Die Sparda-Bank Frankfurt am Main präsentiert zu ihrem 100-jährigen Bestehen im Jahr 2003 ihre Firmengeschichte. Sie ist eng mit der Geschichte der Stadt Frankfurt und ihrem Aufstieg zu einem Eisenbahn- und Bankenzentrum verbunden: Der traditionsreichen Handelsmetropole Frankfurt gelang es, ihre günstige Lage am Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege auch im Eisenbahnzeitalter zu behaupten. 1888 wurde der Hauptbahnhof von Frankfurt am Main fertiggestellt und war damit zu diesem Zeitpunkt der größte in Europa. Die Gründung der Eisenbahnspar- und Darlehenskasse im Jahr 1903 war vor allem dieser stürmischen Aufwärtsentwicklung zu verdanken. Von den Anfängen und der frühen Entwicklung vor dem ersten Weltkrieg, über die Inflation bis hin zur Weltwirtschaftskrise, über die schwierige Zeit des Nationalsozialismus, den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit, sowie den steinigen Weg zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen, das sich den Herausforderungen zu Beginn des neuen Jahrhundert stellt - davon wird in diesem Standardwerk zur Banken- und Eisenbahngeschichte eindrucksvoll berichtet. Dem ausgewiesenen Sozialhistoriker Dieter Hein gelingt es, die Geschichte der Sparda-Bank ebenso farbig und anschaulich wie fachlich informativ zu erzählen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2003Mit der Bahn gewachsen - doch nicht mit der Bahn geschrumpft
Dieter Hein hat die Geschichte der ersten 100 Jahre der Frankfurter Sparda-Bank aufgeschrieben
mak. FRANKFURT. Was sind schon 100 Jahre. Die Anfänge der Sparda-Bank wirken fern, wenn davon die Rede ist, daß in den ersten Aufsichtsrat auch ein "Stationsvorsteher 1. Kl." gewählt wurde, wie es im Protokoll hieß, ein "Hilfsrangiermeister" und ein Sattler. Aber sie wirken nah, wenn man sich manche Rahmenbedingungen jenes Jahres 1903 vergegenwärtigt. War doch der "Spar- und Vorschußverein von Eisenbahn-Beamten und -Arbeitern im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt a.M." - so der offizielle wie umständliche Name - gleichsam gegen die schon 13 Jahre zuvor gegründete Eisenbahnersparkasse angetreten, welche sich nur an ein elitäres Publikum wandte (andere wurden durch hohe Mitgliedsbeiträge abgeschreckt) und ohnedies nur den Beamten unter den Eisenbahnern offenstand.
Die Teilung des Marktes in die vermögenden und weniger vermögenden Kunden ging ebensowenig gut aus wie knapp ein Jahrhundert später, als die Deutsche Bank für kurze Zeit ihre weniger reichen Kunden an die Deutsche Bank 24 verwies und sich damit allerhand Ärger einhandelte. An der Wende zum 20. Jahrhundert war die Segregation sogar noch folgenreicher: Während der "Spar- und Vorschußverein" für die kleinen Leute nach allerlei Wirrnissen als Sparda-Bank dieser Tage sein hundertjähriges Bestehen feiern kann, kam die Eisenbahnersparkasse niemals auf einen grünen Zweig und löste sich zu Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf.
Dabei waren auch die Anfänge der heutigen Sparda-Bank nicht einfach. Zwar erfreute sich das genossenschaftliche Institut großer Beliebtheit unter den Eisenbahnern, die am Knotenpunkt Frankfurt nach Tausenden zählten. Doch stieß die Vergabe von Krediten schon einmal auf Schwierigkeiten, weil Wertpapiere nicht als Pfand hereingenommen werden konnten - fehlte es doch noch an einer Möglichkeit, sie feuersicher aufzubewahren. Dafür gab sich die Bank innovativ und führte 1905 gemeinsame Sparbücher für Ehepaare ein und solche mit Sperrfrist bis zur Konfirmation. Im dieser Tage erschienenen Buch "Im Zug der Zeit" hat Dieter Hein die Geschichte des Geldinstituts rekonstruiert, soweit dies aus den offenbar nur spärlich vorhandenen Unterlagen des Hauses möglich war. Aus dieser Not hat der Historiker der Johann Wolfgang Goethe-Universität aber eine Tugend gemacht, indem er weit über das hinausgeht, was in einer Schrift zum Unternehmensjubiläum zu erwarten wäre. Er berichtet mithin über die Entstehung des Genossenschaftswesens überhaupt ebenso wie über die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Frankfurt, auch über wichtige Ereignisse in der Stadt.
