Unsere halbe Zeit verbringen wir nachts. Das Buch versucht einen Überblick der mit der Nacht verbundenen Phänomene von der Kunst des Alten Orients über das Alte Ägypten, das antike Griechenland und Rom, das Mittelalter in Europa und Byzanz, die Renaissance und den Manierismus bis zum Ende barocker Malerei zu geben. Die dunklen Elemente der Sprache wirken aus der antiken Rhetorik über die Troubadour-Dichtung bis zu John Donne auch in die bildende Kunst. Die nächtlichen Seiten des Menschen berühren Hexenwahn, Höllenvisionen und apokalyptische Vorstellungen. Kunst und Wissenschaft haben bis heute das Interesse an der Nacht nicht verloren, was sich in zahlreichen Ausstellungen und Radiosendungen zum Thema äußert, aber auch in Musikstücken, Film, Theater und Buchtiteln. Plinius und Platon liegen mit der "Dibutadislegende" und dem "Höhlengleichnis" der Erkenntnis von Karl Philipp Moritz in seiner "Götterlehre" zu Grunde: "Die Kunst kommt aus der Nacht". Vom Ursprungsmythos, dessen feministischen Aspekten, über den nächtlich schöpferischen männlichen Künstler-Außenseiter, der - gleich den Idealen des römischen Kaisers und Dichters - mit Nachtfleiß gegen den Schlaf kämpft und im dunklen Studiolo oder Aktsaal der Akademien seinen Studien nachgeht, bis zu den nächtlich umtriebigen Menschen und der "Nyktomachia" des Krieges wird methodisch auch ein Überschreiten der Grenze zu Nachbardisziplinen angestrebt.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
So eine umfassende Geschichte der "Nacht in der Kunst des Abendlandes" hat es bisher nicht gegeben, freut sich Claudia Lanfranconi und zählt verschiedene Einzeluntersuchungen auf, die entweder methodisch überholt (wie Wolfgang Schönes "Das Licht in der Malerei") oder auf einzelne Epochen konzentriert seien (so Stoichitas Renaissance-Darstellung der "Geschichte des Schattens"). Auch wenn die Verfasserin chronologisch und enzyklopädisch vorgehe, so Lanfranconi begeistert, führe Brigitte Borchardt-Birbaumers Ansatz weit über eine Anthologie von Nachtbildern hinaus. Mit den Bildern nämlich ließen sich kosmologische Vorstellungen, astrologische Entdeckungen und ästhetische Moden über einen Zeitraum von fünftausend Jahren erzählen, schwärmt die Rezensentin. Ihrer Begeisterung gebietet allerdings der etwas umständliche wissenschaftliche Duktus des Buches Einhalt, das sein Thema zwar im Vorwort als "wissenschaftsfeindlich" bezeichnet, deshalb jedoch durchgängig in Verteidigungshaltung verharrt: lateinische Originalzitate und umständliches Referieren der Forschungsdiskussionen sind aus Lanfranconis Sicht durchaus verzichtbar, die sich den zweiten Band (von Goya bis heute) mit "weniger Licht" wünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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