"Mehr als nur ein gewitzter Polit-Thriller." -- Süddeutsche Zeitung
"Das liest sich spannend von der ersten bis zur letzten Seite." -- Brigitte
"Liest sich streckenweise wie ein John-Grisham-Gerichtsthriller." -- Weltwoche
MACHT WILL EIN IMPERIUM
„Pompeji“ war ein internationaler Triumph. Robert Harris versteht es wie kein Zweiter, die Antike mit Leben zu füllen und die Gegenwart in einem Roman zu beschreiben, der vor zweitausend Jahren spielt. Im Mittelpunkt von „Imperium“ steht ein gerissener, mit allen Wassern gewaschener Anwalt und geborener Machtpolitiker: Marcus Tullius Cicero.
Ein unbekannter junger Anwalt – hochintelligent, sensibel und enorm ehrgeizig – betritt das Zentrum der Macht. Er hat nur ein Ziel: Er will nach ganz oben. Der Fall eines Kunstsammlers, der vor der Willkür eines skrupellosen und gierigen Gouverneurs fliehen muss, kommt ihm da gerade recht. Der Gouverneur hat einflussreiche und gefährliche Freunde im Senat, und sollte der Anwalt den Fall gewinnen, würde er die gesamte alte Machtclique zerschlagen. An die Niederlage wagt er nicht zu denken, sie könnte ihn das Leben kosten. Eine einzige Rede kann über sein Schicksal und die Zukunft einer Weltmacht entscheiden, doch seine gefährlichste Waffe ist das Wort.
Die Weltmacht am Scheideweg ist Rom. Der Name des jungen Anwalts ist Marcus Tullius Cicero, Außenseiter, Philosoph, brillanter Redner und der erste Politiker modernen Stils.
Ein topaktueller Roman im historischen Gewand.
"Das liest sich spannend von der ersten bis zur letzten Seite." -- Brigitte
"Liest sich streckenweise wie ein John-Grisham-Gerichtsthriller." -- Weltwoche
MACHT WILL EIN IMPERIUM
„Pompeji“ war ein internationaler Triumph. Robert Harris versteht es wie kein Zweiter, die Antike mit Leben zu füllen und die Gegenwart in einem Roman zu beschreiben, der vor zweitausend Jahren spielt. Im Mittelpunkt von „Imperium“ steht ein gerissener, mit allen Wassern gewaschener Anwalt und geborener Machtpolitiker: Marcus Tullius Cicero.
Ein unbekannter junger Anwalt – hochintelligent, sensibel und enorm ehrgeizig – betritt das Zentrum der Macht. Er hat nur ein Ziel: Er will nach ganz oben. Der Fall eines Kunstsammlers, der vor der Willkür eines skrupellosen und gierigen Gouverneurs fliehen muss, kommt ihm da gerade recht. Der Gouverneur hat einflussreiche und gefährliche Freunde im Senat, und sollte der Anwalt den Fall gewinnen, würde er die gesamte alte Machtclique zerschlagen. An die Niederlage wagt er nicht zu denken, sie könnte ihn das Leben kosten. Eine einzige Rede kann über sein Schicksal und die Zukunft einer Weltmacht entscheiden, doch seine gefährlichste Waffe ist das Wort.
Die Weltmacht am Scheideweg ist Rom. Der Name des jungen Anwalts ist Marcus Tullius Cicero, Außenseiter, Philosoph, brillanter Redner und der erste Politiker modernen Stils.
Ein topaktueller Roman im historischen Gewand.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2006Cicero hatte einen langen Löffel
Auf dem Forum siegt die Rampensau: Robert Harris’ gut geschriebener, gewitzter Rom-Politthriller „Imperium”
Manche Wahrheiten sind für unser Selbstverständnis so unerträglich, dass die Gesellschaft beschlossen hat, trotz deren Offensichtlichkeit stets das Gegenteil zu behaupten. Wenn man in einer Demokratie einen Politiker fragt, ob ihn Macht fasziniere, dann wird er ausnahmslos wie einstudiert antworten: Nein, Macht interessiere ihn nicht, es gehe ihm vielmehr darum, etwas zu gestalten, eine Vision umzusetzen, die Welt zu verändern oder dem Land zu dienen.
Macht ist das große Tabu des politischen Diskurses. In Demokratien darf man es auf keinen Fall in den Mund nehmen, aber auch Monarchien reden, trotz demonstrativer Machtentfaltung, nur ungern darüber – es fällt nur nicht so auf, weil es sich nicht schickt, den Monarchen mit einer solchen Frage zu behelligen. Wenn einer sich des Themas Macht mit kühlem Blick annimmt, dann wird er – wie der Bote der schlechten Nachricht – für seine Einsichten abgestraft, als skrupelloser Zyniker ohne Moral. Mit welcher heuchlerischen Inbrunst hat man Machiavelli seine Macht-Anatomie büßen lassen! Friedrich der Große entblödete sich nicht, einen „Anti-Machiavell” zu schreiben und sich ansonsten als ersten Diener seines Staates zu verkaufen.
Im innersten Kraftzentrum der Politik geht es um Macht. Trotzdem wäre es auch zu einfach, Politik nur als Machtpolitik ohne Inhalte zu definieren. Sehr oft verbindet sich das Machtstreben mit einer politischen Idee, die über die Frage des persönlichen Einflusses weit hinausgeht. Als psychologischer Pessimist müsste man dann noch hinzufügen: Selten ist die Politik brutaler und erbarmungsloser, als wenn ihre Protagonisten sich als in höherer Mission begreifen.
