Roberto Rossellini würde im Frühjahr 2006 hundert Jahre alt. Der große italienische Regisseur, der mit "Rom, offene Stadt" Filmgeschichte machte, erlangte aber auch Berühmtheit als der Mann, der zwischen den beiden schönsten, aufregendsten Frauen seiner Zeit stand: zwischen Anna Magnani und Ingrid Bergmann. Sein Geburtstagsgeschenk bekommt er nun von einer dritten: Tochter Isabella hat dieses einzigartige Bilder- Erinnerungsbuch für den geliebten Vater zusammengestellt.Neben Photos aus dem Familienalbum und Bildern aus Rossellinis berühmtesten Filmen "Rom, offene Stadt", "Stromboli" oder "Deutschland, Stunde Null" enthält es erstmals auf deutsch veröffentlichte Interviews mit dem Meister des Neorealismus, zum Beispiel von Francois Truffaut. Rossellinis Gedanken zum Wesen des Schauspiels, über das Familienleben, über seine Beziehung zu Indien, die er in seiner "Quasi-Autobiographie" einem italienischen Journalisten anvertraut hat, sind hier erstmals nachzulesen.
Dies Buch ist jedoch mehr: Es begleitet auch einen Kurzfilm, den Isabella ihrem Vater zum 100. Geburtstag gewidmet hat: einen Film, der auf humorvolle, verspielte Weise die Geister der Filmvergangenheit des Vaters beschwört. Isabella schlüpft in die Rollen seiner Weggefährten und Kollegen, von Hitchcock bis Charlie Chaplin und führt ein fiktives Gespräch mit ihrem Vater und den Geistern, die er rief. Der Film, bei dem der kanadische Filmemacher Guy Maddin Regie führte, wird Ende September 2005 Weltpremiere haben.
Dies Buch ist jedoch mehr: Es begleitet auch einen Kurzfilm, den Isabella ihrem Vater zum 100. Geburtstag gewidmet hat: einen Film, der auf humorvolle, verspielte Weise die Geister der Filmvergangenheit des Vaters beschwört. Isabella schlüpft in die Rollen seiner Weggefährten und Kollegen, von Hitchcock bis Charlie Chaplin und führt ein fiktives Gespräch mit ihrem Vater und den Geistern, die er rief. Der Film, bei dem der kanadische Filmemacher Guy Maddin Regie führte, wird Ende September 2005 Weltpremiere haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2006Die Liebe des Seepferdchens
Isabella Rossellini erinnert in einem Buch an ihren Vater
Roberto Rossellini lag gern im Bett. Dort arbeitete er, dachte nach, trank Espresso, telefonierte und schnitt seine Filme. Und scharte seine sieben Kinder um sich. Er war sehr dick, was bei dieser Lebensweise nicht verwundert, aber dennoch ist seine Tochter Isabella davon überzeugt, daß er, hätte er die Wahl gehabt, gern als Seepferdchen zur Welt gekommen wäre. Das sind eher zierliche Wesen, doch bei dieser Spezies sind es die Männchen, die schwanger werden, das dürfte Rossellini gereizt haben. Eine "jiddische Mamme" nennt ihn seine Tochter. Als Mann aber fühlte er sich wenigstens schwanger an, und er spielte gern die nährende Muttersau, die dick auf dem Bett liegend darauf wartete, daß sich die Kinder wie die Ferkel an ihn warfen.
Es scheint sehr körperlich und liebevoll zugegangen zu sein im Haushalt Rossellini, zu dem zumindest in den ersten Lebensjahren Isabellas auch Ingrid Bergman, ihre Mutter, gehörte, bis Rossellini sie für die indische Schauspielerin Sonali Das Gupta verließ, so wie er Anna Magnani für Ingrid Bergman verlassen hatte. Bitterkeit hat das bei der Tochter offenbar nicht ausgelöst. Das Buch, das sie im Gedenken an ihren Vater und zu dessen Ehren für seinen hundertsten Geburtstag geschrieben hat, und der Siebzehn-Minuten-Kurzfilm, der gleichzeitig entstand und dessen Drehbuch mit zahlreichen Fotos und Zeichnungen Teil des Buchs geworden sind, sind ein vollkommen unambivalentes Zeugnis großer Tochterliebe. Es war eine in jeder Hinsicht großzügige Umgebung, in der Isabella aufwuchs, und diese Haltung hat sie sich bewahrt.
Isabella Rossellini schreibt, daß sie viel mit Filmrestaurierung und Archiven zu tun hat und daß ihr daher das Herz blutet, wenn sie beobachtet, wie das Werk ihres Vaters nach und nach verblaßt, bis es ganz verschwunden sein wird. Da die Familie zum überwiegenden Teil die Rechte an seinen Filmen nicht besitzt, kann sie kaum etwas dagegen tun. Auch das war ein Grund, dieses kleine, sorgfältig gestaltete und amüsante Buch herauszubringen, in dem sie mit eigenen Erinnerungen, zum Teil unbekannten Familienbildern und Zeugnissen von Zeitgenossen den Namen ihres Vaters ins Gedächtnis ruft.
Roberto Rossellini selbst kommt, unter anderem mit einem verspielten Brief an seine Kinder, ausführlich zu Wort, ebenso Ingrid Bergman und Federico Fellini, der mit Rossellini zusammengearbeitet hat - das sind die Geister, die im Titel des Buchs "Im Namen des Vaters, der Tochter und der heiligen Geister" angerufen werden. Und zum Schluß wird in Auszügen das Interview dokumentiert, das François Truffaut und Eric Rohmer 1954 für die "Cahiers du Cinéma" mit dem Italiener geführt haben. "Für mich ist Neorealismus vor allem ein moralischer Standpunkt, von dem aus ich die Welt betrachte", sagt Rossellini dort. Man kann das als erschöpfenden Kommentar zu der Richtung des Kinos nehmen, die für immer mit seinem Namen verbunden sein wird, und als bis heute gültige Kampfansage an alle, die glauben, es gehöre notwendig zu dieser Haltung, Filme möglichst völlig ohne Geld zu drehen.
