"Alois Hotschnig ist einer der besten Autoren seiner Generation. Süddeutsche Zeitung.
Auch in seinem neuen Erzählband geht es Alois Hotschnig um Existenzielles - und um das Komische daran. Mit Freude am absurden Dialog, großem Sprachwitz und entschlossener poetischer Verdichtung zeigt er Menschen in mannigfaltigen Verstrickungen und zieht den Leser mitten in diese hinein.
Katja Lange-Müller, die die Laudatio zur Verleihung des Erich-Fried-Preises 2008 hielt, sagt über ihn: Jede seiner Zeilen, jedes Wort und jedes Satzzeichen beweisen mir, dass sich seine Schreibenergie aus dem Bedürfnis speist, unser so bewegtes, mitunter auch bewegendes Sein ergründen zu wollen.
Tatsächlich setzt Alois Hotschnig in seinen Geschichten unserer von Zufällen geprägten Welt das Zwingende entgegen. Kein Wort zu viel, keine Eindeutigkeiten, genauer Blick auf seine Figuren - und reichlich Zwischentöne, die seine Geschichten zum Klingen bringen. Mit dieser Sprach- und Schreibpräzision gelingt es ihm, das Zwanghafte einzufangen, Absurditäten und Aporien zu zeigen und Mitgefühl für Menschen zu mobilisieren, die nicht anders können, obwohl sie gern anders wollten. Zum Beispiel das gealterte Ehepaar, das sich in der Erzählung Die großen Mahlzeiten darüber zu verständigen sucht, wer wann wie viel von welchem Medikament zu sich nehmen muss und was daraus für ihren Alltag folgt. Oder die Dörfler, die sich den Attacken des von seinen Haltern geliebten Hundes Karl ausgesetzt sehen und irgendwann feststellen müssen, dass seinen Bissen heilende Kräfte innewohnen - woraufhin er nicht mehr beißen mag.
Nach seinem hochgelobten Erzählband Die Kinder beruhigte das nicht hat Hotschnig die Tonart gewechselt und eine Freude am grotesken Humor entwickelt, der die Beklemmung durch das Lachen sprengt.
Auch in seinem neuen Erzählband geht es Alois Hotschnig um Existenzielles - und um das Komische daran. Mit Freude am absurden Dialog, großem Sprachwitz und entschlossener poetischer Verdichtung zeigt er Menschen in mannigfaltigen Verstrickungen und zieht den Leser mitten in diese hinein.
Katja Lange-Müller, die die Laudatio zur Verleihung des Erich-Fried-Preises 2008 hielt, sagt über ihn: Jede seiner Zeilen, jedes Wort und jedes Satzzeichen beweisen mir, dass sich seine Schreibenergie aus dem Bedürfnis speist, unser so bewegtes, mitunter auch bewegendes Sein ergründen zu wollen.
Tatsächlich setzt Alois Hotschnig in seinen Geschichten unserer von Zufällen geprägten Welt das Zwingende entgegen. Kein Wort zu viel, keine Eindeutigkeiten, genauer Blick auf seine Figuren - und reichlich Zwischentöne, die seine Geschichten zum Klingen bringen. Mit dieser Sprach- und Schreibpräzision gelingt es ihm, das Zwanghafte einzufangen, Absurditäten und Aporien zu zeigen und Mitgefühl für Menschen zu mobilisieren, die nicht anders können, obwohl sie gern anders wollten. Zum Beispiel das gealterte Ehepaar, das sich in der Erzählung Die großen Mahlzeiten darüber zu verständigen sucht, wer wann wie viel von welchem Medikament zu sich nehmen muss und was daraus für ihren Alltag folgt. Oder die Dörfler, die sich den Attacken des von seinen Haltern geliebten Hundes Karl ausgesetzt sehen und irgendwann feststellen müssen, dass seinen Bissen heilende Kräfte innewohnen - woraufhin er nicht mehr beißen mag.