In seinem neuen Roman „Imperium” erzählt Robert Harris die politische Karriere von Marcus Tullius Cicero nach. Eine entscheidene Szene zeigt Cicero als Spin-Doctor der Macht-Clique um den erfolgreichen Feldherrn Pompeius. Es geht um die Frage, ob die Republik es hinnehmen würde, wenn Pompeius angesichts der grassierenden Piraten-Plage im Mittelmeer einen umfassenden Oberbefehl anstrebte. Cicero schlägt vor, dass Gabinius dem Pompeius dieses Amt öffentlich antragen solle. Pompeius solle dann seinerseits ablehnen und erklären, er habe schon genug getan für Rom, seine Ambitionen seien verbraucht, er sehne sich nach Ruhe und Kontemplation und ziehe es vor, fortan auf seinem Landsitz der Muße zu leben. „Du wirst”, fährt Cicero dann zu Pompeius gewandt fort, „du wirst unser Cincinnatus sein, den man von seinem Pflug losreißt, um das Land vor der Katastrophe zu bewahren. Das ist einer der wirksamsten Mythen in der Politik überhaupt, glaube mir.”
Keine Chance der Aktenmaus
„Imperium” ist ein spannend erzählter, sehr kluger, nämlich mehr als nur gewitzter Polit-Thriller, der mit feinem Gespür und kaltem Blick das Räderwerk der Macht durchleuchtet. Wobei Harris es sich nicht so einfach macht, Politik einzig und allein als kleptokratisches Hauen und Stechen zu beschreiben. Eitelkeit und rechtliche Institutionen, Machtstreben und Sachnotwendigkeiten, Ideen und Geld, Psychologie und Theater, Seilschaften und checks and balances gehen ein vielfach verschlungenes Mobile ein. Jede dogmatische Definition der Form „Politik ist nichts anderes als . . .” vermeidet Harris – und kann aus dieser Komplexität beste Spannung gewinnen. Da hinein passt die Ambivalenz der Figur Ciceros bestens. Harris zeichnet ihn als ersten modernen Medienpolitiker. Andererseits aber ist es derselbe Cicero, der, wenn er über das Erfolgsgeheimnis seiner Rednergabe räsonniert, erklärt, jeder Redner brauche immer ein Argument, an das er wirklich glaubt, sonst könne sich seine Überzeugungskraft nicht entfalten und er erleide Schiffbruch.
Cicero ist ein homo novus. Er ist ein klassischer Aufsteiger, dessen Ehrgeiz vom Establishment solange belächelt wird, bis man ihn braucht oder gar fürchtet. Zur Fähigkeit eines homo novus muss gehören, sich von dieser Herablassung nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. Cicero hat nichts hinter sich – nicht den Namen einer alten Familie, keine Seilschaft und kein Vermögen. Was er jedoch hat, ist Intelligenz, Beweglichkeit und ein überragendes Rednertalent. In Demokratien ist Redebegabung Gold wert. Allein mit diesen Waffen macht sich Cicero auf den Weg zum höchsten politischen Amt. Am Ende des ersten Bandes, den „Imperium” darstellt, hat er, im Alter von nur 42 Jahren, das Konsulat errungen.
Cicero ist aber auch der Philosophen-Politiker, der in Griechenland studiert und Aristoteles’ „Nikomachische Ethik” auf dem Nachttisch liegen hat. Und der, bei aller Undurchsichtigkeit, an die Würde der Institutionen der römischen Republik glaubt. Der aber auch Realpolitiker ist, kein Prinzipienreiter wie Cato. Cicero glaubte wohl, einen besonders langen Löffel zu haben, um sich mit dem Teufel an einen Tisch setzen zu können. So gewitzt und allesdurchschauend, wie er sich selbst sah, war er vermutlich nicht immer – seine größten Niederlagen erklären sich daraus.
Harris erzählt Ciceros Geschichte aus der Perspektive seines Sklaven und Privatsekretärs Tiro, der als Erfinder einer Kurzschrift alle Geheimsitzungen und Reden seines Herrn protokolliert und klug kommentiert. Dabei gelingt es Harris, sehr viel O-Ton Cicero geschickt einzubauen.
Die vielen Facetten oder besser: Inkarnationen der Macht fängt Harris hervorragend ein. Moral ist eine davon. Selten wird Cicero in seinen rednerischen Mitteln hemmungsloser und überschwänglicher, als wenn er mal wieder die Moral als Macht- und Erpressungsmittel einsetzt. Dann heißt es immer gleich: „Auf uns schauen heute die Augen der Welt und wachen darüber, ob jeder Einzelne von uns sich so verhält, wie sein Gewissen und das Gesetz es befehlen.”
Aber auch für die politische Theatralik hat Harris einen guten Blick. In Rom ist die politischen Bühne ja noch sehr buchstäblich zu verstehen. Um auf dem Forum zu bestehen, braucht man Rampensau-Qualitäten. Denn Forum, das meint: Immer auch entscheidet die Menge mit ihren Stimmungen und Amusementbedürfnissen über das Schicksal der Ehrgeizlinge. Wenn Cicero auf dem Forum mit Caecilius um die Anklägerrolle im Verres-Prozess wettstreitet, dann kennt er genau Caecilius’ Schwachstelle: Dieser ist eine Aktenmaus, trocken, umständlich und ohne Feuer. Weshalb Cicero während Caecilius’ einstündiger, mit Statistiken vollgestopfter Rede einfach seinen Oberkörper zur Seite kippen lässt und so tut, als sei er eingeschlafen. Die Lacher, die das hervorruft, besiegeln Caecilius’ Schicksal.
