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Das vorliegende Buch stellt eine nahezu in einen Roman übergehende Biographie über Bohumil Hrabal dar, die vom Schriftsteller noch vor seinem Tode durchgelesen und autorisiert wurde. Vier Jahre lang hat sich Monika Zgustová mit Hrabal getoffen und seinen Erzählungen gelauscht; sie begleitet uns durch Hrabals Kindheit in den letzten Tagen der österreichisch-ungarischen Monarchie und des Ersten Weltkrieges, durch seine Jugend voller Nöte, die Zwischenkriegszeit im böhmischen Städtchen Namburk, den Zweiten Weltkrieg auf dem Bahnhof in Kostomlaty, die ersten Jahre nach dem kommunistischen Putsch…mehr

Produktbeschreibung
Das vorliegende Buch stellt eine nahezu in einen Roman übergehende Biographie über Bohumil Hrabal dar, die vom Schriftsteller noch vor seinem Tode durchgelesen und autorisiert wurde. Vier Jahre lang hat sich Monika Zgustová mit Hrabal getoffen und seinen Erzählungen gelauscht; sie begleitet uns durch Hrabals Kindheit in den letzten Tagen der österreichisch-ungarischen Monarchie und des Ersten Weltkrieges, durch seine Jugend voller Nöte, die Zwischenkriegszeit im böhmischen Städtchen Namburk, den Zweiten Weltkrieg auf dem Bahnhof in Kostomlaty, die ersten Jahre nach dem kommunistischen Putsch 1948 in den Stahlwerken in Kladno und in der Altstoffsammelstelle in Prag. Zugleich vermittelt die Autorin einen Einblick in die ersten literarischen Versuche Hrabals und in sein Inneres, als in den sechziger Jahren sein Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad den Höhepunkt erreicht hatte, aber auch als er ab Anfang der Siebziger an Depressionen, Gewissensbissen und Gefühlen von Leere litt. Aus den Erinnerungen Hrabals, seiner Freunde und auch seiner Gegner und vor allem ihren eigenen Erzählungen stellt die Autorin ein ergreifendes Porträt des Schriftstellers zusammen, der Moralpredigten aller Art strikt ablehnte und dessen Werk zu einer einzigartigen Botschaft geworden ist. Eine Biographie, die auch literarisch dem Anspruch ihres Gegenübers gerecht wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.1999

Blick hinaus in die Nacht
Ein Buch der Treue: Monika Zgustová erzählt von Bohumil Hrabal

Es ist nicht so, dass man nicht wüsste, wer Bohumil Hrabal war. In letzter Zeit sind so manche Texte und Memorabilien erschienen, die vom Leben und Sterben des "berühmtesten Barden Böhmens", so Hrabal über sich selbst, Zeugnis ablegen. In diesem Jahr erschien der Roman "Ich dachte an die goldenen Zeiten" als letzter Teil der autobiographischen Trilogie "Hochzeiten im Hause" (F.A.Z. vom 13. August 1999); ein Buch, in dem Hrabal die eigene Biographie fledderte und zugleich mystifizierte. Über die Umtriebe des Bier- und Katzenfreundes Hrabal zwischen dem Waldhäuschen in Kersko und dem Prager Stammtisch im "Goldenen Tiger" bleiben nach dieser Lektüre kaum Fragen offen. Ein Jahr zuvor erschien ein anderes Buch mit Texten von und Zeugnissen über Hrabal. Es hieß "Wer ich bin" und wurde von Susanna Roth, der Übersetzerin und Vertrauten des Dichters, zusammengestellt (F.A.Z. vom 9. Juli 1998). Sie versuchte darin die Behauptung zu entkräften, Hrabals Sturz aus einem Prager Krankenhausfenster sei ein Unfall gewesen. Mit seinem Selbstmord, meinte dagegen Susanna Roth, habe Hrabal, "eine Aussage gemacht".

Monika Zgustová ist eine andere gute Freundin und außerdem seine spanische Übersetzerin gewesen, und auch sie ist überzeugt davon, dass Hrabal, krank und lebensmüde, wie er zuletzt war, den Freitod gewählt hat. Als sie ihn, so endet ihre Biographie, Anfang Februar 1997 das letzte Mal im Krankenhaus besuchte, habe er sie gebeten zu gehen. "Der liegende Mann sieht mich nicht mehr, er schaut zum Fenster hinaus, in die Nacht." Kurz zuvor hatte er noch Zgustovás Biographie durchgelesen und, wie es heißt, autorisiert. Das kann viel und wenig bedeuten, wenn man bedenkt, wie sorglos Hrabal mit seinen eigenen Texten umging; sie erschienen bisweilen gleichzeitig im Samisdat, in gereinigten Versionen im Staatsverlag und in gereinigten in Exilverlagen und waren auf wundersame Weise alle irgendwie "autorisiert". Anscheinend hat der alte Herr das Manuskript von Frau Zgustová wohlwollend zur Kenntnis genommen. Und er hatte auch wenig Grund, dies nicht zu tun, denn Monika Zgustovás Hrabal-Biographie geht mit Leben und Werk des Meisters respektvoll, wenn nicht ehrerbietig um. Das Privileg der Nähe, das Hrabal ihr gewährte, zahlt sie ihm mit einer bewundernden Biographie heim.

