Bewundert und gehasst - kaum jemand polarisiert so wie die ehemalige Chefanklägerin des UN-Tribunals in Den Haag, Carla Del Ponte.
In ihren explosiven Enthüllungen schildert Carla Del Ponte freimütig, wie sie systematisch an ihrer Arbeit gehindert wurde und wie schwierig ihre kompromisslose, oft einsame Jagd nach Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda war. Eine unbeirrbare, außergewöhnliche Frau, die ihr Leben in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt hat und dafür einen hohen Preis zahlt.
Von der Wirtstochter aus einem kleinen Ort im Tessin hin zur international gefürchteten Anklägerin: Carla Del Ponte schildert überraschend offen ihren ungewöhnlichen Werdegang und ihren resoluten Kampf gegen das Verbrechen. Ob sie als Staats- und Bundesanwältin gegen die Mafia kämpfte, was ihr den Spitznamen »Carlita la pesta« eintrug, russischen Oligarchen oder dem Bhutto-Clan das Geld einfror, ob sie die gefährlichsten Kriegsverbrecher jagte, die USA offen kritisierte oder sich allein gegen die NATO stellte, immer forderte sie für die Justiz ein, auch dann zu richten, wenn es gegen sämtliche Spielregeln der Politik und Diplomatie ging.
In ihren explosiven Enthüllungen schildert Carla Del Ponte freimütig, wie sie systematisch an ihrer Arbeit gehindert wurde und wie schwierig ihre kompromisslose, oft einsame Jagd nach Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda war. Eine unbeirrbare, außergewöhnliche Frau, die ihr Leben in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt hat und dafür einen hohen Preis zahlt.
Von der Wirtstochter aus einem kleinen Ort im Tessin hin zur international gefürchteten Anklägerin: Carla Del Ponte schildert überraschend offen ihren ungewöhnlichen Werdegang und ihren resoluten Kampf gegen das Verbrechen. Ob sie als Staats- und Bundesanwältin gegen die Mafia kämpfte, was ihr den Spitznamen »Carlita la pesta« eintrug, russischen Oligarchen oder dem Bhutto-Clan das Geld einfror, ob sie die gefährlichsten Kriegsverbrecher jagte, die USA offen kritisierte oder sich allein gegen die NATO stellte, immer forderte sie für die Justiz ein, auch dann zu richten, wenn es gegen sämtliche Spielregeln der Politik und Diplomatie ging.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2009Gerecht und selbstgerecht
Die frühere Chefanklägerin Carla del Ponte zieht Bilanz: Jagd auf Kriegsverbrecher
Carla del Ponte war von 1999 bis 2008 Chefanklägerin des vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 1993 eingesetzten Internationalen Straftribunals für das ehemalige Jugoslawien. Nun schildert sie ihren Aufstieg von der Wirtstochter aus einem kleinen Ort im Tessin zur Schweizer Staats- und Bundesanwältin und schließlich zur obersten Anklägerin Internationaler Strafgerichte. Diese aufreibende, teils erfolgreiche, teils frustrierende Tätigkeit steht im Mittelpunkt des Buches.
Die Erinnerungen erzählen die Geschichte einer Einzelkämpferin für die Gerechtigkeit: Carla del Ponte gegen den Rest der Welt. Bei ihrem ambitionierten Versuch einer umfassenden Aufklärung der schweren, von Serben, Kroaten, Bosniaken und Kosovo-Albanern begangenen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, bei der Forderung nach Verhaftung und Auslieferung mutmaßlicher, unter Anklage gestellter Haupttäter an das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag sei sie immer wieder gegen eine Gummiwand offener Ablehnung, verdeckter Obstruktion und mangelnder Unterstützung gestoßen. Politiker und Diplomaten aus allen beteiligten Ländern hätten aus eigennützigen Motiven oder wegen des Ziels eines Friedens ohne Gerechtigkeit an der Strafverfolgung kein oder kein hinreichendes Interesse gehabt, sie unter Verletzung der übernommenen Kooperationspflicht in ihrem Elan bremsen und damit den Lauf der Gerechtigkeit aufhalten wollen.