Auf manchen Seiten ist „Imperium” ein regelrechtes Handbuch der Machttechniken, wie es auch ein Baltasar Gracián hätte schreiben können: „Wenn du etwas Unpopuläres zu erledigen hast, dann erledige es gründlich, denn der Eindruck von Halbherzigkeit kommt deinem Ansehen sicher nicht zugute.” Oder: „Nur wenigen Kräften in der Politik kann man schwerer widerstehen als dem Gefühl, dass etwas unvermeidlich ist.” Oder: „Manchmal ist es töricht, ein ehrgeiziges Ziel zu früh zu äußern – es vor der Zeit dem Gelächter und dem Zweifel der Welt auszusetzen, kann es zerstören, noch bevor es richtig geboren ist.” Oder: „Er wusste, dass merkwürdigerweise der sicherste Weg, das Vertrauen eines bedeutenden Mannes zu gewinnen, harscher Widerspruch ist.”
Von Theodor Mommsen ist das vernichtende Urteil bekannt, Cicero sei ein Staatsmann ohne „Einsicht, Ansicht und Absicht”. Mommsen, der Cicero für einen fügsamen Opportunisten hielt, dessen „Advokatentalent für alles Gründe oder doch Worte zu finden” wusste, verhöhnt noch Ciceros „Schmollbriefe”, die den Untergang der Republik beklagen. Aber mit seinem Hohn hat es sich Mommsen zu einfach gemacht. Es war wohl seiner unendlichen Cäsar-Liebe und der daran Maßstab nehmenden Vorstellung von Größe geschuldet, dass er Cicero mit solchem Selbstgenuss schmähte. Richtig ist: Die überragende Ordnungsidee, der Kulturgründungsakt Europas aus den gallischen Provinzen, die alle Skrupellosigkeiten Cäsars aufwiegen – eine solche Leistung hat Cicero nicht im entferntesten vorzuweisen. In seiner klugen und brillanten Mittelmäßigkeit aber ist er eine Figur, die wohl wert ist, auf uns gekommen zu sein.IJOMA MANGOLD
ROBERT HARRIS: Imperium. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Heyne Verlag, München 2006. 479 Seiten, 19,95 Euro.
Der für alles Worte und Gründe fand: Szene aus „Mein Vater, der Kaiser” mit Gottfried John als Cicero. Foto: Cinetext
Robert Harris M. Hansen/action press
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Auf dem Forum siegt die Rampensau: Robert Harris’ gut geschriebener, gewitzter Rom-Politthriller „Imperium”
Manche Wahrheiten sind für unser Selbstverständnis so unerträglich, dass die Gesellschaft beschlossen hat, trotz deren Offensichtlichkeit stets das Gegenteil zu behaupten. Wenn man in einer Demokratie einen Politiker fragt, ob ihn Macht fasziniere, dann wird er ausnahmslos wie einstudiert antworten: Nein, Macht interessiere ihn nicht, es gehe ihm vielmehr darum, etwas zu gestalten, eine Vision umzusetzen, die Welt zu verändern oder dem Land zu dienen.
Macht ist das große Tabu des politischen Diskurses. In Demokratien darf man es auf keinen Fall in den Mund nehmen, aber auch Monarchien reden, trotz demonstrativer Machtentfaltung, nur ungern darüber – es fällt nur nicht so auf, weil es sich nicht schickt, den Monarchen mit einer solchen Frage zu behelligen. Wenn einer sich des Themas Macht mit kühlem Blick annimmt, dann wird er – wie der Bote der schlechten Nachricht – für seine Einsichten abgestraft, als skrupelloser Zyniker ohne Moral. Mit welcher heuchlerischen Inbrunst hat man Machiavelli seine Macht-Anatomie büßen lassen! Friedrich der Große entblödete sich nicht, einen „Anti-Machiavell” zu schreiben und sich ansonsten als ersten Diener seines Staates zu verkaufen.
Im innersten Kraftzentrum der Politik geht es um Macht. Trotzdem wäre es auch zu einfach, Politik nur als Machtpolitik ohne Inhalte zu definieren. Sehr oft verbindet sich das Machtstreben mit einer politischen Idee, die über die Frage des persönlichen Einflusses weit hinausgeht. Als psychologischer Pessimist müsste man dann noch hinzufügen: Selten ist die Politik brutaler und erbarmungsloser, als wenn ihre Protagonisten sich als in höherer Mission begreifen.
In seinem neuen Roman „Imperium” erzählt Robert Harris die politische Karriere von Marcus Tullius Cicero nach. Eine entscheidene Szene zeigt Cicero als Spin-Doctor der Macht-Clique um den erfolgreichen Feldherrn Pompeius. Es geht um die Frage, ob die Republik es hinnehmen würde, wenn Pompeius angesichts der grassierenden Piraten-Plage im Mittelmeer einen umfassenden Oberbefehl anstrebte. Cicero schlägt vor, dass Gabinius dem Pompeius dieses Amt öffentlich antragen solle. Pompeius solle dann seinerseits ablehnen und erklären, er habe schon genug getan für Rom, seine Ambitionen seien verbraucht, er sehne sich nach Ruhe und Kontemplation und ziehe es vor, fortan auf seinem Landsitz der Muße zu leben. „Du wirst”, fährt Cicero dann zu Pompeius gewandt fort, „du wirst unser Cincinnatus sein, den man von seinem Pflug losreißt, um das Land vor der Katastrophe zu bewahren. Das ist einer der wirksamsten Mythen in der Politik überhaupt, glaube mir.”
Keine Chance der Aktenmaus
„Imperium” ist ein spannend erzählter, sehr kluger, nämlich mehr als nur gewitzter Polit-Thriller, der mit feinem Gespür und kaltem Blick das Räderwerk der Macht durchleuchtet. Wobei Harris es sich nicht so einfach macht, Politik einzig und allein als kleptokratisches Hauen und Stechen zu beschreiben. Eitelkeit und rechtliche Institutionen, Machtstreben und Sachnotwendigkeiten, Ideen und Geld, Psychologie und Theater, Seilschaften und checks and balances gehen ein vielfach verschlungenes Mobile ein. Jede dogmatische Definition der Form „Politik ist nichts anderes als . . .” vermeidet Harris – und kann aus dieser Komplexität beste Spannung gewinnen. Da hinein passt die Ambivalenz der Figur Ciceros bestens. Harris zeichnet ihn als ersten modernen Medienpolitiker. Andererseits aber ist es derselbe Cicero, der, wenn er über das Erfolgsgeheimnis seiner Rednergabe räsonniert, erklärt, jeder Redner brauche immer ein Argument, an das er wirklich glaubt, sonst könne sich seine Überzeugungskraft nicht entfalten und er erleide Schiffbruch.
