'Immer schön sachlich' umfasst die seit 2006 unter www.sachbuchforschung.de publizierte 'Kleine Geschichte des Sachbuchs' und ist nun für den Zeitraum 1870 bis 1918 abgeschlossen. Das Buch ist die erweiterte, ergänzte und korrigierte Fassung dieser Texte.'Ich selbst habe es beim Sachbuch immer damit gehalten, dass es unterhaltsam sein muss', meint Prof.Dr. Erhard Schütz im Vorwort zu diesem Buch. Wie unterhaltsam die Beschäftigung mit Sachbüchern sein kann, beweist nun die erste Sachbuchgeschichte der deutschen Literatur. Erhard Schütz weiter im Vorwort: 'Michael Schikowsli [.] hat ein besseres Mittel, frü das Sachbuch im Reich der Bücher zu werden: die Geschichte des Sachbuchs, genauer der Sachbücher. Denn 'das' Sachbuch gibt es gar nicht. Dies zeigt er uns unter der Hand. Es gibt nur Sachbücher - und davon jegliche Menge. Indes weiß der Kenner, sie zu unterscheiden und in Gruppen zu fassen. Und indem er das tut, erweitert er unseren Horizont erheblich. Er zeigt uns eine Vielfalt, aber auch ihre Zusammenhänge, Moden und Konjunkturen. Entstanden ist dadurch nicht nur ein Sachbuch zur Geschichte der Sachbücher, sondern auch eine kleine, aber potente Kultur- und Mentalitätsgeschichte.'Neu: Das Vorwort von Prof. Dr. Erhard Schütz (Berlin). Ein Register erschließt die Zusammenhänge.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2011Maximen für das Liebesleben
Ob ein Buch als Sachbuch zu gelten habe oder nicht, ist eine Frage, die wohl am ehesten Verlagsleute und Buchhändler interessiert. Hin und wieder auch Redakteure, die sich darüber uneins sind, wer denn einem offenbar zwischen den Reichen von Literatur und Sachbuch schwebenden Titel das kritische Schicksal bereiten darf. Was aber unter Umgehung heikler Wesensfragen geklärt wird. Die schlichte Bestimmung bleibt in Kraft, nach der Sachbücher jene Bücher sind, die übrig bleiben, wenn man die unter Literatur rubrizierten Titel abzieht. So wie die im Englischen für sie gebräuchliche Bezeichnung non-fiction sich als Komplement der fiction gibt, welcher unter historisch-genealogischen Gesichtspunkten der Vortritt einzuräumen ist.
Wem solche pragmatische Begriffsbestimmung angesichts offenkundiger Schwierigkeiten, das literarische Gebiet einzugrenzen, etwas gar zu bescheiden scheint, der könnte sich als Warnung vor höher zielenden Definitionsansprüchen etwa diesen Versuch vor Augen halten: "Das Sachbuch ist ein Buch, das die Gegenwart in Worte zu fassen sucht. Wozu? Um uns auf die Zukunft vorzubereiten." Er findet sich in der Einleitung zu einer "Kleinen Geschichte des Sachbuchs" zwischen 1870 und 1918, die aus Beiträgen des Autors zum Branchenblatt "Buchhändler heute" hervorgegangen ist (Michael Schikowski: "Immer schön sachlich". Kleine Geschichte des Sachbuchs 1870 - 1918. Bramann Verlag, Frankfurt am Main 2010. 111 S., br., 16,- [Euro]).
So allgemein geht es aber in den knapp gehaltenen Skizzen von erfolgreichen Büchern, die sich in diesen Jahrzehnten neben den literarischen Titeln ein eigenes, gesellschaftlich wie verlegerisch bedeutsames Terrain eroberten, aber dann nicht zu. Tiefschürfend auch nicht unbedingt, doch kann man die versammelten Kolumnen als gute Erinnerung an manche fast vergessenen Autoren und Titel nehmen, nicht zuletzt im Fach der Wissenschaftspopularisierung.
Der Vergleich mit heutigen Tendenzen ist reizvoll. Und man läse eigentlich auch gerne wieder so unumwundene Adressen an den Leser, wie sie populärwissenschaftliche Bestsellerautoren damals zustande brachten. Wilhelm Bölsche etwa in "Das Liebesleben in der Natur" von 1901, das sich naturgemäß an "reife Menschen" wandte: Reif aber sei, wer "eingesehen hat, dass dieses ganze flüchtige Menschenleben mit all seiner Hatz durch die paar Jahre und all seinen Enttäuschungen ein unendlicher Blödsinn ist, wenn wir ihm nicht einen höheren Sinn durch die Erkenntnis geben". Wobei der heroische, schopenhauerianisierende Ton des Verweises auf das "kleine Lichtstümpfchen ,Denken' . . . in all dem Finstergraus" durch den Umstand gewinnt, dass das abgehandelte "Liebesleben" ja auch nichts anderes ist als eben eine solche auf Dauer gestellte Hatz.
