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Einige waren gütige und fromme Männer, Friedensstifter, geniale Staatenlenker, Beschützer der Armen, Förderer der Wissenschaft, Dichter und Denker. Aber auf dem Heiligen Stuhl saßen auch Mordbuben und Sadisten, Pornografieliebhaber und Intriganten, Blödsinnige, Paranoiker und bösartige Greise. Stephan VI. etwa ließ 897 seinen Vorgänger Formosus neun Monate nach dessen Tod exhumieren und in päpstlichen Gewändern in eine Synode setzen. Der Tote wurde verdammt, dem verwesenden Leichnam wurden die Kleider heruntergerissen, die Schwurfinger und der Kopf abgehackt und die Überreste in den Tiber…mehr

Produktbeschreibung
Einige waren gütige und fromme Männer, Friedensstifter, geniale Staatenlenker, Beschützer der Armen, Förderer der Wissenschaft, Dichter und Denker. Aber auf dem Heiligen Stuhl saßen auch Mordbuben und Sadisten, Pornografieliebhaber und Intriganten, Blödsinnige, Paranoiker und bösartige Greise. Stephan VI. etwa ließ 897 seinen Vorgänger Formosus neun Monate nach dessen Tod exhumieren und in päpstlichen Gewändern in eine Synode setzen. Der Tote wurde verdammt, dem verwesenden Leichnam wurden die Kleider heruntergerissen, die Schwurfinger und der Kopf abgehackt und die Überreste in den Tiber geworfen. Oder die Renaissancepäpste: Manche »Stellvertreter Gottes« in dieser Epoche konnten auf eine beträchtliche leibliche Nachkommenschaft blicken, die sippenbewusst neben der übrigen weitläufigeren Verwandtschaft mit Herzogs- oder Kardinalswürden versorgt wurde. Albert Christian Sellner erzählt denkwürdige, erbauliche und lehrreiche Begebenheiten aus dem Leben und Treiben der römischen Bischöfe, gestützt auf mittelalterliche Chronisten, freundlich wie feindlich gesonnene Legenden und parteiliche Pamphlete, aber auch auf die großen Geschichtsschreiber und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse. Eine faszinierende Lektüre für jeden Tag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2006

