Die Fotografin Herlinde Koelbl hat fünfundvierzig deutschsprachige Schriftstellerinnen und Schriftsteller an ihrem Arbeitsplatz fotografiert und ausführliche Gespräche über den "lust- und qualvollen Prozess" des Schreibens mit ihnen geführt. Durch diese aufschlussreichen Porträts entdecken wir ganz neue Seiten "unserer" Lieblingsautoren.
Wo sitzen Menschen, wenn sie schreiben, wenn sie in einem künstlerischen Schaffensprozess mit bescheidenden sechsundzwanzig Buchstaben eine ganze Welt in unser Leben zaubern? Welche Rolle spielt die Umgebung für ihre Inspiration? Stellvertretend für uns hat Herlinde Koelbl Zutritt zu den Werkstätten der Kreativen gesucht. Die Fotografin hat fünfundvierzig deutschsprachige Dichterinnen und Dichter an ihrem Arbeitsplatz fotografiert und ausführliche Gespräche über den lust- und qualvollen Prozess des Schreibens geführt. Die klaren, aufschlussreichen Portraits der Autoren sowie Gesamtansichten und Details ihrer Arbeitsräume werden ergänzt von den Interviews. Wie schon in dem Band "Jüdische Portraits" gibt sich Herlinde Koelbl nie mit einfachen Antworten zufrieden, sondern fördert überraschende Einblicke zutage, schließt Menschen für uns auf. Wir entdecken neue Seiten "unserer" Lieblingsautoren und die Vielfalt des Schaffensprozesses zwischen Federhalter und Laptop.
Wo sitzen Menschen, wenn sie schreiben, wenn sie in einem künstlerischen Schaffensprozess mit bescheidenden sechsundzwanzig Buchstaben eine ganze Welt in unser Leben zaubern? Welche Rolle spielt die Umgebung für ihre Inspiration? Stellvertretend für uns hat Herlinde Koelbl Zutritt zu den Werkstätten der Kreativen gesucht. Die Fotografin hat fünfundvierzig deutschsprachige Dichterinnen und Dichter an ihrem Arbeitsplatz fotografiert und ausführliche Gespräche über den lust- und qualvollen Prozess des Schreibens geführt. Die klaren, aufschlussreichen Portraits der Autoren sowie Gesamtansichten und Details ihrer Arbeitsräume werden ergänzt von den Interviews. Wie schon in dem Band "Jüdische Portraits" gibt sich Herlinde Koelbl nie mit einfachen Antworten zufrieden, sondern fördert überraschende Einblicke zutage, schließt Menschen für uns auf. Wir entdecken neue Seiten "unserer" Lieblingsautoren und die Vielfalt des Schaffensprozesses zwischen Federhalter und Laptop.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.1998Morgenmenschen, Bleistiftmänner
Herlinde Koelbl blickt in Dichterstuben und in Dichterherzen · Von Ulrich Weinzierl
Schiller, das wissen wir von Goethes Eckermann, benötigte zum Dichten und Denken den Duft fauler Äpfel. Das Stimulans ist aus der Mode gekommen. Autoren von heute bevorzugen anderes. Ein Gerhard Roth preist die bekömmliche Wirkung des Weins: "Durch Alkohol wird die Welt plötzlich metaphysisch." Nun ja. Yoko Tawada, die Japanerin in Hamburg, läßt lieber eine Katze auf ihrem Schoß sitzen. Und H.C. Artmann regt der Geruch "frisch gekalkter Wände" an. Aus Herlinde Koelbls Porträtsammlung "Im Schreiben zu Haus" erfährt man freilich noch viel mehr. Die Fotografin hat Schriftsteller an ihrem Arbeitsplatz mit der Kamera besucht und Werkstattgespräche geführt. Jeder erklärt seine sehr besondere Methode.
Da sind die Morgenmenschen und jene, die erst in der Ruhe der Nacht zu kreativem Leben erwachen. Da gibt es den sorgsam leergefegten Bürotisch Reiner Kunzes und die zauberhaft chaotische Papierhöhle von Friederike Mayröcker. Da sind die scheinbar Unbekümmerten, die ihre Einfälle und Verse notfalls in der Straßenbahn notieren, und die disziplinierten Stubenhocker, die Einsiedler der Literatur. Doch Raum ist in der kleinsten Hütte für den Vogel Phantasie. Ganz unterschiedliche Temperamente geben sich zu Protokoll. Robert Schneider, der als Riesensäugling posiert, liebt's ein bißchen pathetisch: "Ich habe mir ein Zuhause für meinen Schmerz geschaffen." Vorsichtshalber samt Swimming-pool. Hingegen braucht Peter Rühmkorf bloß seine ewige Studentenbude, eine Mansardenkammer mit Aussicht auf die Elbe.
