Bei den wenigsten wird sich in ihrem Büchervorrat eine Predigtsammlung finden. Wozu auch? Geistliche Reden sind zum Hören bestimmt, darum in Sprache und Stil von eigener Wirkung. Rede ist nicht ¿Schreibe¿, das Libretto ist nicht die Arie ¿ doch legen Komponisten Wert auf gute Textvorlagen. Dem Vortrag geht in der Regel die Niederschrift eines Manuskripts voraus. Es wird am Schreibtisch in vielschichtigen Überlegungen erarbeitet, und ¿ dem Essay vergleichbar ¿ vereinigt es alle möglichen Sprachebenen in sich, zwischen schlicht und kunstvoll. Geschriebene Predigten haben ihre eigene Bedeutung. Nicht umsonst fragen Gottesdienstbesucher hinterher immer wieder, ob sie nicht auch den Vorbereitungstext bekommen könnten. Insofern diese Textsorte zu den literarischen Kleinformen zählt, sind Gottesdienstansprachen sozusagen handlich zugeschnitten, in kurzen Einheiten leicht zwischendurch in den Alltag als Anregung einzuflechten, etwa beim Warten in der Arztpraxis, in Bus und Bahn, oder herzunehmen als 15-Minuten-Oase zur Einstimmung auf die Sonntagsfeier.
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