Cicero ist ein homo novus. Er ist ein klassischer Aufsteiger, dessen Ehrgeiz vom Establishment solange belächelt wird, bis man ihn braucht oder gar fürchtet. Zur Fähigkeit eines homo novus muss gehören, sich von dieser Herablassung nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. Cicero hat nichts hinter sich – nicht den Namen einer alten Familie, keine Seilschaft und kein Vermögen. Was er jedoch hat, ist Intelligenz, Beweglichkeit und ein überragendes Rednertalent. In Demokratien ist Redebegabung Gold wert. Allein mit diesen Waffen macht sich Cicero auf den Weg zum höchsten politischen Amt. Am Ende des ersten Bandes, den „Imperium” darstellt, hat er, im Alter von nur 42 Jahren, das Konsulat errungen.
Cicero ist aber auch der Philosophen-Politiker, der in Griechenland studiert und Aristoteles’ „Nikomachische Ethik” auf dem Nachttisch liegen hat. Und der, bei aller Undurchsichtigkeit, an die Würde der Institutionen der römischen Republik glaubt. Der aber auch Realpolitiker ist, kein Prinzipienreiter wie Cato. Cicero glaubte wohl, einen besonders langen Löffel zu haben, um sich mit dem Teufel an einen Tisch setzen zu können. So gewitzt und allesdurchschauend, wie er sich selbst sah, war er vermutlich nicht immer – seine größten Niederlagen erklären sich daraus.
Harris erzählt Ciceros Geschichte aus der Perspektive seines Sklaven und Privatsekretärs Tiro, der als Erfinder einer Kurzschrift alle Geheimsitzungen und Reden seines Herrn protokolliert und klug kommentiert. Dabei gelingt es Harris, sehr viel O-Ton Cicero geschickt einzubauen.
Die vielen Facetten oder besser: Inkarnationen der Macht fängt Harris hervorragend ein. Moral ist eine davon. Selten wird Cicero in seinen rednerischen Mitteln hemmungsloser und überschwänglicher, als wenn er mal wieder die Moral als Macht- und Erpressungsmittel einsetzt. Dann heißt es immer gleich: „Auf uns schauen heute die Augen der Welt und wachen darüber, ob jeder Einzelne von uns sich so verhält, wie sein Gewissen und das Gesetz es befehlen.”
Aber auch für die politische Theatralik hat Harris einen guten Blick. In Rom ist die politischen Bühne ja noch sehr buchstäblich zu verstehen. Um auf dem Forum zu bestehen, braucht man Rampensau-Qualitäten. Denn Forum, das meint: Immer auch entscheidet die Menge mit ihren Stimmungen und Amusementbedürfnissen über das Schicksal der Ehrgeizlinge. Wenn Cicero auf dem Forum mit Caecilius um die Anklägerrolle im Verres-Prozess wettstreitet, dann kennt er genau Caecilius’ Schwachstelle: Dieser ist eine Aktenmaus, trocken, umständlich und ohne Feuer. Weshalb Cicero während Caecilius’ einstündiger, mit Statistiken vollgestopfter Rede einfach seinen Oberkörper zur Seite kippen lässt und so tut, als sei er eingeschlafen. Die Lacher, die das hervorruft, besiegeln Caecilius’ Schicksal.
Auf manchen Seiten ist „Imperium” ein regelrechtes Handbuch der Machttechniken, wie es auch ein Baltasar Gracián hätte schreiben können: „Wenn du etwas Unpopuläres zu erledigen hast, dann erledige es gründlich, denn der Eindruck von Halbherzigkeit kommt deinem Ansehen sicher nicht zugute.” Oder: „Nur wenigen Kräften in der Politik kann man schwerer widerstehen als dem Gefühl, dass etwas unvermeidlich ist.” Oder: „Manchmal ist es töricht, ein ehrgeiziges Ziel zu früh zu äußern – es vor der Zeit dem Gelächter und dem Zweifel der Welt auszusetzen, kann es zerstören, noch bevor es richtig geboren ist.” Oder: „Er wusste, dass merkwürdigerweise der sicherste Weg, das Vertrauen eines bedeutenden Mannes zu gewinnen, harscher Widerspruch ist.”
Von Theodor Mommsen ist das vernichtende Urteil bekannt, Cicero sei ein Staatsmann ohne „Einsicht, Ansicht und Absicht”. Mommsen, der Cicero für einen fügsamen Opportunisten hielt, dessen „Advokatentalent für alles Gründe oder doch Worte zu finden” wusste, verhöhnt noch Ciceros „Schmollbriefe”, die den Untergang der Republik beklagen. Aber mit seinem Hohn hat es sich Mommsen zu einfach gemacht. Es war wohl seiner unendlichen Cäsar-Liebe und der daran Maßstab nehmenden Vorstellung von Größe geschuldet, dass er Cicero mit solchem Selbstgenuss schmähte. Richtig ist: Die überragende Ordnungsidee, der Kulturgründungsakt Europas aus den gallischen Provinzen, die alle Skrupellosigkeiten Cäsars aufwiegen – eine solche Leistung hat Cicero nicht im entferntesten vorzuweisen. In seiner klugen und brillanten Mittelmäßigkeit aber ist er eine Figur, die wohl wert ist, auf uns gekommen zu sein.IJOMA MANGOLD
ROBERT HARRIS: Imperium. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Heyne Verlag, München 2006. 479 Seiten, 19,95 Euro.
