Abenteuer kann man überall erleben - dafür muss man weder den Mount Everest besteigen noch Tausende Kilometer zurücklegen. So erfüllt sich Torbjørn Ekelund, der als Angestellter und Familienvater keine Zeit für eine große Expedition hat, dennoch den Traum vom Ausstieg in die Natur. Monat für Monat zieht er eine Nacht in den Wald: ob zum Abschalten nach der Arbeit, zum Fliegenfischen mit Freunden oder zur Entdeckungstour mit seinem kleinen Sohn. Auf seinen "Mikroabenteuern" kann er Hektik und Zeitdruck hinter sich lassen und ein bisschen Stille genießen; mit liebevoller Neugier den Wechsel der Jahreszeiten verfolgen und unserer Verbindung zur Natur nachsinnen. Eine wunderbare Inspiration für alle, die es sehnsüchtig nach draußen zieht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2016Für den Tisch Vergangenen Herbst sind wir zur Rotwandhütte in den Bayerischen Alpen aufgestiegen. Am Spitzingsee hatten wir das Auto geparkt und waren dann, bei elf Grad und einem dichten Nebel, aus dem es in Strömen goss, losmarschiert. Wir hatten uns lange nicht gesehen, hatten diese Tour lange geplant, und dieser eine Tag war nun mal die einzige Möglichkeit. Jedenfalls: Wir trotteten über drei Stunden durch dieses Sauwetter, begegneten niemandem (oder sahen unter unseren Kapuzen zumindest niemanden), da zeichneten sich im Nebel plötzlich die Konturen der Hütte ab. Sie war Erscheinung und Erlösung zugleich. Endlich die nassen Sachen ausziehen, etwas Warmes trinken und einen Speckknödel dazu. Wir saßen mit den Rücken an den Kachelofen gelehnt und unsere Klamotten trockneten an den Holzstangen darüber. Das alles, sagten wir uns, hätten wir bei schönem Wetter nie so intensiv empfunden, und dass offenbar erst die Entbehrung und das Sich-der-unwirtlichen-Natur-Aussetzen zum wahren Genuss führen. Vorausgesetzt, man findet Schutz und Versorgung in einer Hütte, die das neue gleichnamige Buch in der Unterzeile völlig zu Recht als "Sehnsuchtsort in den Alpen" bezeichnet. Der Fotograf Bernd Ritschel und der Autor Tom Dauer stellen darin 38 Hütten in den deutschen, österreichischen, italienischen und schweizerischen Alpen vor - mit kurzen Reportagen, Karten und hilfreichen Hinweisen zu Anfahrt, Zustieg, Hüttenwirten und Schlafplätzen. Angesichts des Booms, den das Bergwandern und damit auch die Hütten seit einigen Jahren erfahren, sind das alles sehr relevante Informationen. "Der Deutsche Alpenverein", schreibt Bernd Ritschel im Vorwort, "zählt in einem normalen Jahr rund 800 000 Hüttenübernachtungen - davon entfallen etwa 720 000 auf den Sommer. Im Rekordjahr 2015 mit seinen lang anhaltenden, trockenen Wetterperioden waren es noch zehn Prozent mehr."
Die trockene Wetterperiode hatten wir auf dem Weg zum Rotwandhaus verpasst - es hörte auch während des Abstiegs nicht auf zu regnen. Dafür hatten wir die Hütte aber umso mehr zu schätzen gewusst. Und damit sind wir beim Manko dieses Bildbandes: Die Fotos sind in ihrer Perfektion einen Tick zu steril für das Thema. Ein bisschen zu viel Alpinkitsch à la Sonnenuntergang-mit-Gipfelkreuz, Vollmond-über-Berggrat, Edelweiß-vor-der-Hüttentüre und Regenbogen-über-dem-Wolkenmeer. Damit wird vielleicht die Sehnsucht geweckt, aber die eigentliche Bedeutung der Schutzhäuser in der oftmals unwirtlichen Realität der Berge ignoriert.