Das heißt nicht, dass Zgustová Hrabals Ausschweifungen und Verfehlungen, seinen Opportunismus und seine Eitelkeit beschönigen würde. Sie erwähnt nach Kräften auch die Sünden und befindet sich gerade deshalb in Einklang mit dem Hrabal-Bild, das uns der Autor selbst durch die autobiographischen Verlautbarungen der letzten zwei Jahrzehnte vermittelt hat. Hrabals öffentliche Beichte sollte ihn von den Gewissensbissen befreien helfen, die ihn wegen seiner allzu großen Kompromissbereitschaft in der Ära der "Normalisierung" heimsuchten. In seiner Trilogie ließ er die eigene Ehefrau ein Doppelporträt des Dichters als Wüstling und Schwächling entwerfen, dem gegenüber jede von außen kommende Kritik vollends verpuffen musste. Gründlicher als der Dichter selbst konnte auch kein Biograph Hrabals Ruf beschädigen. Eine um Objektivität bemühte Hrabal-Biographie wäre demnach eine, die besser nicht von Hrabal autorisiert worden wäre.

Hrabals Lebensstoff, wie er sich in seinen Büchern und Gesprächen materialisiert hat, ist die reine Poesie. Anders als die Surrealisten übersetzt Hrabal nicht die Kunst ins Leben, sondern das Leben in die Kunst. Das hat mit dem proletarischen oder klassenlosen Charakter seines Schreibens zu tun. Das Schreiben ist nur die sicht- und lesbare Seite eines weit umfassenderen Phänomens: der vom Alkohol entfesselten, in Gesellschaft, konkret am Biertisch gesprochenen Sprache. Wer sich auf Hrabal als Chronisten seines eigenen Lebens einlässt, muss auf Übertreibungen und Verschleierungen gefasst sein. So kommt es, dass man Zgustovás Biographie vieles über die Lebensphasen entnehmen kann, über die Hrabal selbst Auskunft gegeben hat, und so kommt es auch, dass Zgustová sich weitgehend an Hrabals Darstellung dieser Lebensphasen hält. Wenig ist dagegen über solche Zeiten zu erfahren, über die Hrabal selbst lieber schwieg. Zum Beispiel über sein Jurastudium. Man wüsste schon gern, unter welchen Umständen es Hrabal, der so gern den Banausen spielte, zum Doktor der Rechte gebracht hat. Aber das Kapitel hierüber fällt sehr knapp aus.

Überhaupt sind die Kapitel kurz in diesem Buch. Es handelt sich beinahe um poetische Skizzen. Sie tragen Titel wie "Licht", "Die erste und zweite Taufe, der erste und zweite Tod" oder "un beau chat, fort, doux et charmant". Manchmal ist die Autorin in ihrer literarisch-biographischen Reverie dem Helden so nah, dass sie, ganz wie eine Romanautorin, weiß, was er denkt: "Wenn die Zweige der Birken und Lärchen grün werden", heißt es an einer Stelle, "wenn die Luft nach feuchter Erde und sprießenden Gras roch, nahm er einen der Kater in den Arm und dachte an den Garten seiner Großmutter in Zidenice, der das ganze Jahr über voll Blumen war."

Dass Monika Zgustová den kritischen Sicherheitsabstand zu ihrem Helden nicht immer wahrt, tut dem Vergnügen an ihrem Buch keinen Abbruch. Das hat freilich nur in zweiter Linie mit den schriftstellerischen Künsten der Biographin zu tun, in erster Linie aber mit der unverwechselbaren Figur des Porträtierten. Übrigens, sieht er nicht auf manchen Fotos dem Heiligen Vater aus Polen zum Verwechseln ähnlich?

CHRISTOPH BARTMANN

Monika Zgustová: "Im Paradiesgarten der bitteren Früchte. Bohumil Hrabal, Leben und Werk". Aus dem Tschechischen von Johanna Posset. Deuticke Verlag, Wien 1999. 400 S., geb., 48,- DM.

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