Nach seinem hochgelobten Erzählband Die Kinder beruhigte das nicht hat Hotschnig die Tonart gewechselt und eine Freude am grotesken Humor entwickelt, der die Beklemmung durch das Lachen sprengt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2009Der Pfau ist blau
Hundegeschichten, meint man, interessieren ja doch nur Hundehalter oder Hundehasser. Alois Hotschnigs abgründiger Erzählung "Karl" gelingt mehr. Karl, der Hund, gehört einem alten Paar. Geht es Karl schlecht, bleibt das Haus dunkel, damit das Licht ihn nicht stört. Geht es Karl gut, so gut, dass er seine Freude teilen möchte, kommt es oft zu "Missverständnissen", wie es heißt, wenn er wieder jemanden gebissen hat. Als sein Biss aber einen Mann von Rheuma und Herzrasen befreit, gilt der Hund als Heiler. "Es meldeten sich weitere Opfer, denen es ähnlich ergangen war, nachdem Karl sich mit ihnen befasst hatte, denn erst jetzt führten sie die Linderung ihrer Beschwerden auf ihre Begegnung mit Karl zurück." Am Miteinander von Mensch und Hund zeigt Hotschnig, wie sich Gewalt und Abhängigkeit so lange zu Gunstbeweisen umlügen lassen, bis jede Verletzung als gute Tat hingenommen wird. Der Leidtragende ist hier nicht das Tier. Es sind die Menschen, die sich alles bieten lassen, um nicht mit sich und ihrem Schmerz allein sein zu müssen. Diese erste Geschichte des Bandes "Im Sitzen läuft es sich besser davon" ist auch die beste, die übrigen fünf sind einander recht ähnliche, um Alter, Tod und Krankheit kreisende Stimmencollagen. Mit dem Sinn der Worte entschwinden den Figuren auch ihre Erinnerungen: "Fogus oder Fugo oder eben Fogosch, Hecht oder Zander oder nicht Zander, ob es eine Vergiftung war oder keine Vergiftung, das verwechseln wir." Mahlzeiten, Uhrzeiten und Namen von Arzneien spült der Wortstrom an, dessen Rauschen manchmal eine gewisse Leere übertönen muss, gerne mit Reim: "Der Pfau ist blau und wünscht sich eine Frau." Genau. (Alois Hotschnig: "Im Sitzen läuft es sich besser davon". Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 141 S., geb., 16,95 [Euro].) grae
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hundegeschichten, meint man, interessieren ja doch nur Hundehalter oder Hundehasser. Alois Hotschnigs abgründiger Erzählung "Karl" gelingt mehr. Karl, der Hund, gehört einem alten Paar. Geht es Karl schlecht, bleibt das Haus dunkel, damit das Licht ihn nicht stört. Geht es Karl gut, so gut, dass er seine Freude teilen möchte, kommt es oft zu "Missverständnissen", wie es heißt, wenn er wieder jemanden gebissen hat. Als sein Biss aber einen Mann von Rheuma und Herzrasen befreit, gilt der Hund als Heiler. "Es meldeten sich weitere Opfer, denen es ähnlich ergangen war, nachdem Karl sich mit ihnen befasst hatte, denn erst jetzt führten sie die Linderung ihrer Beschwerden auf ihre Begegnung mit Karl zurück." Am Miteinander von Mensch und Hund zeigt Hotschnig, wie sich Gewalt und Abhängigkeit so lange zu Gunstbeweisen umlügen lassen, bis jede Verletzung als gute Tat hingenommen wird. Der Leidtragende ist hier nicht das Tier. Es sind die Menschen, die sich alles bieten lassen, um nicht mit sich und ihrem Schmerz allein sein zu müssen. Diese erste Geschichte des Bandes "Im Sitzen läuft es sich besser davon" ist auch die beste, die übrigen fünf sind einander recht ähnliche, um Alter, Tod und Krankheit kreisende Stimmencollagen. Mit dem Sinn der Worte entschwinden den Figuren auch ihre Erinnerungen: "Fogus oder Fugo oder eben Fogosch, Hecht oder Zander oder nicht Zander, ob es eine Vergiftung war oder keine Vergiftung, das verwechseln wir." Mahlzeiten, Uhrzeiten und Namen von Arzneien spült der Wortstrom an, dessen Rauschen manchmal eine gewisse Leere übertönen muss, gerne mit Reim: "Der Pfau ist blau und wünscht sich eine Frau." Genau. (Alois Hotschnig: "Im Sitzen läuft es sich besser davon". Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 141 S., geb., 16,95 [Euro].) grae
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2010Hund und Mund
Alois Hotschnig verkleidet sich als Beckett und Loriot
Im Prinzip hat jeder Autor, der einen anderen Ton anschlägt als die zahllosen Virtuosen des Mittelmaßes, die Wellenreiter eines stoffgesättigten, mehr oder weniger fintenreichen Erzählrealismus, den professionellen Leser auf seiner Seite. Wenn einer es heute noch wagt, sich in der Karrenspur von Kafka, Beckett, Thomas Bernhard fortzubewegen, also an eine abgebrochene Tradition des vorigen Jahrhunderts anzuknüpfen, ist man erst einmal geneigt, ihm Respekt und Interesse zu erweisen. Der 1959 geborene Österreicher Alois Hotschnig stellt sich mit sechs neuen Erzählungen ganz ungeschützt in diesen Zusammenhang, riskiert dabei allerdings, neben seinen Vorbildern als Pappkamerad zu erscheinen, der die Manier zwar beherrscht, aber in der Substanz nicht einlösen kann.