asl
Bernd Ritschel, Tom Dauer: "Hütten: Sehnsuchtsorte in den Alpen". National Geographic, 220 Seiten, 39,99 Euro
Für die Tasche Jeden Monat zieht es ihn für eine Nacht in den Wald. Wenn der erwählte Tag da ist, macht Torbjørn Ekelund früh Feierabend, verabschiedet sich von seiner Familie und fährt in die Nordmarka - ein waldreiches, aber keineswegs unerschlossenes Gebiet nahe Oslo. Hier errichtet er einen Lagerplatz am See und macht weiter nichts, als die Natur auf sich wirken zu lassen. Ein Jahr lang führt er seine "Mikroexpeditionen" durch, von Januar bis Dezember. Ist das nun unerhört oder unspektakulär? Mutig oder schrullig? Aus genau dieser Ambivalenz bezieht das Projekt seinen Charme. Ekelund ist weder ein Outdoorfreak noch ein Ökomissionar. Er arbeitet als Journalist in Oslo, ist leidenschaftlicher Fliegenfischer und geprägt von Kindheitserinnerungen an Ferien. Darüber hinaus ist seine Beziehung zur Natur nicht wesentlich enger als die eines durchschnittlichen Norwegers. Im Buch schlägt sich das angenehm wider: Unpathetisch ist Ekelunds Tonfall, niemals belehrend oder verklärt. "Im Wald" geht er ganz einfach der Frage nach, ob sich die Natur als Hort der Ruhe und Erkenntnis in der Praxis behaupten kann. Herausgekommen ist eine wunderbare kleine Philosophie über die Macht der Jahreszeiten - und der Beweis, dass man von kleinen Fluchten nicht nur träumen muss, sondern sie, auch als berufstätiger Familienvater, in den Alltag integrieren kann. Anhand literarischer Exkurse von Sigmund Freud bis Jon Krakauer lässt uns Ekelund zudem an seiner Zeltlektüre teilhaben, die von der Wildnis erzählt - auch der in uns selbst.
slt
Torbjørn Ekelund: "Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr". Piper, München/Berlin 2016, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die trockene Wetterperiode hatten wir auf dem Weg zum Rotwandhaus verpasst - es hörte auch während des Abstiegs nicht auf zu regnen. Dafür hatten wir die Hütte aber umso mehr zu schätzen gewusst. Und damit sind wir beim Manko dieses Bildbandes: Die Fotos sind in ihrer Perfektion einen Tick zu steril für das Thema. Ein bisschen zu viel Alpinkitsch à la Sonnenuntergang-mit-Gipfelkreuz, Vollmond-über-Berggrat, Edelweiß-vor-der-Hüttentüre und Regenbogen-über-dem-Wolkenmeer. Damit wird vielleicht die Sehnsucht geweckt, aber die eigentliche Bedeutung der Schutzhäuser in der oftmals unwirtlichen Realität der Berge ignoriert.
asl
Bernd Ritschel, Tom Dauer: "Hütten: Sehnsuchtsorte in den Alpen". National Geographic, 220 Seiten, 39,99 Euro
Für die Tasche Jeden Monat zieht es ihn für eine Nacht in den Wald. Wenn der erwählte Tag da ist, macht Torbjørn Ekelund früh Feierabend, verabschiedet sich von seiner Familie und fährt in die Nordmarka - ein waldreiches, aber keineswegs unerschlossenes Gebiet nahe Oslo. Hier errichtet er einen Lagerplatz am See und macht weiter nichts, als die Natur auf sich wirken zu lassen. Ein Jahr lang führt er seine "Mikroexpeditionen" durch, von Januar bis Dezember. Ist das nun unerhört oder unspektakulär? Mutig oder schrullig? Aus genau dieser Ambivalenz bezieht das Projekt seinen Charme. Ekelund ist weder ein Outdoorfreak noch ein Ökomissionar. Er arbeitet als Journalist in Oslo, ist leidenschaftlicher Fliegenfischer und geprägt von Kindheitserinnerungen an Ferien. Darüber hinaus ist seine Beziehung zur Natur nicht wesentlich enger als die eines durchschnittlichen Norwegers. Im Buch schlägt sich das angenehm wider: Unpathetisch ist Ekelunds Tonfall, niemals belehrend oder verklärt. "Im Wald" geht er ganz einfach der Frage nach, ob sich die Natur als Hort der Ruhe und Erkenntnis in der Praxis behaupten kann. Herausgekommen ist eine wunderbare kleine Philosophie über die Macht der Jahreszeiten - und der Beweis, dass man von kleinen Fluchten nicht nur träumen muss, sondern sie, auch als berufstätiger Familienvater, in den Alltag integrieren kann. Anhand literarischer Exkurse von Sigmund Freud bis Jon Krakauer lässt uns Ekelund zudem an seiner Zeltlektüre teilhaben, die von der Wildnis erzählt - auch der in uns selbst.
