Gewalt, Grausamkeit, Krieg - diese Sphäre zieht die Künstler vor allem an. Warum paktiert die literarische fantasie mit dem Bösen? Karl Heinz Bohrer erläutert anhand der Werke von Poe, Baudelaire, Shakespeare, Kafka und anderen die Natur des Bösen und gibt dem Leser einen Einblick in diese ästhetische Kategorie.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2004Hinweis
BOHRERS BÖSES. Daß sich zu Beginn des Irak-Kriegs auch eine intellektuelle Linke willig in die Koalition der Willigen einreihte, mag heute vergessen sein. Aber man nehme nur noch einmal die entsprechenden Hefte der Zeitschrift "Merkur" aus dem Schuber, um zu sehen, welche Attraktivität der Krieg auch für ein sich links verstehendes Denken ausübt. Näheren Aufschluß gewinnt, wer die neue Aufsatzsammlung des "Merkur"-Herausgebers Karl Heinz Bohrer über das Böse in den Künsten zur Hand nimmt. Unter dem Buchtitel "Imaginationen des Bösen" legt Bohrer dar, "wie stark die Anziehungskraft des Bösen als epiphanes Ereignis für die künstlerische Vorstellung während unterschiedlicher Epochen gewesen ist und weiterhin offenbar bleibt". Der Untertitel variiert: "Für eine ästhetische Kategorie" heißt er im Buch selbst, auf dem Schutzumschlag jedoch ist das Plädoyerhafte des "Für" abgemildert zu: "Zur Begründung einer ästhetischen Kategorie". Der nicht festgelegte Untertitel mag für das Schillernde des Ganzen stehen. Bohrer identifiziert den Krieg als "zum Kern des zivilisatorischen Prozesses" gehörend. Am Ende glänzt das Böse als Phantasma für Kreative, als Geschmacksverstärker wie die Liebe. Ein Eiseshauch der Normalisierung weht durch dieses heißblütige Buch. (Karl Heinz Bohrer: "Imaginationen des Bösen". Zur Begründung einer ästhetischen Kategorie. Hanser Verlag, München 2004. 269 S., br., 19,90 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
BOHRERS BÖSES. Daß sich zu Beginn des Irak-Kriegs auch eine intellektuelle Linke willig in die Koalition der Willigen einreihte, mag heute vergessen sein. Aber man nehme nur noch einmal die entsprechenden Hefte der Zeitschrift "Merkur" aus dem Schuber, um zu sehen, welche Attraktivität der Krieg auch für ein sich links verstehendes Denken ausübt. Näheren Aufschluß gewinnt, wer die neue Aufsatzsammlung des "Merkur"-Herausgebers Karl Heinz Bohrer über das Böse in den Künsten zur Hand nimmt. Unter dem Buchtitel "Imaginationen des Bösen" legt Bohrer dar, "wie stark die Anziehungskraft des Bösen als epiphanes Ereignis für die künstlerische Vorstellung während unterschiedlicher Epochen gewesen ist und weiterhin offenbar bleibt". Der Untertitel variiert: "Für eine ästhetische Kategorie" heißt er im Buch selbst, auf dem Schutzumschlag jedoch ist das Plädoyerhafte des "Für" abgemildert zu: "Zur Begründung einer ästhetischen Kategorie". Der nicht festgelegte Untertitel mag für das Schillernde des Ganzen stehen. Bohrer identifiziert den Krieg als "zum Kern des zivilisatorischen Prozesses" gehörend. Am Ende glänzt das Böse als Phantasma für Kreative, als Geschmacksverstärker wie die Liebe. Ein Eiseshauch der Normalisierung weht durch dieses heißblütige Buch. (Karl Heinz Bohrer: "Imaginationen des Bösen". Zur Begründung einer ästhetischen Kategorie. Hanser Verlag, München 2004. 269 S., br., 19,90 [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Es scheint", schreibt Ludger Heidbrink, "große Schwierigkeiten zu bereiten, die Schrecken der Moderne ohne Absicherung zu denken, seien sie moralischer oder ästhetischer Art". Dabei scheint Karl Heinz Bohrer erstmal auf einem ganz anderen Dampfer zu sein, interessiert ihn doch das Böse, anders als einen Großteil der abendländischen Philosophen, "nicht als Mangel des Guten, sondern als Motiv und Stil in der modernen Kunst". Und dort, so seine Argumentation, steht es für nichts außer sich selbst; es bringt nichts zum Ausdruck, sondern ist selber der Ausdruck, und zwar ein ganz besonders gewaltsamer - ein wirkungsmächtiges ästhetisches Mittel. Schön und gut, doch dann, hadert Heidbrink, schleicht sich der Sinn durch die Hintertür wieder ein: Das Böse erfüllt nämlich eine Aufgabe - es soll unsere "Vorstellungskraft" erweitern und mithin unseren geistigen Horizont. Es bleibt also dabei: "Nicht das Böse ist treibende Kraft des Denkens, sondern der Versuch, ihm einen Platz in der prekären Ordnung der Dinge zu geben."
© Perlentaucher Medien GmbH
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