Am originellsten geht es in der ersten Geschichte zu. „Karl” heißt ein Hund, der mit Herrchen und Frauchen in symbiotischer Beziehung lebt, von ihnen wie ein Kind verwöhnt wird und sie zum Dank tyrannisiert. Dass er im Haus Verwüstungen anrichtet, wenn man ihn allein lässt, dass er immer häufiger zuschnappt, wenn man ihn in Spiellaune wähnt, sprengt noch nicht den Rahmen hündischer Unarten. Bedrohlich wird es, als sich an seinen „Eltern” kaum mehr eine Stelle findet, „die seinetwegen nicht schon einmal zu verarzten gewesen wäre”. Die Konstellation schlägt vollends ins Surreale um, als sich herausstellt, dass Karls Bissen mysteriöse Heilkräfte innewohnen, und das Hundehalterheim zum Pilgerziel von Kranken und Versehrten mutiert. Der Beißer freilich gewährt die „Behandlung” nach seinem eigenen, undurchschaubaren System, verweigert sie eines Tages ganz und verbuddelt sich im Erdreich.
Ich schick dem Max ein Fax
Im Milieu von Krankheit, Alter und Gebrechen spielen auch die übrigen fünf Stücke, die nicht eigentlich Erzählungen sind, sondern Szenen oder Dramolette, aus sinnarm und verständigungsfrei kreiselnden, ins Leere laufenden Dialogen und Monologen gefügt. In Seniorenresidenzen, im Wartezimmer eines Spitals, im Dämmerzustand der Vergreisung und an der Schwelle zum Tod sinnieren Hotschnigs Figuren zwanghaft über das, was sie von der Welt noch wahrzunehmen und zu verstehen glauben. Der poetische Ertrag sind – neben rasch ermüdenden Repetitionen – amüsante Paradoxien wie jene, die den Titel geliefert hat: „Ich versäume nichts, wenn ich stehe, und ich versäume nichts, wenn ich sitze. Aber solange ich noch stehen kann, sitze ich doch lieber. Im Sitzen läuft es sich besser davon.”
Oder auch Sprachspielereien wie diese hier: „Das sieht die Katz auf ihrem Platz und sagt, ich schick dem Max ein Fax. Man küsst nicht einen Hund, schon gar nicht auf den Mund, auch nicht den Hund Klabund.” Wenn in „Die großen Mahlzeiten” ein altes Ehepaar samt Sohn oder Schwiegersohn darüber debattiert, wer um welche Uhrzeit welche Dosis von welcher Arznei einnehmen muss, mag Beckett noch so aufdringlich Pate gestanden haben – das Ergebnis gemahnt eher an eine trostferne Variante von Loriot. Das Absurde und Groteske in seiner existenziell berührenden Form ist so billig leider nicht zu haben. Wäre da nicht Karl mit seinen therapeutischen Bissen, müsste man vor diesem allzu flachen Minimalismus schier davonlaufen. Notfalls im Sitzen.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
ALOIS HOTSCHNIG: Im Sitzen läuft es sich besser davon. Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 141 Seiten, 16,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Alois Hotschnig verkleidet sich als Beckett und Loriot
Im Prinzip hat jeder Autor, der einen anderen Ton anschlägt als die zahllosen Virtuosen des Mittelmaßes, die Wellenreiter eines stoffgesättigten, mehr oder weniger fintenreichen Erzählrealismus, den professionellen Leser auf seiner Seite. Wenn einer es heute noch wagt, sich in der Karrenspur von Kafka, Beckett, Thomas Bernhard fortzubewegen, also an eine abgebrochene Tradition des vorigen Jahrhunderts anzuknüpfen, ist man erst einmal geneigt, ihm Respekt und Interesse zu erweisen. Der 1959 geborene Österreicher Alois Hotschnig stellt sich mit sechs neuen Erzählungen ganz ungeschützt in diesen Zusammenhang, riskiert dabei allerdings, neben seinen Vorbildern als Pappkamerad zu erscheinen, der die Manier zwar beherrscht, aber in der Substanz nicht einlösen kann.