Der für alles Worte und Gründe fand: Szene aus „Mein Vater, der Kaiser” mit Gottfried John als Cicero. Foto: Cinetext
Robert Harris M. Hansen/action press
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2006Operation Cicero
Robert Harris' Roman "Imperium" erzählt von antiker Politik und hat die Gegenwart im Blick
Da steht er schon und guckt vorwurfsvoll, ein steinerner Gast in der Ecke des Arbeitszimmers. Marcus Tullius Cicero, eine Büste mitten in England. Der Schriftsteller hat am Dorfbahnhof in der Grafschaft Berkshire gewartet, wir sind auf dem alten Treidelpfad an einem Kanal entlanggegangen, über eine alte Steinbrücke, sehr idyllisch, hinein in das große ehemalige Pfarrhaus, die Putzfrau saugt, im Garten sind die Spuren der Kinder nicht zu übersehen, und Robert Harris' Frau Jill, die Schwester von Nick Hornby, will gerade mit dem Hund raus. "Wer will schon in London wohnen?" sagt Harris, der sich vor 13 Jahren, nach dem Erfolg von "Vaterland", dieses Haus gekauft und London den Rücken gekehrt hat.
Drei Weltbestseller später gefällt es dem 49jährigen hier noch immer. Harris hat sich in "Vaterland" vorgestellt, wie Hitler den Krieg gewann, er hat einen Thriller über eine britische Abhörstelle im Zweiten Weltkrieg geschrieben ("Enigma") und einen Skandal um Stalin ausgeheckt ("Aurora"). Und dann hat er Pompeji noch einmal untergehen lassen. "Ich hätte mich kaputtgelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, ich würde einen Roman über die Antike schreiben", sagt er. Nun sind's schon zwei. Aber warum bloß Cicero? Man zuckt ja noch immer zusammen. Die Reden gegen Verres - die reinste Folter. Und Catilina - wie lange will dieser Cicero denn noch unsere Geduld mißbrauchen? Der Schrecken des Lateinunterrichts als Romanheld in "Imperium"?
Ihn habe geärgert, wie der berühmte Theodor Mommsen "Caesar zum Supermann gemacht und Cicero mit den Worten abgetan hat, er sei ein Journalist der übelsten Sorte. Da wußte ich: Das ist mein Held", sagt Robert Harris und lacht. Aber im Grunde ist Amerika schuld an der verlängerten Zeitreise. Schon "Pompeji" war die Folge eines Scheiterns. Harris hatte sich mit einem Buch über die Vereinigten Staaten gequält, es funktionierte einfach nicht, nicht mal als politische Allegorie. Als er dann, noch vor 9/11, einen Artikel über neue Ausgrabungen in Pompeji las, paßte plötzlich alles zusammen. Ein Weltreich, von einer Naturkatastrophe erschüttert, "da läßt sich einiges sichtbar machen im Paralleluniversum der Alten Welt". Und die Parallelen gehen ihm nicht aus. Für die "Daily Mail" hat er kürzlich etwas geschrieben über die Attacke der Seeräuber auf die konsularische Flotte im Jahr 67 vor Christus. "Das war Roms 9/11", sagt der Kolumnist, der gerne eine Analogie auf die Spitze treibt.
"Imperium" steht derzeit in den Londoner Buchläden direkt neben den Autobiographien von Wayne Rooney und Frank Lampard, was Harris amüsiert, der die Fußballmanie seines Schwagers nicht teilt - "deshalb hat mich meine Frau geheiratet". "Imperium", das ist nicht das Römische Reich, sondern die politische Macht, die auf einen einzelnen übertragen wird. Und es ist die Politik, die das Denken von Robert Harris bewegt, der erst bei der BBC, dann beim "Observer" als Journalist arbeitete. Ciceros Leben, "das ist Politik in Aktion". Und bevor man noch fragen kann, warum sich "Imperium" auf die Jahre 79 bis 64 vor Christus beschränkt, obwohl Cicero erst 21 Jahre später ermordet wurde, spricht Harris schon von einer Trilogie: 1200 Seiten, Ciceros Leben als historischer Roman und als Panoramabild von Roms großer Krise.
Und in dieser römischen Republik des ersten Jahrhunderts vor Christus, da liegt der Stoff wenn nicht für einen politischen Thriller, dann doch für ein großes Drama: Bürgerkrieg, Intrigen, Mord und Macht. Es war die Zeit, als ein Weltreich mit einem politischen System, das auf einen Stadtstaat zugeschnitten war, an seine Grenzen stieß und in eine "Krise ohne Alternative" taumelte, wie das der Althistoriker Christian Meier genannt hat. Und es gab ein enormes Aufgebot an großen Gestalten: Pompeius, Caesar, Crassus, Cato, Catilina, Clodius - und eben Cicero. Der größte Redner, der gerissenste Anwalt, der ehrgeizige Aufsteiger ohne aristokratischen Hintergrund.
Harris bewundert Ciceros bösen Witz und Scharfsinn, seinen Mut und seinen Pragmatismus. "Cicero war immer der Außenseiter, er war immer latent bedroht, er hat sein eigenes Image entworfen und daran geglaubt, und all das macht ihn zu einer guten Romanfigur." Aber wer soll das lesen, trotz des erstaunlichen Erfolgs, den die hundert Millionen Dollar teure amerikanische Fernsehserie "Rom" gehabt hat? Politik von vor 2000 Jahren, kein Sex, kein Crime und keine Apokalypse?