Die Unsteten, die Reiselustigen und Luftwurzelschläger, sie sind nicht so leicht zu fassen. Ihr Ambiente präsentiert sich meist frei von Stilisierung. Kein Wunder, daß die Produktionsinstrumente hier eine Hauptrolle spielen. Mit Hermann Lenz ist der Griff zur altertümlichen Stahlfeder im Kunstbezirk offenbar ausgestorben. Bleistiftanhänger wie Peter Handke halten treuen Liebhabern der Tinte die Waage. Auf dem Weg von Kopf und Herz aufs Papier "muß ein Fluß sein bis durch meinen Füllfederhalter", sagt Sarah Kirsch. Darum besitzt sie "mindestens sieben". Für Artmann und manche seiner Kollegen dürfte indes das Klappern der mechanischen Schreibmaschine unerläßliche Hintergrundmusik sein.
Daß der PC längst Eingang in Dichterklausen jeglichen Formats gefunden hat, überrascht niemanden. Erstaunlich allerdings die Bandbreite der Begründungen. Argumente der Vernunft wechseln mit Hymnen. Ruth Klüger hat ohne Zweifel das persönlichste Verhältnis zu ihrem Notebook. Es heißt Hildegard, der Drucker ist männlich. Schreiben mit Kunstanspruch gehört in der Regel zur Intimsphäre: weil es ein Akt des Enthüllens und Verbergens zugleich ist. Sich dabei abbilden zu lassen und darüber Rede und Antwort zu stehen erfordert fast immer Überwindung oder große Gelassenheit. Besonders eindrucksvoll gelang das Interview mit dem von Todeskrankheit gezeichneten Jurek Becker. Zwei Herren aber verteidigen mit Fug und Recht ihr Revier gegen die Neugier der Öffentlichkeit. Während Sten Nadolny in ein Lokal in der Nähe ausweicht, gestattet Christoph Ransmayr nur einen Blick auf seine Hände am Laptop - auch eine Art Stilleben. Dafür entwirft er nebenbei eine schöne Poetik in eigener Sache.
Am offenherzigsten wirkt der beichtfreudige Johannes Mario Simmel, am mürrischsten Hans Joachim Schädlich, und die spitzesten Repliken stammen naturgemäß von Enzensberger. Kurzum, ein ebenso lehrreicher wie unterhaltsamer, zudem ästhetisch befriedigender Band. Weder die Tricks des Metiers noch die Marotten der Ausübenden werden ausgespart. Herlinde Koelbl hilft uns auf ihre angenehm nüchterne und sachkundige Weise, das Geheimnis des Dichtens - als spracherotischen Prozeß und Technik - besser zu erfassen. Es ist keins und bleibt doch eines.
Herlinde Koelbl: "Im Schreiben zu Haus. Wie Schriftsteller zu Werke gehen. Fotografien und Gespräche". Knesebeck-Verlag, München 1998. 260 S., 248 Abb., geb., 98,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Herlinde Koelbl blickt in Dichterstuben und in Dichterherzen · Von Ulrich Weinzierl
Schiller, das wissen wir von Goethes Eckermann, benötigte zum Dichten und Denken den Duft fauler Äpfel. Das Stimulans ist aus der Mode gekommen. Autoren von heute bevorzugen anderes. Ein Gerhard Roth preist die bekömmliche Wirkung des Weins: "Durch Alkohol wird die Welt plötzlich metaphysisch." Nun ja. Yoko Tawada, die Japanerin in Hamburg, läßt lieber eine Katze auf ihrem Schoß sitzen. Und H.C. Artmann regt der Geruch "frisch gekalkter Wände" an. Aus Herlinde Koelbls Porträtsammlung "Im Schreiben zu Haus" erfährt man freilich noch viel mehr. Die Fotografin hat Schriftsteller an ihrem Arbeitsplatz mit der Kamera besucht und Werkstattgespräche geführt. Jeder erklärt seine sehr besondere Methode.