Am originellsten geht es in der ersten Geschichte zu. „Karl” heißt ein Hund, der mit Herrchen und Frauchen in symbiotischer Beziehung lebt, von ihnen wie ein Kind verwöhnt wird und sie zum Dank tyrannisiert. Dass er im Haus Verwüstungen anrichtet, wenn man ihn allein lässt, dass er immer häufiger zuschnappt, wenn man ihn in Spiellaune wähnt, sprengt noch nicht den Rahmen hündischer Unarten. Bedrohlich wird es, als sich an seinen „Eltern” kaum mehr eine Stelle findet, „die seinetwegen nicht schon einmal zu verarzten gewesen wäre”. Die Konstellation schlägt vollends ins Surreale um, als sich herausstellt, dass Karls Bissen mysteriöse Heilkräfte innewohnen, und das Hundehalterheim zum Pilgerziel von Kranken und Versehrten mutiert. Der Beißer freilich gewährt die „Behandlung” nach seinem eigenen, undurchschaubaren System, verweigert sie eines Tages ganz und verbuddelt sich im Erdreich.
Ich schick dem Max ein Fax
Im Milieu von Krankheit, Alter und Gebrechen spielen auch die übrigen fünf Stücke, die nicht eigentlich Erzählungen sind, sondern Szenen oder Dramolette, aus sinnarm und verständigungsfrei kreiselnden, ins Leere laufenden Dialogen und Monologen gefügt. In Seniorenresidenzen, im Wartezimmer eines Spitals, im Dämmerzustand der Vergreisung und an der Schwelle zum Tod sinnieren Hotschnigs Figuren zwanghaft über das, was sie von der Welt noch wahrzunehmen und zu verstehen glauben. Der poetische Ertrag sind – neben rasch ermüdenden Repetitionen – amüsante Paradoxien wie jene, die den Titel geliefert hat: „Ich versäume nichts, wenn ich stehe, und ich versäume nichts, wenn ich sitze. Aber solange ich noch stehen kann, sitze ich doch lieber. Im Sitzen läuft es sich besser davon.”
Oder auch Sprachspielereien wie diese hier: „Das sieht die Katz auf ihrem Platz und sagt, ich schick dem Max ein Fax. Man küsst nicht einen Hund, schon gar nicht auf den Mund, auch nicht den Hund Klabund.” Wenn in „Die großen Mahlzeiten” ein altes Ehepaar samt Sohn oder Schwiegersohn darüber debattiert, wer um welche Uhrzeit welche Dosis von welcher Arznei einnehmen muss, mag Beckett noch so aufdringlich Pate gestanden haben – das Ergebnis gemahnt eher an eine trostferne Variante von Loriot. Das Absurde und Groteske in seiner existenziell berührenden Form ist so billig leider nicht zu haben. Wäre da nicht Karl mit seinen therapeutischen Bissen, müsste man vor diesem allzu flachen Minimalismus schier davonlaufen. Notfalls im Sitzen.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
ALOIS HOTSCHNIG: Im Sitzen läuft es sich besser davon. Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 141 Seiten, 16,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Da hat der Autor noch einmal Glück gehabt. Kristina Maidt-Zinke hat die Geschichte von dem Hund mit den heilenden Bissen ins Herz geschlossen. Bei den anderen fünf hier versammelten, aus "sinnarm kreiselnden" Dialogen und Monologen bestehenden Szenen, Dramoletten aus dem Milieu von Alter und Gebrechen hat sie so ihre Zweifel, ob das mit der von Alois Hotschnig angepeilten Erbfolge von Kafka, Beckett und Bernhard hinkommt. Eher nicht, findet sie. Wenn Hotschnigs todgeweihte Figuren repetitiv über das Ende sinnieren, fehlt es der Rezensentin einfach an Substanz. Hotschnigs Sprachspielereien erinnern sie doch mehr an eine "trostferne Variante" von Loriot denn an existenziell Groteskes a la Beckett.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein stiller Meister hochkonzentrierten Erzählens, [...] der Groteske und des absurden Dialogs.« Der Standard