis Helge Timmerberg. Doch schlägt sie auch kritische Töne an, wenn es um chinesische Billigware geht, die Händlern zu schaffen macht, um Flüchtlingsleid, den "Todesstreifen, der Afrika von Europa trennt", oder die Defizite der Monarchie. Marokko erscheint Spies als ein Land der Widersprüche: islamisch in den Augen des Westens und westlich in den Augen der Muslims. Am Ende des erheiternden wie erhellenden Roadtrips und marokkanischen Wintermärchens gerät die "westliche Arroganz, was die Vorherrschaft der Vernunft, der Ratio, gegenüber mythischen Weltzugängen angeht", ins Wanken.
sg.
"Im Land der kaputten Uhren. Mein marokkanischer Roadtrip" von Miriam Spies. Conbook Verlag, Neuss 2019. 288 Seiten. Broschiert, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Miriam Spies begibt sich mit dem Zufall als Reiseführer per pedes, Anhalter oder Nachtbus auf Winterreise durch Marokkos mythische Stätten. Das Buch steigert sich im Flow des Road Trips und mit zunehmender Magie nordafrikanischer Orte und Nächte. Hymnisch beschreibt sie die "weiße Stadt" Tanger als Sehnsuchtsort französischer Maler und Dichter seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und legendäre "Stadt der Lichter und Stimmen", der "Schmuggler und Spione" voller "Kif und Tee und Träume". Sie umreißt die bewusstseinsverändernde Begegnung mit der "blauen Stadt" Chefchaouen und den gegen den "bösen Blick" blaugetünchten Häusern als "Moment, als das Wundern in ein namenloses Staunen überging", und das süchtig machende Blau als "Whisky, der einem so lange schmeichelt, bis er einen in die Tiefe reißt". In Essaouira begibt sie sich auf Spurensuche der Hippiezeit und Musiklegenden wie Jimi Hendrix als dem "berühmtestes Wahnsinnigen der Stadt". Und verliert und verlustiert sich in den Souks von Marrakesch als Paralleluniversum einer "orgiastisch-sensorischen Springflut" und touristisches Mitmachtheater im Irrgarten des Seins. Die Kulturanthropologin überzeugt durch vergleichende Beobachtungen etwa über "Nichtstun" als Tätigkeit und positiv konnotierte Abwesenheit von Agitation, die Magie des Geschichtenerzählens, Gebetsrufe der Muezzins, die als "atonale Klangglocke" über den Städten schweben, Gastfreundschaft als Selbstzweck und das Wachsen durch Missverständnisse auf kulturellem "Spiegelsplitterparkett". Gekonnt schmückt Spies ihr Buch aus mit Zitaten aus "Tausendundeiner Nacht" oder Reminiszenzen anderer Marokko-Fahrer von Edith Wharton bis Helge Timmerberg. Doch schlägt sie auch kritische Töne an, wenn es um chinesische Billigware geht, die Händlern zu schaffen macht, um Flüchtlingsleid, den "Todesstreifen, der Afrika von Europa trennt", oder die Defizite der Monarchie. Marokko erscheint Spies als ein Land der Widersprüche: islamisch in den Augen des Westens und westlich in den Augen der Muslims. Am Ende des erheiternden wie erhellenden Roadtrips und marokkanischen Wintermärchens gerät die "westliche Arroganz, was die Vorherrschaft der Vernunft, der Ratio, gegenüber mythischen Weltzugängen angeht", ins Wanken.
sg.
"Im Land der kaputten Uhren. Mein marokkanischer Roadtrip" von Miriam Spies. Conbook Verlag, Neuss 2019. 288 Seiten. Broschiert, 14,95 Euro.
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»Als Frau on the road in einem muslimisch geprägten Land - Alltägliches wird zum Abenteuer, und westliche Zivilisationsgewissheiten fliegen über Bord. Offenund vorurteilsfrei bewegt sich Miriam Spies im Fremden, um Vermittlerin zwischen den Kulturen zu werden. Ein packender Reisebereicht aus einem Land, das zwischen Tradition und Aufbruch oszilliert.« (Boris Kerenski, Mitherausgeber von Tanger Telegramm)