slt
Torbjørn Ekelund: "Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr". Piper, München/Berlin 2016, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.09.2016Nordisches Dschungelbuch
Mit Mikroexpeditionen in die Waldwildnis hinter den Stadtgrenzen von Oslo will Torbjørn Ekelund Kultur und Natur hinterfragen
Torbjørn Ekelund ist eben auch nur ein Mensch. Obwohl er als Kind davon träumte, ein harter, wortkarger Forschungsreisender zu werden, ließen Brotjob und Familie ihn schlussendlich auf den völligen Bruch mit der Zivilisation verzichten. Ekelund reiste in jungen Jahren nicht viel, doch seine eindringlichsten Erinnerungen sind jene an Naturerlebnisse. Im ständigen Hin und Her zwischen Büro, Wohnzimmer und familiären Verpflichtungen wuchs die Frustration über sein fremdbestimmtes Leben und damit die Sehnsucht nach der Stille des Waldes und den Besonderheiten der Natur.
„Verursacht Kultur Stress, bietet Natur Ruhe. Macht Kultur die Menschen einsam, werden sie durch die Natur befreit.“ Besonders stressten ihn die vielen Verabredungen und Termine, die er als Journalist und Leiter eines kleinen Verlages hatte. Er beschloss deshalb, von Januar bis Dezember einmal pro Monat in der Nordmarka, dem direkt an der Stadtgrenze Oslos gelegenen Waldgebiet, zu übernachten. Obwohl diese Mikroexpeditionen ihn nicht in das Dickicht abgelegener Urwälder führen oder gar auf den von ihm oft erträumten Everest, sondern bloß in das Moos und die Lichtungen des Waldes vor seiner Stadt, stellt sich sein Vorhaben als ein abenteuerliches heraus. Er begibt sich, nur mit Schlafsack, Zelt und Abendlektüre ausgestattet, zwischen die Fichten und Birken fernab der ausgetretenen Wanderwege.
Die Natur belohnt ihn mit den Spuren torkelnder Elche im Schnee, dem geisterhaften Flug der Kraniche, dem Farbenspiel des Heidekrauts, dem Balztanz der Birkhähne, einem in der Nacht zu einem „Meer aus Knäckebrot“ gefrorenen Moor. Auch verlangt sie ihm einiges ab – so weiß er nach dem Erwachen im Raureif die Autoheizung mehr denn je zu schätzen.
Ekelunds Ziel ist die Ziellosigkeit, und so kommt ihm das in weiten Teilen Skandinaviens geltende Jedermannsrecht entgegen. Es erlaubt, sich fast überall frei in der Natur zu bewegen, zu übernachten und Lagerfeuer zu entzünden. An manchem Sommermorgen zieht sich der begeisterte Fliegenfischer eine Forelle aus dem See. Meist nimmt er seine Mahlzeiten nur in Gegenwart der Bäume ein, die Einsamkeit ist ihm aber kein ehernes Prinzip: So begleiten ihn mal sein kleiner Sohn, mal zwei befreundete Fliegenfischer oder ein Fotograf.
In einer wachen, unprätentiösen Sprache schreibt Ekelund vom Wald als „Allheilmittel“ gegen Blindheit und Gleichgültigkeit der Welt gegenüber, gegen die der Routine manchmal entwachsende Sinnlosigkeit. Ab und zu verfällt er in einen etwas pathetischen Tonfall, wenn er etwa den Herbst als Dreigestirn aus Melancholie, Nostalgie und Wehmut beschreibt. Er verzichtet aber auf übermäßige Esoterik oder aufgesetztes Philosophieren. Und doch lässt er den Leser durch Zitate an seiner Zeltlektüre teilhaben: Bukowski, Aristoteles oder Freud helfen ihm bei der Rechtfertigung, sich für die Natur und das Alleinsein statt für gesellschaftliche Verpflichtungen zu entscheiden. Seine lose über das Buch verstreuten Fotografien des Waldes zu jeder Jahreszeit sind wie Bilder eines nordischen Dschungelbuchs, die in starkem Kontrast zu der entzauberten, urbanen Welt stehen, in der wir uns bewegen.