Die Eisenbahner-Bank und die Eisenbahn - ein Verhältnis, das Vorteile wie Nachteile mit sich brachte. Im Nationalsozialismus etwa schützte die Nähe zur Reichsbahn das Geldinstitut vor Zugriffen, wie Hein schreibt, während die eng mit der Arbeiterbewegung verbundenen Genossenschaften, vor allem die Konsumvereine, aufgelöst wurden. Als eine andauernde Herausforderung für die Bank sollte sich wiederum die Krise der Eisenbahn darstellen, die von den fünfziger Jahren an zu sinkenden Mitarbeiterzahlen bei der Deutschen Bundesbahn führte.
Die Öffnung für neue Kundenkreise geschah nur zögerlich; so durfte erst 1969 jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst (mit Ausnahme der Bundespost) Genosse werden. Von einem breiteren Publikum wurde das Kreditinstitut überhaupt erst mit dem zunächst zaghaften Aufbau eines Filialnetzes von 1979 an wahrgenommen; die erste Niederlassung entstand indes noch in einer Eisenbahnersiedlung. 1990 war immerhin ein Drittel der Mitglieder nicht mehr der Eisenbahn verbunden, doch hatten die Frankfurter wegen ihrer Zögerlichkeit den Platz in der Spitzengruppe der Sparda-Banken an jene verloren, die sich früher und entschlossener geöffnet hatten. Erfreulicher waren die neunziger Jahre mit einem Wachstum der Bilanzsumme in Höhe von durchschnittlich 12,1 Prozent, und auch im Ranking der deutschen Sparda-Banken stehen die Frankfurter wieder besser da.
Und am Beginn des 21. Jahrhunderts schließt sich ein Kreis: Als die Frankfurter 1903 die Gründung ihrer Bank vorantrieben, fuhren zwei designierte Vorstandsmitglieder zum sechs Jahre älteren Schwesterinstitut nach Kassel, um von dort zu lernen. 100 Jahre später sind Reisen von Vorständen zwischen Kassel und Frankfurt wieder ganz zeitgemäß, wollen doch die Sparda-Banken beider Städte fusionieren.
Dieter Hein, Im Zug der Zeit - Die Sparda-Bank Frankfurt am Main 1903-2003, Piper Verlag, München 2002, 34,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dieter Hein hat die Geschichte der ersten 100 Jahre der Frankfurter Sparda-Bank aufgeschrieben
mak. FRANKFURT. Was sind schon 100 Jahre. Die Anfänge der Sparda-Bank wirken fern, wenn davon die Rede ist, daß in den ersten Aufsichtsrat auch ein "Stationsvorsteher 1. Kl." gewählt wurde, wie es im Protokoll hieß, ein "Hilfsrangiermeister" und ein Sattler. Aber sie wirken nah, wenn man sich manche Rahmenbedingungen jenes Jahres 1903 vergegenwärtigt. War doch der "Spar- und Vorschußverein von Eisenbahn-Beamten und -Arbeitern im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt a.M." - so der offizielle wie umständliche Name - gleichsam gegen die schon 13 Jahre zuvor gegründete Eisenbahnersparkasse angetreten, welche sich nur an ein elitäres Publikum wandte (andere wurden durch hohe Mitgliedsbeiträge abgeschreckt) und ohnedies nur den Beamten unter den Eisenbahnern offenstand.
