Das letzte Abendlicht wandert über die Berge, als sich die Frau auf den Weg zu einer einsam gelegenen Hütte im Tal macht. Sie kennt den Ort, die Hütte, den Bauern, der ihr die Hütte überlässt. Im Tal hat sich in den vielen Jahren seit ihrem letzten Besuch nichts verändert. Die Zeit scheint stillzustehen. Im Gepäck hat sie zwei, drei Bücher, vor allem aber Erinnerungen an Menschen, die ihr nahe sind. An einige schreibt sie Briefe, die sie nicht abschickt. So zieht sie ein in die Stille, in der jedes erzwungene Reden wie eine Ruhestörung wirken würde. Sie lauscht der Natur und ihren eigenen Gedanken, wacht und schläft, streift in schweren Wanderschuhen durch die Natur, beachtet deren vielfältige Erscheinungen mit grosser Aufmerksamkeit. Dann wieder sitzt sie vor der Hütte, teilt hie und da eine einfache Mahlzeit mit dem Bauern, einem introvertierten Talbewohner. Nichts Spektakuläres geschieht. Oder doch? Es ist eine der mondhellen Nächte, als sie mit dem Bauern zu einem im Tannendunkel versteckten See wandert und dort völlig überraschend von einer unerhörten Begebenheit erfährt. Erneut legt die Autorin, die auch als Lyrikerin reüssierte, einen sorgfältig komponierten Text vor. Sparsam und zugleich reich, in einer Sprache von unerhörter Schönheit und musikalischer Qualität. Einmal mehr beweist Lisa Elsässer das Wesen und den Zauber des gekonnten literarischen Erzählens. Nicht allein auf das, was erzählt wird, kommt es an, sondern auf das Wie. In diesem Text, der tiefer und tiefer in das titelgebende Tal hinein- und mit jedem Schritt näher zu den Figuren hinführt, zählt jeder Satz.