Ekelund, Jahrgang 1971, braucht die Natur als Korrektiv für sein Großstadtleben. Erst im Wald erkenne man die eigene Irrelevanz, komme man zu der tröstlichen Einsicht, dass die Welt sich von der individuellen Leistung unabhängig drehe. Ekelund hat die Größe, sich diese eigene Kleinheit einzugestehen. Seine Worte wecken Mut und Muße, auch die „Tipps für die Wildnis von einem Büromenschen“ im letzten Kapitel inspirieren zu einer Nachahmungstat. So warnt er davor, der Versuchung eines zu voll gepackten Rucksacks zu erliegen. Oder aber er empfiehlt, im Frühling bloß nicht die schönste Tageszeit am frühen Morgen zu verschlafen, spätestens um fünf Uhr solle man da aufstehen, um das Erwachen der Natur zu erleben. Auch der Rat, abends immer eine Pinkelflasche mit ins Zelt zu nehmen, um bei nächtlichen „Toilettengängen“ nicht unnötig auszukühlen, mag Lesern und Waldabenteurern in spe einige Unannehmlichkeiten ersparen.
So minimalistisch Ekelunds kleine Ausreißer auch ausfallen, so banal, fast artifiziell diese Form der auf eine Nacht komprimierten Weltflucht anmutet, so lohnt es sich doch, darüber nachzudenken. Und vielleicht irgendwann einmal Ekelunds simpler Aufforderung zu folgen: „Überall auf der Welt gibt es Wälder. Man muss einfach nur hineingehen.“
JULIA HÖFTBERGER
Torbjørn Ekelund: Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr. Piper Verlag, München/Berlin 2016. 272 Seiten, 18 Euro.
REISEBUCH
Im Wald kommt er zu
der Einsicht, dass die Welt sich
auch ohne ihn dreht
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Mit Mikroexpeditionen in die Waldwildnis hinter den Stadtgrenzen von Oslo will Torbjørn Ekelund Kultur und Natur hinterfragen
Torbjørn Ekelund ist eben auch nur ein Mensch. Obwohl er als Kind davon träumte, ein harter, wortkarger Forschungsreisender zu werden, ließen Brotjob und Familie ihn schlussendlich auf den völligen Bruch mit der Zivilisation verzichten. Ekelund reiste in jungen Jahren nicht viel, doch seine eindringlichsten Erinnerungen sind jene an Naturerlebnisse. Im ständigen Hin und Her zwischen Büro, Wohnzimmer und familiären Verpflichtungen wuchs die Frustration über sein fremdbestimmtes Leben und damit die Sehnsucht nach der Stille des Waldes und den Besonderheiten der Natur.
„Verursacht Kultur Stress, bietet Natur Ruhe. Macht Kultur die Menschen einsam, werden sie durch die Natur befreit.“ Besonders stressten ihn die vielen Verabredungen und Termine, die er als Journalist und Leiter eines kleinen Verlages hatte. Er beschloss deshalb, von Januar bis Dezember einmal pro Monat in der Nordmarka, dem direkt an der Stadtgrenze Oslos gelegenen Waldgebiet, zu übernachten. Obwohl diese Mikroexpeditionen ihn nicht in das Dickicht abgelegener Urwälder führen oder gar auf den von ihm oft erträumten Everest, sondern bloß in das Moos und die Lichtungen des Waldes vor seiner Stadt, stellt sich sein Vorhaben als ein abenteuerliches heraus. Er begibt sich, nur mit Schlafsack, Zelt und Abendlektüre ausgestattet, zwischen die Fichten und Birken fernab der ausgetretenen Wanderwege.