Aber natürlich ließ sich die Chefanklägerin in der ihr eigenen Hartnäckigkeit durch all diese Widrigkeiten von ihrem unbedingten Einsatz für Gerechtigkeit nicht abbringen, weder durch falsche Freundlichkeit einschläfern noch durch empfindlichen Druck gefügig machen, sondern blieb im Interesse der Opfer, denen sie ihre Stimme lieh, unerbittlich. Die einzige Möglichkeit, dem Recht zur Geltung zu verhelfen, habe darin bestanden, konsequent und beharrlich ihren Willen durchzusetzen. Selbst gegen die Nato habe sie wegen der Bombardierungen Serbiens 1999 eine Untersuchung einleiten wollen, doch hiervon Abstand nehmen müssen, um nicht die gesamte übrige Arbeit des Tribunals zu gefährden. In Wirklichkeit dürfte sich das Mandat des Tribunals auf etwaige Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der Nato-Operation gar nicht erstreckt haben.
Man muss Carla del Ponte für ihren unermüdlichen Einsatz, ohne den es sicherlich nicht zu der großen Anzahl von Anklagen und Verurteilungen gekommen wäre, hohen Respekt zollen. Sie hat damit entscheidend dazu beigetragen, die von ihr sogenannte (Un-)Kultur der Straflosigkeit zu beenden und sicherzustellen, dass man sich für Kriegsverbrechen auch und gerade dann, wenn man sie in politischen oder militärischen Führungspositionen begeht, verantworten muss. Dass nicht alle gesuchten mutmaßlichen Täter gefasst werden konnten, das Verfahren gegen den des Völkermords angeklagten Milosevic nicht abgeschlossen werden konnte, erfüllt Frau del Ponte am Ende ihrer Amtszeit mit offenkundiger Bitterkeit, die indes die erfolgreiche Arbeit des Tribunals nicht in Vergessenheit geraten lassen sollte.
Das Buch ist am eindrücklichsten, wenn es die Opfer und Zeugen unsäglicher Verbrechen zu Wort kommen lässt. Dann fühlt und versteht man unmittelbar, was Carla del Ponte als Chefanklägerin angetrieben hat. Was die Lektüre des Buches dagegen teilweise schwer erträglich macht, ist die ausgeprägte Selbstgerechtigkeit der Autorin. Wenn in Verfahren etwas schiefgelaufen ist, sind immer die anderen schuld: die Mitarbeiter in der Anklagebehörde, die inkompetent oder unwillig sind, ihre Anweisungen zu befolgen, oder die Richter, die nicht den Anträgen der Anklage folgen. Ihnen wirft del Ponte vor, sich "an rechtstechnischem Kleinkram und Wortklaubereien" festzuhalten, "statt sich rechtschaffen darum zu bemühen, die Wahrheit herauszufinden und den Opfern . . . die Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auf die sie Anspruch hatten". Eine völlig unangemessene Richterschelte, die sich wiederholt.
Ansätze von Selbstkritik münden stets in neuer Kritik an den vielen anderen, die sich ihr - so die etwas schlichte Wahrnehmung - bei der Suche nach Gerechtigkeit unbotmäßig in den Weg gestellt haben. Aber darf nicht vielleicht doch, um des Friedens willen, das heißt zur Verhinderung weiterer Gewaltopfer, das Ziel der Herstellung von Gerechtigkeit zurückgestellt werden? Zumal bei einem internationalen Straftribunal, dessen Jurisdiktion nicht Selbstzweck, sondern Mittel des Sicherheitsrates zur Wahrnehmung seiner präventiven Befugnisse zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist? Dass sich Carla del Ponte während ihrer Amtszeit nicht von Kritik hat anfechten lassen, sondern unbeirrt ihren Weg gegangen ist, ist verständlich. Mit Selbstzweifeln hätte sie ihre Aufgabe nicht bewältigen können. Dass sie indes auch im Rückblick nicht zu wirklicher Selbstkritik fähig ist, in den rechtlichen und politischen Einwänden, die gegen das Tribunal und manche Entscheidung zur vermeintlichen Unzeit vorgebracht worden sind, nur Ablenkungsmanöver erblicken kann, offenbart aber eine Einseitigkeit der Betrachtung, in der sie indes eine persönliche Schwäche nicht zu erblicken vermag.
