Ein wütender Blick durch die Schablone westlicher Medien.
Vor uns liegt das Erstlingswerk von Udo Lielischkies. Der 1953 in Köln geborene, staatlich geprüfte Tennislehrer, studierte an der Universität Köln Volkswirtschaft und Soziologie und besuchte parallel die Kölner Journalistenschule. 1980
begann Lielischkies seine Laufbahn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beim WDR. Es folgte 1994 der…mehrEin wütender Blick durch die Schablone westlicher Medien.
Vor uns liegt das Erstlingswerk von Udo Lielischkies. Der 1953 in Köln geborene, staatlich geprüfte Tennislehrer, studierte an der Universität Köln Volkswirtschaft und Soziologie und besuchte parallel die Kölner Journalistenschule. 1980 begann Lielischkies seine Laufbahn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beim WDR. Es folgte 1994 der Wechsel zum ARD als Europa-und Nato-Korrespondent. Weitere Stationen waren 1999 ARD-Moskau-Korrespondent, 2006 bis 2012 ARD-Korrespondent in Washington und bis zu bis zu seinem Ruhestand 2018 Leiter des ARD-Studios Moskau. Lielischkies heiratete an seinem 50. Geburtstag eine russische Studentin, mit der er drei Kinder hat.
Das Buch umfasst 448 Seiten und einen Anhang mit umfassendem Quellennachweis alter Schule. Zwischen den Texten befinden sich zweimal 16 Seiten Bilder im Farbdruck, die die Schilderungen lebendiger machen.
Lielischkies Werk kann düsterer kaum ausfallen:
Der zweite Tschetschenien-Krieg, Beslan, Medien, die Ukraine mit der folgenden Krim-Krise, die Probleme im Gesundheitswesen des Riesenreiches, das politische System, das Gebaren der Oligarchen und immer wieder Putin. Keine gute Silbe über Russland.
Der Autor hätte aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung vor Ort hier die Chance einen ausgeglicheneren Blick auf Entstehung und Entwicklung des heutigen Russlands zu skizzieren. Aber es kommt anders. Erschreckend anders. Neben der journalistisch sauberen Beschreibung der vielen beklagenswerten Probleme im heutigen Russland strotzt das Buch nur so von nicht haltbaren Vorwürfen gegenüber der russischen Innen- und Außenpolitik. Auch die Begehren der Russen werden schnell pauschaliert. Da wird allen Ernstes vorgeworfen, nicht mit Terroristen in Beslan verhandelt zu haben (Helmut Schmidt dreht sich im Grabe um), Russland hätte sowohl EU und Nato früher darauf hinweisen müssen, dass man mit der jeweiligen Osterweiterung nicht einverstanden wäre. Einige Thesen werden unreflektiert und ausgerechnet auf Aussagen von Elmar Brok gestützt. Dieser galt im Ukraine-Konflikt als Interventionist und nicht wenige Kritiker warfen ihm damals schon vor, einseitig gegen Russland gerichtete Positionen zu vertreten.
Jeder Russlandreisende schüttelt auch mit dem Kopf, wenn behauptet wird die Bewohner von Krim und Donbass würden die Vereinnahmung durch Russland in der Breite nicht begrüßen.
Im Buch kommen zudem ausschließlich Russen zu Wort, die etwas vom Staat verlangen. Die Infrastruktur in einem völlig entvölkerten Dorf wird nicht aufrechterhalten, die Bezirksregierung lässt ein Dach nicht reparieren. Auf den Dörfern gibt es keine Ärzte mehr. Krankenhäuser werden geschlossen. Sicher alles richtig. Aber wo bleibt der Blick auf die Russen, die nicht vom Staat fordern sondern ihr Schicksalm selbst in die Hand nehmen? Die den Strukturwandel auch in Russland annehmen? Fehlanzeige.
Was ist dem professionellen Journalisten da unterlaufen?
Blickt der Autor kaleidoskopartig durch eine davor in zwanzig Jahren öffentlichem Rundfunk geformten Schablone aus Stigmatisierungen jeglicher russischer Handlung? Wird aufgrund der besonderen Familiensituation die deutsche Vollkaskomentalität nun vom russischen Staat eingefordert und dazu die Position im deutschen Fernsehen genutzt?
Fakt ist für den Touristen und Russlandbesucher: Vor Ort angekommen findet man viele der oftmals durch westliche Medien verbreiteten Schilderungen nicht vor, sondern ganz andere Sachverhalte und auch Meinungen der Russen. So dürfte es der breiten Leserschaft dieses Buches gehen.
Insgesamt ein zähes und deprimierendes Buch, welches an vielen Stellen schlichtweg nicht den Tatsachen der Weltpolitik gereichen mag.
Drei Sterne mit Rücksicht auf die journalistische Konsequenz mit der hier vorgetragen wird.