Jesuitenberufung, Sonderbundskrieg und Zweiparteiensystem - Luzerner Perspektive auf Entstehung und Frühzeit des BundesstaatesDie Weichen für die Entwicklung der Schweiz zu dem, was sie heute ist, wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gestellt. Während der Siegeszug der Fabrikindustrie und der Eisenbahn das soziale und wirtschaftliche Gefüge auf ein neues Fundament stellte, wurden auf dem politischen Feld die Grundlagen des bundesstaatlichen Systems festgeschrieben. Der hier vorliegende zweite Teil der Luzerner Kantonsgeschichte des 19. Jahrhunderts beleuchtet diese Periode aus kantonaler Perspektive.Anhand umfangreichen Quellenmaterials gibt Heidi Bossard- Borner Einblick in die dramatischen Vorgänge im Kanton Luzern. Dabei stehen die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen politischen und konfessionell-religiösen Faktoren und die Ausformung des für Luzern charakteristischen Zweiparteiensystems im Mittelpunkt. Zur Sprache kommen aber auch wesentliche Faktoren der wirtschaftlichen undsozialen Entwicklung wie der rasche Aufbau des Eisenbahnnetzes, die Modernisierung der Landwirtschaft und die Umgestaltung der Stadt Luzern zu einem Zentrum der Fremdenindustrie.Luzern spielte eine Schlüsselrolle in den politischen Auseinandersetzungen, die zur Gründung des Bundesstaates führten. Der Gegensatz zwischen Altgesinnten und Neuerern, zwischen Konservativen und Liberalen, zwischen traditioneller Religiosität und säkularistischem Zeitgeist verdichtete sich hier im Streit um die Jesuitenberufung und nahm mit den Freischarenzügen bürgerkriegsartige Dimensionen an. Von Luzern ging die Initiative zur Gründung des Sonderbunds aus. Die gewaltsame Auflösung dieses katholisch-konservativen Schutzbündnisses bedeutete für die Eidgenossenschaft eine kurze Krise, die den Weg zum Bundesstaat eröffnete. In Luzern wirkte die militärische Niederlage mit ihren materiellen und politischen Auswirkungen dagegen als Trauma, das die mentale Befindlichkeit des Kantons nachhaltig prägte.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Dass sich Heidi Bosshard-Borner im nun vorliegenden zweiten Band ihrer Luzerner Kantonsgeschichte fast ganz auf die politischen Kontroversen "männlicher Eliten" beschränkt, stellt für Urs Hafner zwar eindeutig eine Schwäche dar. Doch wettgemacht sieht der Rezensent das durch die Genauigkeit und Einfühlsamkeit, mit der die Autorin insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Liberalen und in der Kirchenpolitik analysiert. Die Zeit von 1831 bis 1875, die der tausendseitige Band umfasst, scheint ihm allerdings ziemlich "willkürlich" und nicht unbedingt zwingend, wie er deutlich macht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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