Harris lächelt sorglos. Er hat ja immer die Gegenwart vor Augen. Die große Frage sei doch: "Wie kann man die einzige Supermacht sein und eine funktionierende Demokratie behalten?" Natürlich denkt er an Amerika, an das Zusammenspiel von Regierung, Geheimdiensten und militärisch-industriellem Komplex. Die römische Form der Republik sei doch sehr "sophisticated" gewesen, sagt er, "und man sieht, wie leicht man diese Eigenschaften verlieren kann. Aus der Ferne betrachtet, gibt es da interessante Muster." Und jenseits dessen gibt es die Faszination, auf der Basis von Ruinen und Quellen eine ganze Welt zu rekonstruieren. Es sei doch elektrisierend, sich das vorzustellen, die Tage der Stimmabgabe auf dem Forum, die Reden, die aufgeheizte Menge. Was man davon weiß, ist nur ein verblaßtes, fragmentiertes Fresko, das die historische Fiktion geradezu einlädt, es sich auszumalen.
Und der Alltag im republikanischen Rom? Harris winkt ab. "Wir lesen doch Catulls Liebesgedichte und spüren, daß sich soviel nicht verändert hat. Und wenn man ein Gespür für die Topographie des antiken Roms bekommen will, muß man sich die Gassen von Marrakesch ansehen, den Lärm, den Dreck, die Enge, den Luxus und die Stille hinter unauffälligen Türen." Es ist schon erstaunlich, wie selbstverständlich und geschmacklich sicher Harris diese Fragen behandelt. Mit der Hollywood-Antike aus falschem Marmor, gedrechselten Säulen und spartanisch möblierten Räumen hat das nichts zu tun. Und es gelingt ihm auch, den komplizierten politischen Apparat für Leser anschaulich werden zu lassen, die noch nie von Comitien oder Ädilen gehört haben. Man erfährt fast beiläufig, wie die Ämterlaufbahn aussah und wie die Abstimmungen funktionierten, welche Rolle Senat und Volksversammlung spielten, wie man sich einen Gerichtsprozeß vorstellen muß, wie Wählerstimmen gekauft, mit welchen Tricks Gesetze auf den Weg gebracht wurden. Es ist ein großes Politik-Theater, und deshalb ist es plausibel, daß Cicero nicht nur Rhetorikunterricht nahm, sondern auch im Theater die Schauspieler studierte. Harris hat das jedoch nicht auf diese dämliche Weise modernisiert, welche der Antike einfach Begriffe wie Revolution, Partei oder soziale Frage überstülpt. Da verzeiht man ihm auch, wenn er Cicero mal sagen läßt: "Schlafen können wir, wenn wir tot sind."
Die ideale Perspektive auf das alte Rom hat er allerdings erst spät gefunden. Da gab es schon mehr als sechshundert Manuskriptseiten und noch immer keine Erzählerstimme. Der onkelhafte Alleswisser-Ton kam nicht in Frage, und Cicero hat ja in seinen zahlreichen Schriften schon genug von sich gesprochen. Ein Nebendarsteller war die Rettung, Tiro, Ciceros rechte Hand, der Haussklave, der die erste Kurzschrift entwickelte und Ciceros Reden mitstenographierte. Dieser Tiro hat sogar eine nicht erhaltene Cicero-Biographie geschrieben, und insofern ist Harris' Lösung auch historisch zwingend. Tiro ist selber keine zentrale Figur, aber immer im Zentrum dabei, er kann sich Ironie leisten und nüchtern von Demütigungen berichten, wenn der Stratege Cicero sich ausgekontert sieht oder seine Prinzipien einer neuen Taktik unterordnet. Und ganz lakonisch heißt es gegen Ende: "Von jetzt an trug er permanent das zur Schau, was ich später sein ,Konsulgesicht' nannte." Obwohl Tiro manchmal zur Weitschweifigkeit neigt, ist "Imperium" ein Buch, das man verschlingt. Sogar der Prozeß gegen den korrupten Statthalter Verres, den Cicero mit sicherem Instinkt als Karrieresprungbrett nutzt, ist auf einmal spannend; man sieht, wie Cicero widerwillig in den Machtradius des Pompeius gerät, wie er sich in aller Schläue doch immer wieder in seinem Machtkalkül verrechnet, und man freut sich schon darauf, wie er sich im nächsten Buch als Konsul den Verschwörer Catilina vornehmen wird, in seiner großen Selbstinszenierung als letzter Wahrer republikanischer Werte.
Ja, so spannend kann Politik sein. Das ist nicht das Grau in Grau gesichtsloser Kommissionen, die stundenlang Kaffee trinken und hinterher von harten Kämpfen sprechen. "Es ist ein großes Theater", sagt Harris noch einmal, "voller Risiken, voller Adrenalin." Und während wir dann nach einem sehr britischen Mittagessen vorm Pub stehen und auf den Fahrer warten, der Harris zum Flughafen bringen soll, sagt er noch schnell, er habe nie Politiker werden wollen, "weil ich keine Lust habe, Leuten zu sagen, was sie tun sollen". Dann muß er los, auf große Lesereise, den Leuten sagen, was sie lesen sollen. Internationaler Bestsellerautor - wäre das nicht auch ein Job für Cicero gewesen? Robert Harris lacht und verschwindet im Wagen.
PETER KÖRTE
Robert Harris: "Imperium". Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Heyne-Verlag. 500 Seiten, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Robert Harris' Roman "Imperium" erzählt von antiker Politik und hat die Gegenwart im Blick
Da steht er schon und guckt vorwurfsvoll, ein steinerner Gast in der Ecke des Arbeitszimmers. Marcus Tullius Cicero, eine Büste mitten in England. Der Schriftsteller hat am Dorfbahnhof in der Grafschaft Berkshire gewartet, wir sind auf dem alten Treidelpfad an einem Kanal entlanggegangen, über eine alte Steinbrücke, sehr idyllisch, hinein in das große ehemalige Pfarrhaus, die Putzfrau saugt, im Garten sind die Spuren der Kinder nicht zu übersehen, und Robert Harris' Frau Jill, die Schwester von Nick Hornby, will gerade mit dem Hund raus. "Wer will schon in London wohnen?" sagt Harris, der sich vor 13 Jahren, nach dem Erfolg von "Vaterland", dieses Haus gekauft und London den Rücken gekehrt hat.