VERENA LUEKEN
Isabella Rossellini: "Im Namen des Vaters, der Tochter und der heiligen Geister". Erinnerungen an Roberto Rossellini. Aus dem Englischen und Italienischen übersetzt von Marion Kagerer, Carina von Enzenberg, Marianne Schneider und Viktoria von Schirach. SchirmerGraf Verlag, München 2006. 143 S., Abb., geb., 24,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Isabella Rossellini erinnert in einem Buch an ihren Vater
Roberto Rossellini lag gern im Bett. Dort arbeitete er, dachte nach, trank Espresso, telefonierte und schnitt seine Filme. Und scharte seine sieben Kinder um sich. Er war sehr dick, was bei dieser Lebensweise nicht verwundert, aber dennoch ist seine Tochter Isabella davon überzeugt, daß er, hätte er die Wahl gehabt, gern als Seepferdchen zur Welt gekommen wäre. Das sind eher zierliche Wesen, doch bei dieser Spezies sind es die Männchen, die schwanger werden, das dürfte Rossellini gereizt haben. Eine "jiddische Mamme" nennt ihn seine Tochter. Als Mann aber fühlte er sich wenigstens schwanger an, und er spielte gern die nährende Muttersau, die dick auf dem Bett liegend darauf wartete, daß sich die Kinder wie die Ferkel an ihn warfen.
Es scheint sehr körperlich und liebevoll zugegangen zu sein im Haushalt Rossellini, zu dem zumindest in den ersten Lebensjahren Isabellas auch Ingrid Bergman, ihre Mutter, gehörte, bis Rossellini sie für die indische Schauspielerin Sonali Das Gupta verließ, so wie er Anna Magnani für Ingrid Bergman verlassen hatte. Bitterkeit hat das bei der Tochter offenbar nicht ausgelöst. Das Buch, das sie im Gedenken an ihren Vater und zu dessen Ehren für seinen hundertsten Geburtstag geschrieben hat, und der Siebzehn-Minuten-Kurzfilm, der gleichzeitig entstand und dessen Drehbuch mit zahlreichen Fotos und Zeichnungen Teil des Buchs geworden sind, sind ein vollkommen unambivalentes Zeugnis großer Tochterliebe. Es war eine in jeder Hinsicht großzügige Umgebung, in der Isabella aufwuchs, und diese Haltung hat sie sich bewahrt.
Isabella Rossellini schreibt, daß sie viel mit Filmrestaurierung und Archiven zu tun hat und daß ihr daher das Herz blutet, wenn sie beobachtet, wie das Werk ihres Vaters nach und nach verblaßt, bis es ganz verschwunden sein wird. Da die Familie zum überwiegenden Teil die Rechte an seinen Filmen nicht besitzt, kann sie kaum etwas dagegen tun. Auch das war ein Grund, dieses kleine, sorgfältig gestaltete und amüsante Buch herauszubringen, in dem sie mit eigenen Erinnerungen, zum Teil unbekannten Familienbildern und Zeugnissen von Zeitgenossen den Namen ihres Vaters ins Gedächtnis ruft.
Roberto Rossellini selbst kommt, unter anderem mit einem verspielten Brief an seine Kinder, ausführlich zu Wort, ebenso Ingrid Bergman und Federico Fellini, der mit Rossellini zusammengearbeitet hat - das sind die Geister, die im Titel des Buchs "Im Namen des Vaters, der Tochter und der heiligen Geister" angerufen werden. Und zum Schluß wird in Auszügen das Interview dokumentiert, das François Truffaut und Eric Rohmer 1954 für die "Cahiers du Cinéma" mit dem Italiener geführt haben. "Für mich ist Neorealismus vor allem ein moralischer Standpunkt, von dem aus ich die Welt betrachte", sagt Rossellini dort. Man kann das als erschöpfenden Kommentar zu der Richtung des Kinos nehmen, die für immer mit seinem Namen verbunden sein wird, und als bis heute gültige Kampfansage an alle, die glauben, es gehöre notwendig zu dieser Haltung, Filme möglichst völlig ohne Geld zu drehen.
VERENA LUEKEN
Isabella Rossellini: "Im Namen des Vaters, der Tochter und der heiligen Geister". Erinnerungen an Roberto Rossellini. Aus dem Englischen und Italienischen übersetzt von Marion Kagerer, Carina von Enzenberg, Marianne Schneider und Viktoria von Schirach. SchirmerGraf Verlag, München 2006. 143 S., Abb., geb., 24,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als "vollkommen unambivalentes Zeugnis" töchterlicher Liebe hat Rezensentin Verena Lueken Isabella Rossellinis "amüsantes" Erinnerungsbuch an ihren Vater empfunden, dem sie außerdem sorgfältige Gestaltung bescheinigt. Es scheint nicht nur ein sehr plastisches Bild davon zu vermitteln, wie es im Hause Rossellini zugegangen ist. Auch die angerufenen Geister des Vaters, also Fellini, Ingrid Bergmann oder Sonali das Gupta scheinen für einen intensiven Eindruck zu sorgen. Freudig nimmt die Rezensentin auch das Drehbuch von Isabella Rossellinis Kurzfilm über ihren Vater, Fotos, Zeichnungen sowie einen "verspielten Brief" des Regisseurs an seine Kinder als Teil des Buches wahr.
© Perlentaucher Medien GmbH
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