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Produktdetails
  • Verlag: Residenz
  • Originaltitel: No New Jokes
  • Seitenzahl: 231
  • Abmessung: 211mm x 132mm x 23mm
  • Gewicht: 364g
  • ISBN-13: 9783701711871
  • ISBN-10: 3701711879
  • Artikelnr.: 24641717
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2000

Abels alte Witze
Die Verlierer von Brooklyn im
ersten Roman von Steven Bloom
„Wenn du einen Rat von mir willst, Benny, vergiss dieses Korea und komm mit uns zum Pferderennen. Wer weiß, vielleicht ist es ja blinder Alarm. ” So sprechen sich 1949, zwischen den Kriegen ein paar New Yorker Juden Mut zu und freuen sich, dass sie in Brooklyn und nicht in Bialystok zur Welt kamen. Izzy und Archie, Benny, Max, Meyer, Irving und die anderen, sie reden und reden, als sei dieses verbale Ping Pong die einzige mögliche Überlebensstrategie.
Redefreiheit ist ein Schlüsselwort in Steven Blooms Roman „Immer dieselben Witze”. Wer da redet, sind nicht die Stadtneurotiker der feinen New Yorker Bezirke, sondern arme Leute und Arbeitslose der Pitkin Avenue, der Saratoga, Herzl und Hopkinson Avenues in Bedford-Stuyvesant, einem ehemals jüdischen und schwarzen Bezirk, in dem sich die unterschiedlichsten Mechanismen der Diskriminierung trefflich ausprobieren ließen: „Sieht ein Jude in der Subway einen Neger sitzen und eine jiddische Zeitung lesen, sagt er zu ihm: Hören Sie, Mister, Sie sind doch nicht etwa Jude, oder? . . . Wie komme ich dazu, sagt der Neger. Ich hab so schon genug am Hals. ”
Immer dieselben, in großen Bögen den Alltag überbrückenden jüdischen Witze, Erinnerungen und Ängste, ein skeptisch ironisch gebrochener Stolz auf Amerika, ein eher träges Bedürfnis zu vögeln, die Kämpfe der Yankees und Dodgers zu verfolgen, die allgegenwärtige Erinnerung des Holocaust und die Angst vor der Explosion einer Atombombe, an deren Abwurf über Nagasaki der Jude Abe Spitzer aus der Bronx beteiligt war – dies alles und nichts ist die Handlung des Romans. Jeder weitere erzählerische Kunstgriff wäre nur lästig und ablenkend.
Izzy, der ehemalige Boxer hat überlebt, wenn auch, seit Montecassino, mit einem Splitter im Kopf. Der Kriegsinvalide macht Musik in den Höfen. Jemand wirft Geld aus dem Fenster, eine fette Frau schenkt Wasser und Sex. Seine Fußwege und Busfahrten führen bis zur Bibliothek an der Grand Army Plaza in Crown Heights. Man liest Frank O’Hara, den Rolf Dieter Brinkmann ins Deutsche übersetzt hat. Vielleicht könnte man sogar zu Fuß über die Manhattan Bridge in die Lower East Side gelangen. Aber wer tut das schon?
In Kielce bei Krakau lag der erschlagene Vater auf der Straße. Dort hat es Pogrome gegeben, vor den Nationalsozialisten (1919), während der Nazizeit und im Juli 1946 unter polnischer Herrschaft. „Die Figuren sind alle erfunden”, sagt der 1942 in Brooklyn geborene, jetzt in Heidelberg amerikanische Landeskunde lehrende Autor. Doch der Lefkowitz des Romans hätte kaum eine Daseinsberechtigung, wenn nicht Gershon Lefkowitz mit David Barviner im Kelzer Ghetto einen durch Denunziation vereitelten Aufstand geplant hätte. 27 000 Menschen haben 1942 dort gelebt, fast alle wurden deportiert oder erschossen. William Mandel, der Vorsitzende der New Yorker Kielce-Gesellschaft, hat ihnen Denkmäler errichtet; Irving Mandel ist einer der Freunde in Bedford-Stuyvesant, die sich Sorgen darüber machen, dass Präsident Trumans nächste Atombombe Auschwitz aus dem Gedächtnis tilgen könnte.
An Palästina wollen diese Kriegsverlierer in Brokklyn nach dem gewonnenen Krieg nicht glauben. Eher noch könnten sie sich einen jüdischen Staat in New Jersey vorstellen – und gleich noch einen zweiten für die Farbigen. Dann wären die weißen Amerikaner allein mit ihren Kommunisten und Antikommunisten. Senator McCarthy hätte Schauprozesse führen können wie Jossif Stalin, und die Juden wären mit ihrem Selbsthass, ihren Pogromwitzen und dem Nachdenken über das Lachen für sich gewesen. Kennen Sie den: Warum hat Kain Abel erschlagen? Weil der ihm einen alten jüdischen Witz erzählt hat. Steven Bloom aber kann zuhören, so verschlägt es ihm die Rede nicht.
HERBERT WIESNER
STEVEN BLOOM: Immer dieselben Witze. Aus dem amerikanischen Englisch von Silvia Morawetz. Roman. Residenz Verlag, Salzburg 2000. 232 S. , 39 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine Buchbesprechung, in der Witze erzählt werden: zumindest zwei aus Steven Blooms Erstlingsroman "Immer dieselben Witze" gibt der Rezensent Herbert Wiesner wieder. Ansonsten hält er sich bedeckt und nimmt die Haltung ein, die er auch dem Autor Bloom, einem in Heidelberg amerikanische Landeskunde lehrenden Autor, Jahrgang 1942, zuspricht: er hört zu, er erzählt weiter, ohne Kommentar. Bloom hat sein Ohr einer Gruppe New Yorker Juden geliehen, die Ende der 40er Jahre im Bezirk Bedford-Stuyvesant in engster Nachbarschaft mit vielen Schwarzen leben. Diskriminierungsmechanismen, Kriegsangst, Holocaust-Erinnerungen, Amerika und der Kommunismus lauten ihre Themen, die alltäglich von Witzen untermauert oder durchbrochen werden. "Immer dieselben Witze" - der Rezensent scheint`s zu mögen.

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