Schon als Kind habe sie zusammen mit ihren Brüdern Schlangen gejagt, erzählt Carla del Ponte. "Bis heute bin ich eher Schlangenjägerin als Rechtswissenschaftlerin. Nach einem Vierteljahrhundert als Anklägerin sehen meine Augen mehr Schwarz und Weiß als Grautöne, und ich halte das für einen Vorzug." Gerecht und selbstgerecht - Carla del Ponte kann nicht anders.
CHRISTIAN HILLGRUBER
Carla del Ponte/Chuck Sudetic: Im Namen der Anklage. Meine Jagd auf Kriegsverbrecher. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 528 S., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die frühere Chefanklägerin Carla del Ponte zieht Bilanz: Jagd auf Kriegsverbrecher
Carla del Ponte war von 1999 bis 2008 Chefanklägerin des vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 1993 eingesetzten Internationalen Straftribunals für das ehemalige Jugoslawien. Nun schildert sie ihren Aufstieg von der Wirtstochter aus einem kleinen Ort im Tessin zur Schweizer Staats- und Bundesanwältin und schließlich zur obersten Anklägerin Internationaler Strafgerichte. Diese aufreibende, teils erfolgreiche, teils frustrierende Tätigkeit steht im Mittelpunkt des Buches.
Die Erinnerungen erzählen die Geschichte einer Einzelkämpferin für die Gerechtigkeit: Carla del Ponte gegen den Rest der Welt. Bei ihrem ambitionierten Versuch einer umfassenden Aufklärung der schweren, von Serben, Kroaten, Bosniaken und Kosovo-Albanern begangenen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, bei der Forderung nach Verhaftung und Auslieferung mutmaßlicher, unter Anklage gestellter Haupttäter an das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag sei sie immer wieder gegen eine Gummiwand offener Ablehnung, verdeckter Obstruktion und mangelnder Unterstützung gestoßen. Politiker und Diplomaten aus allen beteiligten Ländern hätten aus eigennützigen Motiven oder wegen des Ziels eines Friedens ohne Gerechtigkeit an der Strafverfolgung kein oder kein hinreichendes Interesse gehabt, sie unter Verletzung der übernommenen Kooperationspflicht in ihrem Elan bremsen und damit den Lauf der Gerechtigkeit aufhalten wollen.
Aber natürlich ließ sich die Chefanklägerin in der ihr eigenen Hartnäckigkeit durch all diese Widrigkeiten von ihrem unbedingten Einsatz für Gerechtigkeit nicht abbringen, weder durch falsche Freundlichkeit einschläfern noch durch empfindlichen Druck gefügig machen, sondern blieb im Interesse der Opfer, denen sie ihre Stimme lieh, unerbittlich. Die einzige Möglichkeit, dem Recht zur Geltung zu verhelfen, habe darin bestanden, konsequent und beharrlich ihren Willen durchzusetzen. Selbst gegen die Nato habe sie wegen der Bombardierungen Serbiens 1999 eine Untersuchung einleiten wollen, doch hiervon Abstand nehmen müssen, um nicht die gesamte übrige Arbeit des Tribunals zu gefährden. In Wirklichkeit dürfte sich das Mandat des Tribunals auf etwaige Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der Nato-Operation gar nicht erstreckt haben.
Man muss Carla del Ponte für ihren unermüdlichen Einsatz, ohne den es sicherlich nicht zu der großen Anzahl von Anklagen und Verurteilungen gekommen wäre, hohen Respekt zollen. Sie hat damit entscheidend dazu beigetragen, die von ihr sogenannte (Un-)Kultur der Straflosigkeit zu beenden und sicherzustellen, dass man sich für Kriegsverbrechen auch und gerade dann, wenn man sie in politischen oder militärischen Führungspositionen begeht, verantworten muss. Dass nicht alle gesuchten mutmaßlichen Täter gefasst werden konnten, das Verfahren gegen den des Völkermords angeklagten Milosevic nicht abgeschlossen werden konnte, erfüllt Frau del Ponte am Ende ihrer Amtszeit mit offenkundiger Bitterkeit, die indes die erfolgreiche Arbeit des Tribunals nicht in Vergessenheit geraten lassen sollte.