Drei Weltbestseller später gefällt es dem 49jährigen hier noch immer. Harris hat sich in "Vaterland" vorgestellt, wie Hitler den Krieg gewann, er hat einen Thriller über eine britische Abhörstelle im Zweiten Weltkrieg geschrieben ("Enigma") und einen Skandal um Stalin ausgeheckt ("Aurora"). Und dann hat er Pompeji noch einmal untergehen lassen. "Ich hätte mich kaputtgelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, ich würde einen Roman über die Antike schreiben", sagt er. Nun sind's schon zwei. Aber warum bloß Cicero? Man zuckt ja noch immer zusammen. Die Reden gegen Verres - die reinste Folter. Und Catilina - wie lange will dieser Cicero denn noch unsere Geduld mißbrauchen? Der Schrecken des Lateinunterrichts als Romanheld in "Imperium"?
Ihn habe geärgert, wie der berühmte Theodor Mommsen "Caesar zum Supermann gemacht und Cicero mit den Worten abgetan hat, er sei ein Journalist der übelsten Sorte. Da wußte ich: Das ist mein Held", sagt Robert Harris und lacht. Aber im Grunde ist Amerika schuld an der verlängerten Zeitreise. Schon "Pompeji" war die Folge eines Scheiterns. Harris hatte sich mit einem Buch über die Vereinigten Staaten gequält, es funktionierte einfach nicht, nicht mal als politische Allegorie. Als er dann, noch vor 9/11, einen Artikel über neue Ausgrabungen in Pompeji las, paßte plötzlich alles zusammen. Ein Weltreich, von einer Naturkatastrophe erschüttert, "da läßt sich einiges sichtbar machen im Paralleluniversum der Alten Welt". Und die Parallelen gehen ihm nicht aus. Für die "Daily Mail" hat er kürzlich etwas geschrieben über die Attacke der Seeräuber auf die konsularische Flotte im Jahr 67 vor Christus. "Das war Roms 9/11", sagt der Kolumnist, der gerne eine Analogie auf die Spitze treibt.
"Imperium" steht derzeit in den Londoner Buchläden direkt neben den Autobiographien von Wayne Rooney und Frank Lampard, was Harris amüsiert, der die Fußballmanie seines Schwagers nicht teilt - "deshalb hat mich meine Frau geheiratet". "Imperium", das ist nicht das Römische Reich, sondern die politische Macht, die auf einen einzelnen übertragen wird. Und es ist die Politik, die das Denken von Robert Harris bewegt, der erst bei der BBC, dann beim "Observer" als Journalist arbeitete. Ciceros Leben, "das ist Politik in Aktion". Und bevor man noch fragen kann, warum sich "Imperium" auf die Jahre 79 bis 64 vor Christus beschränkt, obwohl Cicero erst 21 Jahre später ermordet wurde, spricht Harris schon von einer Trilogie: 1200 Seiten, Ciceros Leben als historischer Roman und als Panoramabild von Roms großer Krise.
Und in dieser römischen Republik des ersten Jahrhunderts vor Christus, da liegt der Stoff wenn nicht für einen politischen Thriller, dann doch für ein großes Drama: Bürgerkrieg, Intrigen, Mord und Macht. Es war die Zeit, als ein Weltreich mit einem politischen System, das auf einen Stadtstaat zugeschnitten war, an seine Grenzen stieß und in eine "Krise ohne Alternative" taumelte, wie das der Althistoriker Christian Meier genannt hat. Und es gab ein enormes Aufgebot an großen Gestalten: Pompeius, Caesar, Crassus, Cato, Catilina, Clodius - und eben Cicero. Der größte Redner, der gerissenste Anwalt, der ehrgeizige Aufsteiger ohne aristokratischen Hintergrund.
Harris bewundert Ciceros bösen Witz und Scharfsinn, seinen Mut und seinen Pragmatismus. "Cicero war immer der Außenseiter, er war immer latent bedroht, er hat sein eigenes Image entworfen und daran geglaubt, und all das macht ihn zu einer guten Romanfigur." Aber wer soll das lesen, trotz des erstaunlichen Erfolgs, den die hundert Millionen Dollar teure amerikanische Fernsehserie "Rom" gehabt hat? Politik von vor 2000 Jahren, kein Sex, kein Crime und keine Apokalypse?
Harris lächelt sorglos. Er hat ja immer die Gegenwart vor Augen. Die große Frage sei doch: "Wie kann man die einzige Supermacht sein und eine funktionierende Demokratie behalten?" Natürlich denkt er an Amerika, an das Zusammenspiel von Regierung, Geheimdiensten und militärisch-industriellem Komplex. Die römische Form der Republik sei doch sehr "sophisticated" gewesen, sagt er, "und man sieht, wie leicht man diese Eigenschaften verlieren kann. Aus der Ferne betrachtet, gibt es da interessante Muster." Und jenseits dessen gibt es die Faszination, auf der Basis von Ruinen und Quellen eine ganze Welt zu rekonstruieren. Es sei doch elektrisierend, sich das vorzustellen, die Tage der Stimmabgabe auf dem Forum, die Reden, die aufgeheizte Menge. Was man davon weiß, ist nur ein verblaßtes, fragmentiertes Fresko, das die historische Fiktion geradezu einlädt, es sich auszumalen.