Die Natur belohnt ihn mit den Spuren torkelnder Elche im Schnee, dem geisterhaften Flug der Kraniche, dem Farbenspiel des Heidekrauts, dem Balztanz der Birkhähne, einem in der Nacht zu einem „Meer aus Knäckebrot“ gefrorenen Moor. Auch verlangt sie ihm einiges ab – so weiß er nach dem Erwachen im Raureif die Autoheizung mehr denn je zu schätzen.
Ekelunds Ziel ist die Ziellosigkeit, und so kommt ihm das in weiten Teilen Skandinaviens geltende Jedermannsrecht entgegen. Es erlaubt, sich fast überall frei in der Natur zu bewegen, zu übernachten und Lagerfeuer zu entzünden. An manchem Sommermorgen zieht sich der begeisterte Fliegenfischer eine Forelle aus dem See. Meist nimmt er seine Mahlzeiten nur in Gegenwart der Bäume ein, die Einsamkeit ist ihm aber kein ehernes Prinzip: So begleiten ihn mal sein kleiner Sohn, mal zwei befreundete Fliegenfischer oder ein Fotograf.
In einer wachen, unprätentiösen Sprache schreibt Ekelund vom Wald als „Allheilmittel“ gegen Blindheit und Gleichgültigkeit der Welt gegenüber, gegen die der Routine manchmal entwachsende Sinnlosigkeit. Ab und zu verfällt er in einen etwas pathetischen Tonfall, wenn er etwa den Herbst als Dreigestirn aus Melancholie, Nostalgie und Wehmut beschreibt. Er verzichtet aber auf übermäßige Esoterik oder aufgesetztes Philosophieren. Und doch lässt er den Leser durch Zitate an seiner Zeltlektüre teilhaben: Bukowski, Aristoteles oder Freud helfen ihm bei der Rechtfertigung, sich für die Natur und das Alleinsein statt für gesellschaftliche Verpflichtungen zu entscheiden. Seine lose über das Buch verstreuten Fotografien des Waldes zu jeder Jahreszeit sind wie Bilder eines nordischen Dschungelbuchs, die in starkem Kontrast zu der entzauberten, urbanen Welt stehen, in der wir uns bewegen.
Ekelund, Jahrgang 1971, braucht die Natur als Korrektiv für sein Großstadtleben. Erst im Wald erkenne man die eigene Irrelevanz, komme man zu der tröstlichen Einsicht, dass die Welt sich von der individuellen Leistung unabhängig drehe. Ekelund hat die Größe, sich diese eigene Kleinheit einzugestehen. Seine Worte wecken Mut und Muße, auch die „Tipps für die Wildnis von einem Büromenschen“ im letzten Kapitel inspirieren zu einer Nachahmungstat. So warnt er davor, der Versuchung eines zu voll gepackten Rucksacks zu erliegen. Oder aber er empfiehlt, im Frühling bloß nicht die schönste Tageszeit am frühen Morgen zu verschlafen, spätestens um fünf Uhr solle man da aufstehen, um das Erwachen der Natur zu erleben. Auch der Rat, abends immer eine Pinkelflasche mit ins Zelt zu nehmen, um bei nächtlichen „Toilettengängen“ nicht unnötig auszukühlen, mag Lesern und Waldabenteurern in spe einige Unannehmlichkeiten ersparen.
So minimalistisch Ekelunds kleine Ausreißer auch ausfallen, so banal, fast artifiziell diese Form der auf eine Nacht komprimierten Weltflucht anmutet, so lohnt es sich doch, darüber nachzudenken. Und vielleicht irgendwann einmal Ekelunds simpler Aufforderung zu folgen: „Überall auf der Welt gibt es Wälder. Man muss einfach nur hineingehen.“
JULIA HÖFTBERGER
Torbjørn Ekelund: Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr. Piper Verlag, München/Berlin 2016. 272 Seiten, 18 Euro.
REISEBUCH
Im Wald kommt er zu
der Einsicht, dass die Welt sich
auch ohne ihn dreht
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"Das Buch 'Im Wald' zeigt, dass man die Sehnsucht der Natur in das heutige Alltagsleben integrieren kann. Vielleicht ist das sogar naturfreundlicher als die ganz große Expedition. Gleichzeitig macht es Mut, es einmal selbst zu versuchen.", raempel.de, 14.05.2017