Da sind die Morgenmenschen und jene, die erst in der Ruhe der Nacht zu kreativem Leben erwachen. Da gibt es den sorgsam leergefegten Bürotisch Reiner Kunzes und die zauberhaft chaotische Papierhöhle von Friederike Mayröcker. Da sind die scheinbar Unbekümmerten, die ihre Einfälle und Verse notfalls in der Straßenbahn notieren, und die disziplinierten Stubenhocker, die Einsiedler der Literatur. Doch Raum ist in der kleinsten Hütte für den Vogel Phantasie. Ganz unterschiedliche Temperamente geben sich zu Protokoll. Robert Schneider, der als Riesensäugling posiert, liebt's ein bißchen pathetisch: "Ich habe mir ein Zuhause für meinen Schmerz geschaffen." Vorsichtshalber samt Swimming-pool. Hingegen braucht Peter Rühmkorf bloß seine ewige Studentenbude, eine Mansardenkammer mit Aussicht auf die Elbe.
Die Unsteten, die Reiselustigen und Luftwurzelschläger, sie sind nicht so leicht zu fassen. Ihr Ambiente präsentiert sich meist frei von Stilisierung. Kein Wunder, daß die Produktionsinstrumente hier eine Hauptrolle spielen. Mit Hermann Lenz ist der Griff zur altertümlichen Stahlfeder im Kunstbezirk offenbar ausgestorben. Bleistiftanhänger wie Peter Handke halten treuen Liebhabern der Tinte die Waage. Auf dem Weg von Kopf und Herz aufs Papier "muß ein Fluß sein bis durch meinen Füllfederhalter", sagt Sarah Kirsch. Darum besitzt sie "mindestens sieben". Für Artmann und manche seiner Kollegen dürfte indes das Klappern der mechanischen Schreibmaschine unerläßliche Hintergrundmusik sein.
Daß der PC längst Eingang in Dichterklausen jeglichen Formats gefunden hat, überrascht niemanden. Erstaunlich allerdings die Bandbreite der Begründungen. Argumente der Vernunft wechseln mit Hymnen. Ruth Klüger hat ohne Zweifel das persönlichste Verhältnis zu ihrem Notebook. Es heißt Hildegard, der Drucker ist männlich. Schreiben mit Kunstanspruch gehört in der Regel zur Intimsphäre: weil es ein Akt des Enthüllens und Verbergens zugleich ist. Sich dabei abbilden zu lassen und darüber Rede und Antwort zu stehen erfordert fast immer Überwindung oder große Gelassenheit. Besonders eindrucksvoll gelang das Interview mit dem von Todeskrankheit gezeichneten Jurek Becker. Zwei Herren aber verteidigen mit Fug und Recht ihr Revier gegen die Neugier der Öffentlichkeit. Während Sten Nadolny in ein Lokal in der Nähe ausweicht, gestattet Christoph Ransmayr nur einen Blick auf seine Hände am Laptop - auch eine Art Stilleben. Dafür entwirft er nebenbei eine schöne Poetik in eigener Sache.
Am offenherzigsten wirkt der beichtfreudige Johannes Mario Simmel, am mürrischsten Hans Joachim Schädlich, und die spitzesten Repliken stammen naturgemäß von Enzensberger. Kurzum, ein ebenso lehrreicher wie unterhaltsamer, zudem ästhetisch befriedigender Band. Weder die Tricks des Metiers noch die Marotten der Ausübenden werden ausgespart. Herlinde Koelbl hilft uns auf ihre angenehm nüchterne und sachkundige Weise, das Geheimnis des Dichtens - als spracherotischen Prozeß und Technik - besser zu erfassen. Es ist keins und bleibt doch eines.
Herlinde Koelbl: "Im Schreiben zu Haus. Wie Schriftsteller zu Werke gehen. Fotografien und Gespräche". Knesebeck-Verlag, München 1998. 260 S., 248 Abb., geb., 98,- DM.
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"exzellenter Bildband" (Welt am Sonntag)
"eine große, streckenweise hinreißende Werkstatt-Galerie" (Spiegel special)
"ein außergewöhnlicher Foto- und Gesprächsband" (Abendzeitung)
"eine einzigartige Galerie der deutschen Gegenwartsliteratur" (Applaus)
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