Und der Alltag im republikanischen Rom? Harris winkt ab. "Wir lesen doch Catulls Liebesgedichte und spüren, daß sich soviel nicht verändert hat. Und wenn man ein Gespür für die Topographie des antiken Roms bekommen will, muß man sich die Gassen von Marrakesch ansehen, den Lärm, den Dreck, die Enge, den Luxus und die Stille hinter unauffälligen Türen." Es ist schon erstaunlich, wie selbstverständlich und geschmacklich sicher Harris diese Fragen behandelt. Mit der Hollywood-Antike aus falschem Marmor, gedrechselten Säulen und spartanisch möblierten Räumen hat das nichts zu tun. Und es gelingt ihm auch, den komplizierten politischen Apparat für Leser anschaulich werden zu lassen, die noch nie von Comitien oder Ädilen gehört haben. Man erfährt fast beiläufig, wie die Ämterlaufbahn aussah und wie die Abstimmungen funktionierten, welche Rolle Senat und Volksversammlung spielten, wie man sich einen Gerichtsprozeß vorstellen muß, wie Wählerstimmen gekauft, mit welchen Tricks Gesetze auf den Weg gebracht wurden. Es ist ein großes Politik-Theater, und deshalb ist es plausibel, daß Cicero nicht nur Rhetorikunterricht nahm, sondern auch im Theater die Schauspieler studierte. Harris hat das jedoch nicht auf diese dämliche Weise modernisiert, welche der Antike einfach Begriffe wie Revolution, Partei oder soziale Frage überstülpt. Da verzeiht man ihm auch, wenn er Cicero mal sagen läßt: "Schlafen können wir, wenn wir tot sind."
Die ideale Perspektive auf das alte Rom hat er allerdings erst spät gefunden. Da gab es schon mehr als sechshundert Manuskriptseiten und noch immer keine Erzählerstimme. Der onkelhafte Alleswisser-Ton kam nicht in Frage, und Cicero hat ja in seinen zahlreichen Schriften schon genug von sich gesprochen. Ein Nebendarsteller war die Rettung, Tiro, Ciceros rechte Hand, der Haussklave, der die erste Kurzschrift entwickelte und Ciceros Reden mitstenographierte. Dieser Tiro hat sogar eine nicht erhaltene Cicero-Biographie geschrieben, und insofern ist Harris' Lösung auch historisch zwingend. Tiro ist selber keine zentrale Figur, aber immer im Zentrum dabei, er kann sich Ironie leisten und nüchtern von Demütigungen berichten, wenn der Stratege Cicero sich ausgekontert sieht oder seine Prinzipien einer neuen Taktik unterordnet. Und ganz lakonisch heißt es gegen Ende: "Von jetzt an trug er permanent das zur Schau, was ich später sein ,Konsulgesicht' nannte." Obwohl Tiro manchmal zur Weitschweifigkeit neigt, ist "Imperium" ein Buch, das man verschlingt. Sogar der Prozeß gegen den korrupten Statthalter Verres, den Cicero mit sicherem Instinkt als Karrieresprungbrett nutzt, ist auf einmal spannend; man sieht, wie Cicero widerwillig in den Machtradius des Pompeius gerät, wie er sich in aller Schläue doch immer wieder in seinem Machtkalkül verrechnet, und man freut sich schon darauf, wie er sich im nächsten Buch als Konsul den Verschwörer Catilina vornehmen wird, in seiner großen Selbstinszenierung als letzter Wahrer republikanischer Werte.
Ja, so spannend kann Politik sein. Das ist nicht das Grau in Grau gesichtsloser Kommissionen, die stundenlang Kaffee trinken und hinterher von harten Kämpfen sprechen. "Es ist ein großes Theater", sagt Harris noch einmal, "voller Risiken, voller Adrenalin." Und während wir dann nach einem sehr britischen Mittagessen vorm Pub stehen und auf den Fahrer warten, der Harris zum Flughafen bringen soll, sagt er noch schnell, er habe nie Politiker werden wollen, "weil ich keine Lust habe, Leuten zu sagen, was sie tun sollen". Dann muß er los, auf große Lesereise, den Leuten sagen, was sie lesen sollen. Internationaler Bestsellerautor - wäre das nicht auch ein Job für Cicero gewesen? Robert Harris lacht und verschwindet im Wagen.
PETER KÖRTE
Robert Harris: "Imperium". Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Heyne-Verlag. 500 Seiten, 19,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Beeindruckt ist Ijoma Mangold von Robert Harris' Roman "Imperium", der die politische Karriere des großen Redners und Staatsmanns Cicero aus der Perspektive seines Sklaven und Privatsekretärs Tiro schildert. Er lobt das Buch als gut und spannend geschrieben, als "klug" und "gewitzt" und bescheinigt Harris, das "Räderwerk der Macht" mit "feinem Gespür und kaltem Blick" zu durchleuchten. Dabei hält er dem Autor zu Gute, Politik nicht als einziges Hauen und Stechen zu zeichnen, sondern der Komplexität des Geschehens, in dem Eitelkeit und rechtliche Institutionen, Machtstreben und Sachnotwendigkeiten, Ideen und Geld, Psychologie und Theater eine Rolle spielten, Rechnung zu tragen. Die ambivalente Figur Ciceros scheint Mangold für dieses Thema besonders geeignet, verbinden sich in dem Aufsteiger doch Eigenschaften wie Machtstreben, politische Klugheit und überragendes Rednertalent. Harris gelingt seines Erachtens nicht nur, geschickt viel "O-Ton Cicero" einzubauen, sondern auch viele Facetten der Macht wie die Instrumentalisierung von Moral und politische Theatralik einzufangen, so dass ihm der Roman bisweilen wie ein "Handbuch der Machttechniken" anmutet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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