Frische Mythen aus dem Vatikan
Täglich öffnet sich ein Türchen im „Immerwährenden Päpstekalender”
Adventskalender sind jetzt jahreszeitlich angesagt. Aber sie haben einen großen Nachteil: Am 24. Dezember landen sie unwiderruflich im Papierkorb. Und die meist lieblos gedruckten Abreißblöcke haben nur mehr oder weniger tiefschürfende Sinnsprüche des Typs „Der frühe Vogel fängt den Wurm” und weitere für Morgenmuffel unerträgliche Binsenweisheiten zu bieten. Gegen diese Vergänglichkeit alles Vorweihnachtlichen und gegen die Tristesse selbstgerechter Erfolgsrezepte verspricht der vorliegende Almanach Abhilfe. Hier kann man für jeden Tag ein Kapiteltürchen aufmachen, nach dem Motto: ein Papstleben vor dem Frühstück – und der Tag ist dein Freund! Oder anders ausgedrückt: mit den Päpsten durchs Jahr, vom ersten Januar bis Sylvester!
Erste elementare Rückfrage: Geht dieses Schema eigentlich auf – oder der Stoff aus, bevor das Jahr zu Ende ist? Wer den Nerv und die Hartnäckigkeit hat, in San Paolo fuori le mura in Rom die über den Säulen angebrachten Porträt-Medaillons von Petrus bis Benedikt XVI. nachzuzählen, der kommt auf 266 Päpste. Mit anderen Worten: Es reicht nicht für ein Jahr, der Autor Albert Christian Sellner muss seine Viten strecken. Das tut er durch die Freiheit der Zuordnung. Paul VI., der Papst, der die Pille verbat, erscheint so an seinem Geburtstag, dem 21. Juni, als großer Büßer, der sein Fleisch mit einem spitzen Stahlgürtel unter den Pontifikalgewändern abtötete, und nochmals, gewissermaßen als tiarageschmückter Wiedergänger, am 23. August. An diesem Tag des Jahres 1968 nämlich erläuterte er den Armen Südamerikas das Glück, zur Unterschicht zu gehören, nach der Devise: Wer hienieden darbt und leidet, ist Christus nah.
Giftmord! Gruppensex!
Allerdings wird bei der Zuteilung der passenden Erinnerungstage Witzpotential verschenkt; so hätte der 6. Mai, der Tag, an dem 1527 die Plünderung Roms begann, viel besser zu Clemens VII. gepasst, der die Katastrophe durch seine stümperhaft unstete Diplomatie heraufbeschwor, als zu Johannes Paul II., der an diesem Tag „nur” geboren wurde, was ja keine große Kunst ist. Auch Alexanders VI. am 18. August, seinem Todestag, zu gedenken, ist nicht sonderlich originell – warum nicht an den Tagen, an denen er andere sterben ließ? Ganz abgesehen davon, dass der 18. August eigentlich der 28. ist – ließ Gregor XIII. zwecks Kalenderreform doch das Jahr 1582 um die Zeitspanne zwischen dem 5. bis 14. Oktober 1582 kürzen. Seiner an einem dieser verschwundenen Tage zu gedenken, wäre eine gelungene Pointe gewesen.
In opulent changierenden Kardinalspurpur gebunden, kommt das Buch wie ein hinkender Bote zur Papstgeschichte, ja wie ein Schatzkästlein des römischen Hausfreundes daher. Es parodiert ein uraltes volkstümliches Genre, so wie Anhänger der Französischen Revolution Vaterunser-Gebete der aufmüpfigen, nämlich fürsten- und adelsfeindlichen Art verfassten. Will der immerwährende Papstkalender auch unterwandern, will er die Papstgeschichte gegen den Strich bürsten, gegen die Institution und ihren Anspruch, über der Geschichte zu stehen und in zentralen Glaubensdingen unfehlbar zu sein? Bei näherem Hinsehen nehmen sich die Texte dieses Breviers doch sehr zahm aus. Statt Systemkritik ist der moralische Zeigefinger emsig am Werke, würdige Päpste folgen auf ganz wüste Pontifikate – wobei letztere dem ganzen natürlich erst die rechte Würze verleihen.
Bemerkenswert daran ist, dass diese Bewertungskategorien – zusammen mit dem Stoff als Ganzem – überwiegend aus älteren Handbüchern der Papstgeschichte geschöpft wurden, wo beispielsweise Nepotismus als persönliches Laster verstanden und nicht, wie von der neueren Forschung, aus den Normen und Herrschaftsformen des Kirchenstaates abgeleitet wird. Gegen diese, gegen eine nüchtern wissenschaftliche Betrachtungsweise ist das Buch insgesamt weitgehend resistent. Nicht nur, dass der reichlich vorliegende Ertrag zu Karrieremustern, Netzwerken, Staatsbildungsmodellen und Wertekonkurrenzen der Kurie ignoriert wird, selbst elementare Quellenkritik bleibt aus. Stattdessen werden die alten Legenden fortgeschrieben: Alexander VI., der vom Gift nimmt, das er anderen verabreichen möchte, und Gruppensexorgien im Vatikan veranstaltet. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Borgias sind vor kaum einer Gewalttat zurückgeschreckt; so dumm aber, sich auf diese Weise zu schaden beziehungsweise zu exponieren, waren sie gerade nicht.
So bietet der Papstkalender überwiegend Mythen, frisch aufbereitet – und zeigt auf diese Weise vor allem, wie sehr man diese Geschichten des Musters „Tolldreist trieben es die alten Pontifices” bis heute liebt und braucht. Als Zeugnis für das Fortleben frühneuzeitlicher Mentalitäten darf er somit hohen Quellenwert für sich in Anspruch nehmen. Überdies muss man nicht alles so eng sehen, es muss ja nicht immer graue Wissenschaft sein. Witzig und flott geschrieben sind die ausgewählten Sketche aus dem bunten Leben im Vatikan allemal. Ein Papst am Morgen vertreibt alle Sorgen – wer hätte das gedacht?
VOLKER REINHARDT
ALBERT CHRISTIAN SELLNER: Immerwährender Päpstekalender. Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006. 424 Seiten, 30 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In Kardinalspurpur gebunden kommt der neue Band der Anderen Bibliothek, der "Immerwährende Päpstekalender" daher, freut sich Volker Reinhart, quasi als "Schatzkästlein des römischen Hausfreunds". Die Rechnung - jeden Tag ein Papst - geht allerdings nicht ganz auf (bisher gab es erst 266 Pontifexe), einige werden also doppelt aufgeführt. Das geht für den Rezensenten im Grunde in Ordnung, nur leider sieht er bei der Datumszuordnung "Witzpotenzial verschenkt". Statt Alexander VI. an seinem eigenen Todestag aufzuführen, hätte er genauso gut an einem der Tage genannt werden können, an denen er morden ließ. Nicht ganz zufrieden ist der Rezensent auch mit der Stoßrichtung des Bandes, der sich zwar herzhaft in das wüste Treiben der Päpste stürzt, dieses aber kaum gegen den Strich bürstet oder historisch einordnet. Zweifel kommen ihm auch bei der Darstellung der Borgias auf, die zwar grausam, aber beileibe nicht blöd gewesen sind. Alles in allem jedoch weiß der Rezensent diese Neuauflage des beliebten Genres des Immerwährenden Kalenders durchaus zu schätzen und lobt sie als "witzig und flott geschrieben".

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