Die östlichen Geheimdienste waren böse, die westlichen - BND, CIA und Mossad - hingegen "sauber". Diese weitverbreitete Ansicht machte den Bundestagsabgeordneten von Bülow mißtrauisch, und er begann auf eigene Faust zu ermitteln. Das Ergebnis seiner Recherchen war alarmierend: Die westlichen Geheimdienste, so seine Behauptung, haben in den vergangenen Jahren kräftig mitgemischt - beim Drogenhandel, im Terrorismus und in Kreisen der organisierten Kriminalität.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.1999Steuerung ganzer Nationen
Verschwörungstheorien eines Staatssekretärs a.D.
Andreas von Bülow: Im Namen des Staates. CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste. Piper Verlag, München 1998. 635 Seiten, 46,- Mark.
Nach allgemeiner Ansicht ist es die Aufgabe von Nachrichtendiensten, Informationen zu sammeln und auszuwerten. Das vorliegende Buch zeichnet ein anderes Bild: Nachrichtendienste, in erster Linie der amerikanische Auslandsnachrichtendienst CIA, beschäftigen sich danach vornehmlich mit Rauschgift- und Waffenhandel, Geldwäsche, Mordanschlägen gegen unliebsame Politiker, Terrorismus und dem Anzetteln von Aufständen - und das alles unter dem Deckmantel der Verteidigung der Freiheit gegen den Kommunismus.
Entspricht dieses Bild der Wirklichkeit? Es ist bekannt, daß die CIA und auch andere Nachrichtendienste demokratischer Länder, wie etwa der israelische Mossad, in verbrecherische Aktivitäten verwickelt waren. Untersuchungsausschüsse des amerikanischen Kongresses und Berichte in den Medien haben dafür gesorgt, daß viele dieser Vorgänge öffentlich wurden und Vorkehrungen getroffen werden konnten, um Wiederholungen zu verhindern.
Andreas von Bülow, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollausschusses für die Nachrichtendienste, hat nun eine gewaltige Menge an Informationen zu einem Sündenregister vor allem der CIA, aber auch des Mossad und des BND zusammengefaßt. Zu einem Teil handelt es sich um Informationen, die bekannt waren und die unstrittig sind: Mordanschläge auf Fidel Castro und andere als gefährlich betrachtete Politiker, vor allem in der Dritten Welt; die Beteiligung am Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Allende; verdeckte Unterstützungen von Aufständen und Widerstandsbewegungen; Verstrickung in Rauschgift- und Waffenhandel, vor allem im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre. Außer Zweifel steht auch, daß CIA und Mossad Mittel und Methoden eingesetzt haben, die in einem demokratischen Rechtsstaat und in einer das Völkerrecht achtenden internationalen Gemeinschaft nicht geduldet werden können.
Die Darstellung des früheren SPD-Politikers geht jedoch weit über diese Informationen hinaus, die bereits ausgereicht hätten, um ungesetzliche Aktivitäten von Nachrichtendiensten offenzulegen. Bülow fügt eine Menge von Behauptungen und Schlußfolgerungen hinzu, die nicht eindeutig belegt sind oder wenig überzeugen. Ist es zum Beispiel gerechtfertigt, von einer "symbiotischen Lebensgemeinschaft" von Nachrichtendiensten und organisierter Kriminalität zu sprechen? Trifft es zu, daß der Kampf gegen den Rauschgifthandel nicht zuletzt deshalb erfolglos bleibt, weil Geheimdienste ihn für ihre Zwecke nutzen und von ihm profitieren? Was heißt es, wenn behauptet wird, daß Deutschland zu den 50 (warum gerade 50?) Nationen gehöre, deren Geschicke die CIA mit verdeckten Operationen zu lenken versuche? Ist der islamische Fundamentalismus wirklich eine Erfindung der CIA, um nach dem Ende des Kommunismus einen neuen Erzfeind aufbauen zu können? Sind schließlich auch der europäische und Teile des arabischen Terrorismus einschließlich Roter Armee Fraktion sowie Abu-Nidal-Gruppe von der CIA beziehungsweise vom Mossad gesteuert gewesen? Für diese wie für andere Behauptungen kann Bülow keine Belege vorweisen, auch dafür nicht, daß der Mossad die "Carlos-Gruppe" nach Belieben steuern konnte; oder daß die Fahndung nach der Schleyer-Entführung sabotiert worden sei, daß die Überfälle auf belgische Supermärkte (28 Tote) wahrscheinlich unter dem Schutz des belgischen Geheimdienstes stattgefunden hätten; daß Frankreich Mordbanden angeheuert habe, welche in Bosnien-Hercegovina die ethnischen Säuberungen vorantrieben.
Diese Behauptungen und Mutmaßungen dürften zum Teil mit der Auswahl der Quellen zusammenhängen. Von den mehr als 1000 Anmerkungen und Verweisen beziehen sich etwa die Hälfte auf ein halbes Dutzend CIA-kritischer Bücher und auf zwei besondere Publikationen: die nicht sehr repräsentative "The Nation" und das "Covert Action Information Bulletin", das auf die Enthüllung nachrichtendienstlicher Missetaten spezialisiert ist. Letztlich mündet Bülows Darstellung in eine Verschwörungstheorie, die hinter einer "verdeckten Steuerung" ganzer Nationen die CIA erkennt.