Die Teilung des Marktes in die vermögenden und weniger vermögenden Kunden ging ebensowenig gut aus wie knapp ein Jahrhundert später, als die Deutsche Bank für kurze Zeit ihre weniger reichen Kunden an die Deutsche Bank 24 verwies und sich damit allerhand Ärger einhandelte. An der Wende zum 20. Jahrhundert war die Segregation sogar noch folgenreicher: Während der "Spar- und Vorschußverein" für die kleinen Leute nach allerlei Wirrnissen als Sparda-Bank dieser Tage sein hundertjähriges Bestehen feiern kann, kam die Eisenbahnersparkasse niemals auf einen grünen Zweig und löste sich zu Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf.
Dabei waren auch die Anfänge der heutigen Sparda-Bank nicht einfach. Zwar erfreute sich das genossenschaftliche Institut großer Beliebtheit unter den Eisenbahnern, die am Knotenpunkt Frankfurt nach Tausenden zählten. Doch stieß die Vergabe von Krediten schon einmal auf Schwierigkeiten, weil Wertpapiere nicht als Pfand hereingenommen werden konnten - fehlte es doch noch an einer Möglichkeit, sie feuersicher aufzubewahren. Dafür gab sich die Bank innovativ und führte 1905 gemeinsame Sparbücher für Ehepaare ein und solche mit Sperrfrist bis zur Konfirmation. Im dieser Tage erschienenen Buch "Im Zug der Zeit" hat Dieter Hein die Geschichte des Geldinstituts rekonstruiert, soweit dies aus den offenbar nur spärlich vorhandenen Unterlagen des Hauses möglich war. Aus dieser Not hat der Historiker der Johann Wolfgang Goethe-Universität aber eine Tugend gemacht, indem er weit über das hinausgeht, was in einer Schrift zum Unternehmensjubiläum zu erwarten wäre. Er berichtet mithin über die Entstehung des Genossenschaftswesens überhaupt ebenso wie über die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Frankfurt, auch über wichtige Ereignisse in der Stadt.
Die Eisenbahner-Bank und die Eisenbahn - ein Verhältnis, das Vorteile wie Nachteile mit sich brachte. Im Nationalsozialismus etwa schützte die Nähe zur Reichsbahn das Geldinstitut vor Zugriffen, wie Hein schreibt, während die eng mit der Arbeiterbewegung verbundenen Genossenschaften, vor allem die Konsumvereine, aufgelöst wurden. Als eine andauernde Herausforderung für die Bank sollte sich wiederum die Krise der Eisenbahn darstellen, die von den fünfziger Jahren an zu sinkenden Mitarbeiterzahlen bei der Deutschen Bundesbahn führte.
Die Öffnung für neue Kundenkreise geschah nur zögerlich; so durfte erst 1969 jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst (mit Ausnahme der Bundespost) Genosse werden. Von einem breiteren Publikum wurde das Kreditinstitut überhaupt erst mit dem zunächst zaghaften Aufbau eines Filialnetzes von 1979 an wahrgenommen; die erste Niederlassung entstand indes noch in einer Eisenbahnersiedlung. 1990 war immerhin ein Drittel der Mitglieder nicht mehr der Eisenbahn verbunden, doch hatten die Frankfurter wegen ihrer Zögerlichkeit den Platz in der Spitzengruppe der Sparda-Banken an jene verloren, die sich früher und entschlossener geöffnet hatten. Erfreulicher waren die neunziger Jahre mit einem Wachstum der Bilanzsumme in Höhe von durchschnittlich 12,1 Prozent, und auch im Ranking der deutschen Sparda-Banken stehen die Frankfurter wieder besser da.
Und am Beginn des 21. Jahrhunderts schließt sich ein Kreis: Als die Frankfurter 1903 die Gründung ihrer Bank vorantrieben, fuhren zwei designierte Vorstandsmitglieder zum sechs Jahre älteren Schwesterinstitut nach Kassel, um von dort zu lernen. 100 Jahre später sind Reisen von Vorständen zwischen Kassel und Frankfurt wieder ganz zeitgemäß, wollen doch die Sparda-Banken beider Städte fusionieren.
Dieter Hein, Im Zug der Zeit - Die Sparda-Bank Frankfurt am Main 1903-2003, Piper Verlag, München 2002, 34,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main