Die rhetorische Figur, die Bölsche hier zum Lob des Erkennens einsetzte, ist altehrwürdig und mittlerweile ziemlich außer Gebrauch gekommen. Was den Sinn anlangt, der auch und gerade dem Liebesleben standhält, sind dafür auf dem heutigen Buchmarkt eher die Ratgeber zuständig. Wie sich dieser Ableger der Sachbücher herausbildete, wüsste man bei Gelegenheit eigentlich auch ganz gerne.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ob ein Buch als Sachbuch zu gelten habe oder nicht, ist eine Frage, die wohl am ehesten Verlagsleute und Buchhändler interessiert. Hin und wieder auch Redakteure, die sich darüber uneins sind, wer denn einem offenbar zwischen den Reichen von Literatur und Sachbuch schwebenden Titel das kritische Schicksal bereiten darf. Was aber unter Umgehung heikler Wesensfragen geklärt wird. Die schlichte Bestimmung bleibt in Kraft, nach der Sachbücher jene Bücher sind, die übrig bleiben, wenn man die unter Literatur rubrizierten Titel abzieht. So wie die im Englischen für sie gebräuchliche Bezeichnung non-fiction sich als Komplement der fiction gibt, welcher unter historisch-genealogischen Gesichtspunkten der Vortritt einzuräumen ist.
Wem solche pragmatische Begriffsbestimmung angesichts offenkundiger Schwierigkeiten, das literarische Gebiet einzugrenzen, etwas gar zu bescheiden scheint, der könnte sich als Warnung vor höher zielenden Definitionsansprüchen etwa diesen Versuch vor Augen halten: "Das Sachbuch ist ein Buch, das die Gegenwart in Worte zu fassen sucht. Wozu? Um uns auf die Zukunft vorzubereiten." Er findet sich in der Einleitung zu einer "Kleinen Geschichte des Sachbuchs" zwischen 1870 und 1918, die aus Beiträgen des Autors zum Branchenblatt "Buchhändler heute" hervorgegangen ist (Michael Schikowski: "Immer schön sachlich". Kleine Geschichte des Sachbuchs 1870 - 1918. Bramann Verlag, Frankfurt am Main 2010. 111 S., br., 16,- [Euro]).
So allgemein geht es aber in den knapp gehaltenen Skizzen von erfolgreichen Büchern, die sich in diesen Jahrzehnten neben den literarischen Titeln ein eigenes, gesellschaftlich wie verlegerisch bedeutsames Terrain eroberten, aber dann nicht zu. Tiefschürfend auch nicht unbedingt, doch kann man die versammelten Kolumnen als gute Erinnerung an manche fast vergessenen Autoren und Titel nehmen, nicht zuletzt im Fach der Wissenschaftspopularisierung.
Der Vergleich mit heutigen Tendenzen ist reizvoll. Und man läse eigentlich auch gerne wieder so unumwundene Adressen an den Leser, wie sie populärwissenschaftliche Bestsellerautoren damals zustande brachten. Wilhelm Bölsche etwa in "Das Liebesleben in der Natur" von 1901, das sich naturgemäß an "reife Menschen" wandte: Reif aber sei, wer "eingesehen hat, dass dieses ganze flüchtige Menschenleben mit all seiner Hatz durch die paar Jahre und all seinen Enttäuschungen ein unendlicher Blödsinn ist, wenn wir ihm nicht einen höheren Sinn durch die Erkenntnis geben". Wobei der heroische, schopenhauerianisierende Ton des Verweises auf das "kleine Lichtstümpfchen ,Denken' . . . in all dem Finstergraus" durch den Umstand gewinnt, dass das abgehandelte "Liebesleben" ja auch nichts anderes ist als eben eine solche auf Dauer gestellte Hatz.
Die rhetorische Figur, die Bölsche hier zum Lob des Erkennens einsetzte, ist altehrwürdig und mittlerweile ziemlich außer Gebrauch gekommen. Was den Sinn anlangt, der auch und gerade dem Liebesleben standhält, sind dafür auf dem heutigen Buchmarkt eher die Ratgeber zuständig. Wie sich dieser Ableger der Sachbücher herausbildete, wüsste man bei Gelegenheit eigentlich auch ganz gerne.
HELMUT MAYER
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