HANS KLUTH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verschwörungstheorien eines Staatssekretärs a.D.
Andreas von Bülow: Im Namen des Staates. CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste. Piper Verlag, München 1998. 635 Seiten, 46,- Mark.
Nach allgemeiner Ansicht ist es die Aufgabe von Nachrichtendiensten, Informationen zu sammeln und auszuwerten. Das vorliegende Buch zeichnet ein anderes Bild: Nachrichtendienste, in erster Linie der amerikanische Auslandsnachrichtendienst CIA, beschäftigen sich danach vornehmlich mit Rauschgift- und Waffenhandel, Geldwäsche, Mordanschlägen gegen unliebsame Politiker, Terrorismus und dem Anzetteln von Aufständen - und das alles unter dem Deckmantel der Verteidigung der Freiheit gegen den Kommunismus.
Entspricht dieses Bild der Wirklichkeit? Es ist bekannt, daß die CIA und auch andere Nachrichtendienste demokratischer Länder, wie etwa der israelische Mossad, in verbrecherische Aktivitäten verwickelt waren. Untersuchungsausschüsse des amerikanischen Kongresses und Berichte in den Medien haben dafür gesorgt, daß viele dieser Vorgänge öffentlich wurden und Vorkehrungen getroffen werden konnten, um Wiederholungen zu verhindern.
Andreas von Bülow, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollausschusses für die Nachrichtendienste, hat nun eine gewaltige Menge an Informationen zu einem Sündenregister vor allem der CIA, aber auch des Mossad und des BND zusammengefaßt. Zu einem Teil handelt es sich um Informationen, die bekannt waren und die unstrittig sind: Mordanschläge auf Fidel Castro und andere als gefährlich betrachtete Politiker, vor allem in der Dritten Welt; die Beteiligung am Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Allende; verdeckte Unterstützungen von Aufständen und Widerstandsbewegungen; Verstrickung in Rauschgift- und Waffenhandel, vor allem im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre. Außer Zweifel steht auch, daß CIA und Mossad Mittel und Methoden eingesetzt haben, die in einem demokratischen Rechtsstaat und in einer das Völkerrecht achtenden internationalen Gemeinschaft nicht geduldet werden können.
Die Darstellung des früheren SPD-Politikers geht jedoch weit über diese Informationen hinaus, die bereits ausgereicht hätten, um ungesetzliche Aktivitäten von Nachrichtendiensten offenzulegen. Bülow fügt eine Menge von Behauptungen und Schlußfolgerungen hinzu, die nicht eindeutig belegt sind oder wenig überzeugen. Ist es zum Beispiel gerechtfertigt, von einer "symbiotischen Lebensgemeinschaft" von Nachrichtendiensten und organisierter Kriminalität zu sprechen? Trifft es zu, daß der Kampf gegen den Rauschgifthandel nicht zuletzt deshalb erfolglos bleibt, weil Geheimdienste ihn für ihre Zwecke nutzen und von ihm profitieren? Was heißt es, wenn behauptet wird, daß Deutschland zu den 50 (warum gerade 50?) Nationen gehöre, deren Geschicke die CIA mit verdeckten Operationen zu lenken versuche? Ist der islamische Fundamentalismus wirklich eine Erfindung der CIA, um nach dem Ende des Kommunismus einen neuen Erzfeind aufbauen zu können? Sind schließlich auch der europäische und Teile des arabischen Terrorismus einschließlich Roter Armee Fraktion sowie Abu-Nidal-Gruppe von der CIA beziehungsweise vom Mossad gesteuert gewesen? Für diese wie für andere Behauptungen kann Bülow keine Belege vorweisen, auch dafür nicht, daß der Mossad die "Carlos-Gruppe" nach Belieben steuern konnte; oder daß die Fahndung nach der Schleyer-Entführung sabotiert worden sei, daß die Überfälle auf belgische Supermärkte (28 Tote) wahrscheinlich unter dem Schutz des belgischen Geheimdienstes stattgefunden hätten; daß Frankreich Mordbanden angeheuert habe, welche in Bosnien-Hercegovina die ethnischen Säuberungen vorantrieben.
Diese Behauptungen und Mutmaßungen dürften zum Teil mit der Auswahl der Quellen zusammenhängen. Von den mehr als 1000 Anmerkungen und Verweisen beziehen sich etwa die Hälfte auf ein halbes Dutzend CIA-kritischer Bücher und auf zwei besondere Publikationen: die nicht sehr repräsentative "The Nation" und das "Covert Action Information Bulletin", das auf die Enthüllung nachrichtendienstlicher Missetaten spezialisiert ist. Letztlich mündet Bülows Darstellung in eine Verschwörungstheorie, die hinter einer "verdeckten Steuerung" ganzer Nationen die CIA erkennt.
HANS KLUTH
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