Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2008Von Menschen und Ameisen
Als ob man es nicht immer geahnt hätte: Auch Dichter sind nur Menschen. Wie Taine denken sie beispielsweise an hübsch geformte Beine. Eine Brücke finden sie, wie etwa Stendhal, hingegen nur gegen Bezahlung hübsch. Oder sie gratulieren selbstbesoffen, wie Simenon, ihren literarischen Geschöpfen zum Geburtstag, in diesem Fall dem Kommissar Maigret. Gut formuliert wurde in jedem der drei Fälle. Wir dürfen vermuten, dass die als "Garten Frankreichs" besungene Loire dazu beigetragen hat. Selbst dem notorischen Nörgler Wolfgang Koeppen kam angesichts des großen Stroms Blumiges über die Tasten: "Die Loire ist der französische Sommer", schrieb er, und wartete ansonsten im Orléans des zwanzigstens Jahrhunderts vergeblich aufs Mittelalter. An den Ufern der Loire ist der Dichter Mensch, hier darf er es sein. Weshalb sonst wären von Rabelais, der in der Renaissance das heitere Studentenleben propagiert, über Laclos, der im spätfeudalen Orléans mit seinen gefährlichen Liebschaften Erfolg hat, bis hin zu Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck, der 1927 in der Nähe von Chinon "Das Leben der Ameisen" verfasste, so viele Literaten an die Loire gereist? Eben. Es ist umso mehr ein kleines Wunder, wie viele Schriftsteller in diesem handlichen Büchlein mit Anekdoten und skurrilen Begebenheiten zitiert werden. An die hundert sind es, die Manfred Hammes im amüsanten Plauderton aneinanderreiht. Genüsslich reist man mit ihm von der Loire-Quelle im Zentralmassiv (Simone Weil und Robert Louis Stevenson) an ihre Mündung (Jules Verne). Nur ein kleiner Makel trübt die tausend Kilometer lange Reise. Wenn der Autor einen Gasthof empfiehlt, so hätte man ganz gern die Adresse erfahren. Ansonsten gilt mit dem Loire-Reisenden Balzac: "Ich habe die poetischste Reise gemacht, die in Frankreich möglich ist."
ksi
"Im Tal der Loire. Ein Reisebegleiter" von Manfred Hammes. Insel Verlag, Frankfurt 2007. 236 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Broschiert, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als ob man es nicht immer geahnt hätte: Auch Dichter sind nur Menschen. Wie Taine denken sie beispielsweise an hübsch geformte Beine. Eine Brücke finden sie, wie etwa Stendhal, hingegen nur gegen Bezahlung hübsch. Oder sie gratulieren selbstbesoffen, wie Simenon, ihren literarischen Geschöpfen zum Geburtstag, in diesem Fall dem Kommissar Maigret. Gut formuliert wurde in jedem der drei Fälle. Wir dürfen vermuten, dass die als "Garten Frankreichs" besungene Loire dazu beigetragen hat. Selbst dem notorischen Nörgler Wolfgang Koeppen kam angesichts des großen Stroms Blumiges über die Tasten: "Die Loire ist der französische Sommer", schrieb er, und wartete ansonsten im Orléans des zwanzigstens Jahrhunderts vergeblich aufs Mittelalter. An den Ufern der Loire ist der Dichter Mensch, hier darf er es sein. Weshalb sonst wären von Rabelais, der in der Renaissance das heitere Studentenleben propagiert, über Laclos, der im spätfeudalen Orléans mit seinen gefährlichen Liebschaften Erfolg hat, bis hin zu Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck, der 1927 in der Nähe von Chinon "Das Leben der Ameisen" verfasste, so viele Literaten an die Loire gereist? Eben. Es ist umso mehr ein kleines Wunder, wie viele Schriftsteller in diesem handlichen Büchlein mit Anekdoten und skurrilen Begebenheiten zitiert werden. An die hundert sind es, die Manfred Hammes im amüsanten Plauderton aneinanderreiht. Genüsslich reist man mit ihm von der Loire-Quelle im Zentralmassiv (Simone Weil und Robert Louis Stevenson) an ihre Mündung (Jules Verne). Nur ein kleiner Makel trübt die tausend Kilometer lange Reise. Wenn der Autor einen Gasthof empfiehlt, so hätte man ganz gern die Adresse erfahren. Ansonsten gilt mit dem Loire-Reisenden Balzac: "Ich habe die poetischste Reise gemacht, die in Frankreich möglich ist."
ksi
"Im Tal der Loire. Ein Reisebegleiter" von Manfred Hammes. Insel Verlag, Frankfurt 2007. 236 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Broschiert, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main