Das Buch ist am eindrücklichsten, wenn es die Opfer und Zeugen unsäglicher Verbrechen zu Wort kommen lässt. Dann fühlt und versteht man unmittelbar, was Carla del Ponte als Chefanklägerin angetrieben hat. Was die Lektüre des Buches dagegen teilweise schwer erträglich macht, ist die ausgeprägte Selbstgerechtigkeit der Autorin. Wenn in Verfahren etwas schiefgelaufen ist, sind immer die anderen schuld: die Mitarbeiter in der Anklagebehörde, die inkompetent oder unwillig sind, ihre Anweisungen zu befolgen, oder die Richter, die nicht den Anträgen der Anklage folgen. Ihnen wirft del Ponte vor, sich "an rechtstechnischem Kleinkram und Wortklaubereien" festzuhalten, "statt sich rechtschaffen darum zu bemühen, die Wahrheit herauszufinden und den Opfern . . . die Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auf die sie Anspruch hatten". Eine völlig unangemessene Richterschelte, die sich wiederholt.
Ansätze von Selbstkritik münden stets in neuer Kritik an den vielen anderen, die sich ihr - so die etwas schlichte Wahrnehmung - bei der Suche nach Gerechtigkeit unbotmäßig in den Weg gestellt haben. Aber darf nicht vielleicht doch, um des Friedens willen, das heißt zur Verhinderung weiterer Gewaltopfer, das Ziel der Herstellung von Gerechtigkeit zurückgestellt werden? Zumal bei einem internationalen Straftribunal, dessen Jurisdiktion nicht Selbstzweck, sondern Mittel des Sicherheitsrates zur Wahrnehmung seiner präventiven Befugnisse zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist? Dass sich Carla del Ponte während ihrer Amtszeit nicht von Kritik hat anfechten lassen, sondern unbeirrt ihren Weg gegangen ist, ist verständlich. Mit Selbstzweifeln hätte sie ihre Aufgabe nicht bewältigen können. Dass sie indes auch im Rückblick nicht zu wirklicher Selbstkritik fähig ist, in den rechtlichen und politischen Einwänden, die gegen das Tribunal und manche Entscheidung zur vermeintlichen Unzeit vorgebracht worden sind, nur Ablenkungsmanöver erblicken kann, offenbart aber eine Einseitigkeit der Betrachtung, in der sie indes eine persönliche Schwäche nicht zu erblicken vermag.
Schon als Kind habe sie zusammen mit ihren Brüdern Schlangen gejagt, erzählt Carla del Ponte. "Bis heute bin ich eher Schlangenjägerin als Rechtswissenschaftlerin. Nach einem Vierteljahrhundert als Anklägerin sehen meine Augen mehr Schwarz und Weiß als Grautöne, und ich halte das für einen Vorzug." Gerecht und selbstgerecht - Carla del Ponte kann nicht anders.
CHRISTIAN HILLGRUBER
Carla del Ponte/Chuck Sudetic: Im Namen der Anklage. Meine Jagd auf Kriegsverbrecher. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 528 S., 22,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Dorion Weickmann ist enttäuscht von diesem Buch der ehemaligen Chefanklägerin des internationalen Strafgerichtshofs für Jugoslawien, Carla Del Ponte. Denn ihre Abrechnung mit dem Tribunal fällt ihm deutlich zu vage aus. Statt Gründe für den schleppenden Gang der Verfahren gegen Milosevic und Co. zu nennen oder zu analysieren, bleibe sie in einer verbitterten Vorwurfshaltung stecken. Lange weiß der Rezensent gar nicht, für wen dieses Buch überhaupt geschrieben wurde. Erst nach circa 450 Seiten wird ihm klar, dass Carla Del Ponte das Scheitern des Gerichtshof an postjugoslawischen Potentaten, machtbewussten Politfunktionären und unterbelichteten Mitarbeitern angesichts der Opfer und ihrer Hinterbliebenen sehr persönlich nimmt. So liest der Rezensent das Buch auch als persönlichen Rechenschaftsbericht, hätte aber lieber gesehen, Del Ponte hätte die Strukturen jenseits der "Gummiwand", gegen die sie stets stieß, offensiver dargelegt, statt in Ohnmacht davor stehen zu bleiben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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