Für die hohe Kunst der Debatte, die Finessen politischer Intrigen steht der Name Marcus Tullius Cicero. Nicht adlig geboren verdankt er seinen Aufstieg dem Geschick, im entscheidenden Moment jegliche Moral und Grundsätze ruhen zu lassen, um sich nicht mit den Machthabern zu überwerfen, die er nicht
besiegen kann. Jenen, über denen er sich einen Sieg zutraut, wirft er sich mutig, rhetorisch…mehrFür die hohe Kunst der Debatte, die Finessen politischer Intrigen steht der Name Marcus Tullius Cicero. Nicht adlig geboren verdankt er seinen Aufstieg dem Geschick, im entscheidenden Moment jegliche Moral und Grundsätze ruhen zu lassen, um sich nicht mit den Machthabern zu überwerfen, die er nicht besiegen kann. Jenen, über denen er sich einen Sieg zutraut, wirft er sich mutig, rhetorisch brillant entgegen. Ein Machtmensch also. Wer die Verstrickungen heutiger Politik, die ständige Suche nach Mehrheiten und die Geschäfte verdammt, in denen die eine Hand die andere wäscht, ist in Robert Harris Roman Imperium bestens aufgehoben. Bei der Politik, ob sie im römischen Reich zu Cäsars Anfängen spielt oder sich Bundestag schimpft, geht es stets um das, was durchsetzbar erscheint. Das dient selten dem Fortschritt, noch seltener der Gerechtigkeit. Dass Cicero uns heute als Philosoph erscheint, liegt vor allem daran, dass er nicht plump vorgegangen, dass er seine Reden fulminant untermauerte, dass seine Schliche ausgekocht geplant wurden, dass seine Gegner sich in seinem Netz verfingen. Harris beschreibt den Aufstieg Ciceros, ohne ihn zu beschönigen. Der Einäugige ist unter den Blinden der König. Wenn man sich die heutige Politikergeneration anschaut, fehlt diese Brillanz. Es wirkt eher provinziell, wenn sich Landesfürsten, wie Bundesprominenz auf dem Bildschirm zeigen. Der nüchterne Sachzwang diktiert das Geschehen. Wohl auch, weil es im Gegensatz zu damals, nicht ständig ums Ganze geht. Wer im Imperium zu viel wagt, dessen Karriere ist ruiniert, wenn er nicht gar um sein Leben fürchten muss. Robert Harris beschreibt die Gesetz einer Herrschaft, die sich scheinbar demokratischer Abstimmungen bedient, um diktatorischer Regentschaft den Weg zu ebnen, und zieht mit der Gefahr, die sich Rom von außen nähert und gegen die es scheinbar nur ein Gegenmittel gibt: Die Macht in den Händen eines Feldherren zu konzentrieren, eine erschreckende Linie zu 9/11 und dem Irak.